Archiv für den Monat Juni 2010
Musical und Tanz – grundsätzliche Überlegung
Aus aktuellen Gründen beschäftige ich mich im Moment mit der Kombination aus Tanz und Musical – etwas, von dem man weithin glaubt, es müsse zusammen gedacht werden. Jetzt mach ich ja deutlich mehr ganz spaßiges Sprechtheater, eine Sache, bei der extrem selten wirklich getanzt wird, also muss ich für zukünftige Musicals mal überlegen, wie ich denn zum Thema Tanz stehe.
Ich kenn das Problem, dass viele mit dem Musical haben: die seltsame Künstlichkeit. Völlig ohne Grund fangen da Leute an zu singen und zu tanzen – etwas, was zum Beispiel beim Musicalfilm „Hair“ viele zum geistigen Sofortausstieg zwingt, wenn da Leute im Central Park nicht nur sinnlos rumstehen und singen, sondern auch noch in heftigsten Verrenkungen rhythmische Gymnastik machen – ganz ähnlich bei „Jesus Christ Superstar“ – immer noch einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Diese Tanzerei ist ästhetisch hübsch anzusehen, aber ob sie der Geschichte irgendwas gibt, ist zumindest zweifelhaft. Würden diese wunderbaren Musicals auch funktionieren, wenn da nicht getanzt würde? In gewisser Weise ja.
These: Musical geht auch ohne Tanz!
Im Prinzip schon, bei der Oper funktioniert es auch großflächig, warum sollte es also bei Musicals anders sein? Gehe ich davon aus, dass ich im Bereich des Musical Drama bin – einem Bereich, der mir wahrscheinlich sogar eher liegt – dann brauch ich doch eher eine sensible Regie, als irgendwelche Tanzschritte, oder? In der Musical Comedy kann ich wunderbar karikieren und ironisieren über Tanz; ja klar, aber im Drama brauch ich die Ironie ja nicht unbedingt.
Aber Tanz kann doch auch etwas aussagen!
Ja, aber er macht es so selten. Schau ich mir den üblichen Einsatz von Tanz in Musicals an, so bleibt heute fast nur noch das Erzeugen von Dynamik, was ja schön und gut ist, aber nicht unbedingt alles, was Tanz kann. Ansonsten ist Tanz viel zu oft ein schmückendes Beiwerk. Das große Finale wird getanzt, weil es immer so nett aussieht, wenn das ganze Ensemble im Tanz vereint ist – schmückendes Beiwerk. Dafür brauchen wir keinen Tanz.
These: Musical braucht Tanz, aber sinnvoll!
Ich mag Verfremdungen, ich bin der festen Überzeugung, dass absichtliche Brüche in der Illusion eine gute Sachen sind, allerdings nur an den richtigen Stellen, ich benutze auch immer gern Bilder an gewissen Punkten einer Inszenierung, die aus der Bühnenrealität ein wenig herausfallen. Ich denke, an dieser Stelle hat im Musical der Tanz eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Das kann der ironisierende Marsch sein, das kann die Roboterarmee sein, die die Protagonisten in die Flucht schlägt, aber auch die vorsichtige Annäherung zweier Menschen, die ohne Worte, aber mit viel Musik und getanzt geschieht. Unterhalten sich zwei Menschen, gehen dann in Gesang über, so mag das noch die Bühnenrealität verkraften, fängt nun noch einer von beiden an zu tanzen, so mordet das oft die Illusion und ist deswegen oft genug nicht angemessen und –bracht. Tanz darf nicht eingestreut werden, damit der Choreograph etwas zu tun hat, sondern um der Geschichte zu dienen, dem Stück zu dienen – schaut man sich das Tanztheater einer Pina Bausch an, dann weiß man, wie viel Tanz ausdrücken kann. Die gleiche Tiefe sollte Tanz auch im Musical haben, sonst wird er zu Aerobic.
High Fidelity … Musical … Essen …. Folkwang …
Am Freitag hatte ich die tolle Möglichkeit, die Erstinszenierung des High Fidelity-Musicals zu sehen, in Essen, im Rathaus-Theater, gespielt von der Abschlussklasse der Musicalabteilung der Folkwang-Schule – also junge Menschen auf der Bühne, die so gut sind, dass einem vor Neid schlecht werden könnte, wenn, ja wenn man nicht so mitrocken würde und vor allem so viel lachen.
Vielleicht kennt der eine oder andere den Roman „High Fidelity“ von Nick Hornby, einen Film gibt es auch – ich habe beides bisher nicht registriert gehabt – ich geb das zu, auch wenn ich vielleicht nun Banause gerufen werde. Auf jeden Fall ist die durchaus konventionelle Liebesgeschichte so unkonventionell erzählt, dass man fast von Anfang an richtig was zu lachen hat. Kauzige Charaktere, große Gewissensnöte, eine Menge Anspielungen auf gute und nicht so gute Musik, die man aber gar nicht unbedingt alle verstehen muss, um einfach viel Spaß zu haben.
Und ganz nebenbei stand da die junge Musicalelite Deutschlands auf der Bühne – großartige Stimmen, wundervolles Timing, und auch gar nicht die glattgebügelten Musicalstars, die üblicherweise für größere En-Suite-Stücke aus England oder Holland herangekarrt werden. Das sind richtige Typen, Schauspieler, für die das Wort noch Sinn macht. Ja, dieses Musical hat sich nicht irgendwie gelohnt, es war fantastisch, ein Hauptgewinn. Die Regie schnörkellos und clever, die Choreographie immer ein Diener des Stücks – also wirklich annähernd alles richtig gemacht – ein kleiner Nachteil war vorhanden, aber der lag an meinem Sitzplatz – ich konnte manchmal die Stimmen und daher den Text der kongenialen Übersetzung nicht wirklich gut verstehen. Egal, ich bin auch so erst mal nur dankbar – war ein Highlight nach einer verrückten Woche.
