Idee: Ein neues, wettbewerbsorien-tiertes Schulsystem

Gestern, als ich mal wieder samstags Nachhilfe gegeben habe, meinte mein Schüler zu mir, dass er stundenlang seinem Lehrer zuhören könnte, nichts verstände, und ich es ihm innerhalb von zehn Minuten dann erkläre, und das dann funktioniert. Ich habe das schon das eine oder andere Mal gehört, und ich weiß, dass meine Kollegen das auch schon mal hören – ich bin durchaus selbstbewusst, aber vermutlich kein totaler Überflieger, ich kann Menschen was beibringen – ist ja auch nicht so schwierig. Also warum ist das so? Warum können wir Nachhilfelehrer Schüler Sachen beibringen, die ihre Lehrer nicht in sie hereinbekommen?

Irgendwann gestern, als ich darüber nachdachte, antwortete ich mir selbst: Ist doch klar, wir werden dafür bezahlt, es den Kindern beizubringen.

Erst habe ich gegrinst, dann habe ich darüber nachgedacht, und dann noch ein bisschen weiter: Es gibt eine Menge Gründe, warum Lehrer nicht wirklich bei ihren Schülern durchkommen, wir haben da gewisse Vorteile, denn wir können uns auf die einzelnen Schüler konzentrieren. Aber es gibt da trotzdem Gründe die mit dem Gedanken zusammenhängen. Der klassische Lehrer an der Schule wird aber eben nicht dafür bezahlt, seinen Schülern etwas beizubringen, genauer gesagt, nicht nur: Lehrer müssen neben ihrem Lehr- und Erziehungsjob auch noch Schüler bewerten, sortieren. Und das ist nur eines, völlig sinnlos.

Jetzt hab ich mir überlegt, ob man da nicht drauf verzichten könnte, die Bewertung quasi outsourcen: Wenn man einfach die Lehrer von ihren sinnlosen Sortierarbeiten entbinden würde, und dafür eine Prüfungsbehörde schaffen, bei der Schüler ihre Prüfungen ablegen. Und die Schulen werden für jede bestandene Prüfung bezahlt, also quasi dafür, dass sie ihren Schülern die besten Möglichkeiten für ihre Entwicklung bieten. Dafür sollte es zwei Arten von Prüfungen geben:

  1. Reifeprüfungen: Ich denke hier an die Überprüfung von grundlegenden Fertigkeiten, nicht von abfragbarem Wissen. Davon sollte es auch nicht sehr viele geben, in etwa alle drei Jahre sollten Kinder und Jugendliche geprüft werden. Da geht es um prinzipielle Kenntnisse, darum, ob Kinder einen einfachen Text lesen können, und ihn dabei auch verstehen, um Fertigkeiten, um Reifezeichen. Kann ein Kind mit zwölf verständlich einen Text vorlesen? Können Bilder beurteilt werden? Können bei der dritten Prüfung Statistiken gelesen werden, kann man sich in seinen Fremdsprachen in einer einfachen Unterhaltung behaupten? Dazu gehören dann auch die Abschlüsse, eine Art mittlere Reife, ein Abitur.
  2. Fachprüfungen: Hier geht es um Fachwissen, hier geht es um Spezialisierungen, Prüfungen in Naturwissenschaften und Fremdsprachen, aber natürlich auch in künstlerischen Bereichen oder Sport. Hier sind nur die jeweils ersten Stufen Pflicht, damit man zu den Reifeprüfungen zugelassen wird, aber weitere Ausbaustufen sind möglich und natürlich erstrebenswert.

Beide Arten von  Prüfungen sollten die einzigen Möglichkeiten sein, dass Schulen an Geld kommen, viel für die Reifeprüfungen und elementaren Fachprüfungen, weniger für die Ausbaustufen. Bei als in der einen oder anderen Weise behinderten Kindern, gibt es besondere Zuwendungen, weil die nun mal auch mehr Betreuung erfordern – so könnten integrative Klassen auch für „normale“ Schulen aus Wettbewerbsgründen sinnvoll sein.

Besonders erfolgreiche Schulen können dabei durchaus Gewinn erwirtschaften, aber auch andere Schulen sollten mit ihrem Geld auskommen, wenn sie denn gut arbeiten. Dabei sollte völlig egal sein, ob nun die Städte, irgendwelche Kirchen oder Vereine oder Betriebe die Trägerschaft der Schulen haben – vielleicht mit Einschränkungen bei religiösen Trägern, denn eigentlich sollten die wie Parteien keine Möglichkeit haben, Schulen zu führen … aber das führt gerade vom Thema weg.