Die Alchemisten – Dominion
Schon länger stand hier nichts mehr über Dominion zu lesen, die größte Sucht war befriedigt, die Sets wurden seltener herausgeholt, aber völlig natürlich, kommt eine neue Erweiterung in die Pfötchen des Spielers, so spielt er auch wieder. Nun also sind die Alchemisten bei uns aufgetroffen und wandeln und wandeln.
Natürlich ist die neue Erweiterungsbox „Die Alchemisten“ zu teuer, vergleicht man sie mit den anderen Sets – aber was hilft das Meckern, und vermutlich kostet die Produktion der kleinen Box kaum weniger als die von großen. Bei der Intrige gab es das neue Konzept mit Karten, bei denen man zwischen verschiedenen Sachen entscheiden kann, bei Seaside kamen die Dauerkarten ins Spiel, was passiert also bei den Alchemisten? Da gibt es eine neue Geldkarte, die keine Königreichkarte ist: den Trank – nur mit diesem kann man Karten kaufen, die teilweise recht spannende Effekte haben.
Das bewirkt einige Veränderungen: Zum Beispiel werten viele Karten der neuen Erweiterung das Spielen von Aktionsdecks auf – ja, mit Weinberg gibt es sogar eine Punktekarte, die auf Aktionskarten basiert. Mit der Universität werden Aktionskarten, die bis zu fünf Geld (allerdings ohne Trank) kosten, per Aktionsgeber an die Spieler verschenkt, und der Golem bringt eine großartige Komponente ins Spiel, er ermöglicht zwei Aktionskarten, gespielt zu werden, ob es noch Aktionen gibt, oder nicht – und er sucht sie sogar noch selbst. Das ist mal eine großartige Neuerung, und es müssen schon sehr schlechte Aktionskarten im Setup sein, dass sich der Golem nicht lohnt. Daneben gibt es eine Durchlaufkarte, die Flüche verteilt, den Vertrauten, und den Alchimisten, der nicht nur ermöglicht, ihn beim Aufräumen zurück auf den Nachziehstapel zu legen, sondern der auch noch die Funktionsweise eines Laboratoriums hat – allerdings faktisch billiger ist.
Sind also einige Alchemisten-Karten im Setup, so werden reine Geld-Taktiken oft von Flüchen verstopft, und von Aktionsdecks überrollt – und mal ehrlich, so macht es doch auch Spaß, oder? Ganz besondere Karten gibt es auch in jedem Kasten, so auch hier – zum Beispiel den Entsorger „Verwandlung“, die aus schlichten Anwesen Gold macht und aus Aktionskarten Herzogtümer – die aber letztlich wohl nicht so stark ist, wie sie scheint. Ebenso ist die Stärke der „Besessenheit“ noch nicht so ganz klar. Die ist die teuerste Karte nach der Provinz, denn sie kostet sechs Geldeinheiten plus einen Trank und sie macht etwas, was manchmal fatal sein kann: Sie lässt den Ausspielenden noch einen weiteren Zug, allerdings mit den Karten seines Nachbarn spielen. Und alles, was der kaufen kann, bekommt nicht der Besessene, sondern der Ausspielende. Das ist immer dann extrem stark, wenn der Nachbar auch ein gutes Deck hat, aber letztlich fast immer ein Gewinn – allerdings wohl nicht immer etwas, was Spiele entscheidet, und es verbraucht Aktionen, ist also ohne Aktionsgeber gar nicht so stark.
Eine große Änderung ist die Wertigkeit der Karten, die Zusatzkäufe ermöglichen. Die sind bei Tränken extrem wichtig. Die Aktionskarten, die Tränke benötigen, kosten ja eher wenig Geld, also kann man in vielen Runden zwei sinnvolle Karten gleichzeitig kaufen.
Nun, hat es sich also gelohnt, zu den Alchemisten zu greifen? Trotz des überteuerten Preises? Ja, auf jeden Fall! Dominion bekommt das alte Suchtpotential zurück, und schon wieder freut man sich auf die nächste Erweiterung.
Quick – „Innerer Reichsparteitag“
4:0, in Worten Vier zu Null! Hallo, doch ein bisschen besser als erwartet – und ich habe etwas weniger Angst, dass ich meine Wetter verliere, denn flögen sie vor dem Viertelfinale raus, hätte ich da ein gewisses Problem …
Aber mal ehrlich, Frau Müller-Hohenstein, was war denn das für ein Lapsus linguae? „Innerer Reichsparteitag“ für Miro Klose? Herzlichen Glückwunsch, dämlichster Spruch seit langem!
Nun kann man streiten, ob man den Spruch nutzen darf, oder nicht. Ich kenn ihn, habe ihn glaube ich, auch shcon mal aktiv gebraucht, halte ihn aber wenigstens für unglücklich – also unter normalen Umständen. Stell ich mir nun vor, ich würde im Fernsehen auftreten, dann würde ich diese Redewendung ganz sicher ganz weit aus meinem Hinterkopf heraus halten. Denn die Konnotation mit den Nazis ist einfach auch da – auch wenn die Redewendung nicht direkt in ihrer Herkunft aus dem Bereich der Nazis kommen mag. Aber hätte „das muss ihm doch jetzt ein Fest sein“ nicht auch gereicht, musste es gleich der „Reichsparteitag“ sein?
Nun werden sich wieder ganz viele Leute mehr oder weniger gerechtfertigt aufregen – und die BILD wird doch sicher viel Spaß damit haben, was steht da auch eine Frau rum, die Fußball kommentieren will …