Das nun geschilderte Prinzip würde natürlich sehr vieles verändern, hätte aber fast durchgehend nur Vorteile: Zum Beispiel würde die Motivation der Schüler größer sein – Ziele wären einfach viel durchsichtiger, auch pubertierenden Jugendlichen klarer, und vor allem würden die Lehrer ganz eindeutig auf der Seite der Schüler stehen – allerdings mit dem Nachteil, dass unfähige Lehrer nicht mehr über Noten Druck machen können – ohne eigene Autorität ist man da schon ein wenig aufgeschmissen. Aber wenn man näher an den Schülern ist, bekommt man deutlich mehr in ihre Köpfe – und wenn man nicht ans Sortieren denken muss, dann fallen da einfach viele Schranken weg.

Ja, Prüfungsangst könnte ein Problem werden, aber natürlich funktioniert das nur, wenn man Prüfungen unbeschränkt wiederholen kann. Und es darf ruhig egal sein, in welchem Alter man welche Prüfungen macht, was ist das Problem dabei, wenn jemand seine mittlere Reife erst mit 18 macht? Oder das Abitur schon mit 14? In einem flexiblen System ist das alles machbar, und es muss noch nicht mal zu Problemen führen – ach so, ja reformpädagogische Ansätze kämen vermutlich schnell in die Schulen … wird ja auch langsam Zeit.

Natürlich ist das nur ein Wunschtraum, denn so viel Wettbewerb werden die wettbewerbsgierigen Politiker der Regierung nie akzeptieren. Keine Kontrolle mehr über Schulen? Keine Bürokratie mehr außerhalb einer sicherlich durchaus bürokratischen Prüfungsbehörde? Klingt für normaldenkende Menschen vermutlich gut, für die großen Besitzstandswahrer unter den (schlechten) Lehrern – die guten müssten sich ja nicht fürchten -, unter Politikern und Kirchenfunktionären werden sich wahrscheinlich erschreckt abwenden … aber ich finde, man könnte da durchaus mal drüber nachdenken.

Über Hollarius

Ich bin in den Siebzigern geboren, halte mich voll Hybris für einen Künstler und meine auch noch, alle müssten lesen, was ich so meine ...

Veröffentlicht am Dezember 20, 2009 in Bildungspolitik, Gesellschaft, Politik und mit , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 3 Kommentare.

  1. Ich bin aus dem Piraten-Wiki bzw. dem lqfb auf diesen Beitrag aufmerksam geworden. Ein Feedback, was im lqfb-Antrag gar nicht vorkommt, deswegen gebe ich das Feedback hier. Das bezieht sich nur auf die Finanzierung und in keinster Weise auf das Gesamtkonzept, das recht solide wirkt. 🙂

    Die Finanzierung durch bestandene Prüfungen löst leider auch einen Wettbewerb in die umgekehrte Richtung aus, d.h. die Schulen werden um gute (begabte) Schüler konkurrieren. So weit, so gut, aber andersherum werden die Schulen weniger begabte (aber nicht unbedingt als lernbehindert, schwer erziehbar oder geistig behindert einzustufende) Kinder nicht haben wollen. Mit anderen Worten, das System enthält eine inhärente Elitenförderung, denn einige Schulen werden sich auf (hoch)begabte Kinder konzentrieren und die Schulen, die die breiter Masse oder gar explizit weniger begabte Kinder akzeptieren, müssen bei gleicher Leistung mit weniger Mitteln klarkommen.

    Ich weiß nicht, wie sich das kompensieren ließe, ohne die schlichte Einfachheit, die das System der Schulfinanzierung so elegant macht, zu zerstören. Möglicherweise so:
    Bei jeder Prüfung vor der Komission, mindestens aber einmal in drei Jahren und vor der Einschulung, wird eine Art Begabungstest durchgeführt, durch den jeder Schüler mit in eine Kontrollgruppe vergleichbar begabter Schüler „sortiert“ wird. Für jede Kontrollgrupp wird die durchschnittliche Dauer zwischen der Belegung zweier Prüfungen ermittelt. Schulen finanzieren sich (neben einem Sockelbetrag je Schüler) durch eine Zahlung für jede bestandene Prüfung, die um so höher ausfällt, je eher die Prüfung im Vergleich zur jeweiligen Kontrollgruppe ausfällt.

    Mit anderen Worten: Es lohnt sich für eine Schule, begabte Schüler zu fördern. Es lohnt sich aber auch, explizit wenig begabte Schüler zu fördern. Dann schneiden diejenigen Schulen schlecht ab, die Schüler links liegen lassen.

    Eine politisch gewollte Steuerung der Eliten- bzw. der Breitenförderung kann dann ebenso durch die Höhe der Beträge festgelegt werden. Breitenförderung ist es, wenn eine Prüfung den Schulen nur noch Geld bringt, wenn sie eher als im Durchschnitt der Kontrollgruppe erfolgt ist. Elitenförderung ist es, wenn eine Prüfung allein durch ihre Belegung Geld bringt.

    Was hälst Du davon?

    • ja, bin, wie schon im Wiki geschrieben, ein bisschen von dem Wettbewerbsgedanken weg … da muss ich noch mal dran 😉 … im Wiki gibt es übrigens eine Diskussionsfunktion … 😉

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