Archiv für den Monat März 2011
Quick – Libyen
Fast hätten wir es vor atomaren Schäden, die man gestern im Bundestag schon sehr schön in den Regierungsparteien sehen konnte, vergessen, dass in Libyen (könnte man nicht einfach Lübijen schreiben, so sprechen es die meisten doch auch aus?) eine Armee von Freiheitskämpfern gegen ihre eigene professionelle Armee kämpft, was man üblicherweise Massaker nennt.
Nun ist es so weit, die UN hat sich durchgerungen, einzuschreiten, amerikanische, englische und französische Soldaten werden die Freiheitskämpfer unterstützen und hoffentlich zum Sturz von Gaddafi beitragen.
Die Bundesregierung sucht sich hingegen seltsame Bündnispartner, nämlich die Diktaturen China und Russland – die natürlich Freiheitsbewegungen gegenüber skeptisch sind, sowas könnte man auch naturgegeben nennen.
Für mich ist die Situation zwiespältig – auf der einen Seite bin ich Pazifist, und ich finde schon, dass man mit deutlich früherem Eingreifen und forcierter Aufklärung diesen ganzen Krieg hätte verhindern können – leider war Gaddafi ja der Sicherer der europäischen Südgrenzen, der afrikanische Flüchtlinge großzügig entsorgte – sehr zum Nutzen der EU – und deswegen ist die Situation jetzt euphemistisch gesagt bescheiden.
Wenn es allerdings einmal so ist, dann muss ich zugeben, verstünde ich einen Einsatz auch deutscher Truppen in Libyen besser, als zum Beispiel in Afghanistan – auch wenn ich auf der adneren Seite denke, gut, Libyen hat Öl, ein rohstoffarmes Land würde vermutlich kaum zu so verhältnismäßig schnellen Einsätzen führen – und ja, Afghanistan hat große Bodenschatzreserven (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,700503,00.html).
Aber ich finde, mit einer demokratisch gesinnten Befreiungsarmee gemeinsam ein Massaker verhindern, das wäre eine Aufgabe für die Bundeswehr, die ich deutlich besser verstehen würde, als diese seltsame und außer in wirtschaftlichen Dingen, unsinnige Besetzung Afghanistans.
Fukushima und der Wahlkampf
Tagelang war man fast sprachlos, hat die Bilder gesehen, hat gesehen, wie Siedlungen einfach weggespült wurden, hat gesehen, was für ein Leid über Japan hereingebrochen ist. Und dann, sehr schnell, wurde klar, dass der Welt ein weiterer Atom-GAU bevorsteht. Gedanken an 86 wurden bei mir wach, Tschernobyl, die Erkenntnis, dass es nicht nur auf beiden Seiten des damals noch vor sich hin bibbernden kalten Krieges genug Potential an Atomraketen gab, um die Erde mehrfach zu zerstören – ja, viele davon gibt es auch heute, aber damals erschienen sie irgendwie realer -, sondern dass auch die zivil genutzte Atomkraft ein schrecklicher Irrweg ist. Strahlung ist so wenig greifbar, sie kommt einfach kalt und unsichtbar daher und bringt uns um – so ist sie, die Strahlung.
86, als in Tschernobyl ein Atomkraftwerk in die Kernschmelze überging, da war ich elf. Ich hatte keine große Angst – ich war zu dem Zeitpunkt ziemlich rational geprägt – ich dachte über Halbwertszeiten und Strahlung nach, darüber, dass man kaum etwas wirklich gegen Strahlung machen kann – und rational, wie ich war, wurde ich sofort zum Atomkraftgegner. Ein logisch denkender Mensch, der auch noch ein ethisches Grundgerüst hat und nicht ‚Nach mir die Sintflut!‘ denkt, der kann Atomkraft gar nicht befürworten, das geht gar nicht. Die Logik sagt nun mal, entweder ist etwas in seinen Folgen beherrschbar und ungefährlich – dann kann man das machen – oder es ist eben dieses nicht – und dann darf man es auch nicht machen. Tertium non datur.
Nun ist das verheerende Erdbeben in Japan noch keine Woche her, und die Heuchelei bei uns treibt Blüten, wie man sie nur selten sehen und hören musste. Die Regierung mag momentan denken: ‚Hätten die Japaner doch kein Atomkraftwerk an so exponierter Stelle gebaut!‘ der GAU in Japan ist für eine Regierung die gerade beschlossen hat, dass es total sinnvoll ist, Atomkraftwerke möglichst lange in Betrieb zu halten, damit die Energieunternehmen möglichst viel verdienen, natürlich auch ein GAU. Die mediale Reaktion, speziell von der Regierung und den ihr nahestehenden Journalisten ist mehrfach heuchlerisch und offenbart einen guten Teil Panik. Die erste Reaktion war, dass man auf dem Rücken der Opfer von Japan keinen Wahlkampf machen dürfte – und das ist prinzipiell gar nicht mal so falsch. Wenn es denn nicht so verlogen wäre. Hätte man das ernst gemeint, dann hätten sich die Parteien einigen sollen, die Landtagswahlen um ein paar Monate, halt so lange wie es rechtlich geht, zu verschieben. Denn es stimmt ja, Wahlkampf sollte nicht mit Katastrophen gemacht werden. Das Problem ist nur, es gab zu diesem Zeitpunkt aus den Reihen der Opposition nur Fassungslosigkeit gegenüber dem Leid der Japaner, und relativ verhaltene Hinweise darauf, dass die Situation zeigt, dass es richtig war, aus der Atomkraft aussteigen zu wollen, – kurz man sagte das, was man schon seit vielen Jahren sagt, nämlich „Nein“ zur Atomkraft. Da hatte noch gar kein Wahlkampf begonnen – allenfalls schwang ein „Siehste!“ mit – , aber die Panik der Regierungsparteien schrie natürlich sofort danach, dass es unredlich und unmoralisch wäre, jetzt mit Fukushima Wahlkampf zu betreiben.
Was aber gleichzeitig geschah, war ein großer Anstieg des Gebrauchs folgendes Wortes bei Twiter: „#abschalten“ – und da spätestens seit Dr. zu Googleberg die Macht des Internets der Regierung so gar nicht mehr schmeckt, wurde reagiert – und wer begann sofort Wahlkampf mit dem Thema Atom zu machen, wer schrieb sich Fukushima auf die Fahnen? Die Regierung. Auf einmal klingen Frau Mekrel und Herr Westerwelle wie altgediente Anti-AKW-Helden, die schon in Brokdorf und Wackersdorf im Strahl der Wasserwerfer standen – die jüngeren Leser mögen die beiden Ortsnamen googeln. Was natürlich bei allen, die schon mehr als fünf Tage gegen Atomkraft sind, latente Aggressionen hervorrufen könnte. Manchmal findet Verlogenheit einfach kein Maß mehr. Dieses Stadium erreichte dann endgültig S21-Provinzfürst Mappus, der sich vom Atomkraft-Saulus zum Anti-AKW-Paulus wandeln wollte, was aber dann hoffentlich auch der letzte Wähler nicht glauben wird.
Ich kann verstehen, dass man bei Schwarz-Gelb panisch geworden ist. Man stelle sich vor, dass man so einen schönen Deal eingefädelt hat, die Bevölkerung sogar noch einigermaßen besänftigt bekommt – auch wenn natürlich schon vor Fukushima die Anti-AKW-Bewegung wieder erstarkte -, und dann passiert 25 Jahre nach der letzten absoluten Katastrophe auf einmal eine neue – und irgendwie klingt die quasi 100-prozentige-Sicherheit, von der immer wieder gesprochen wurde, gar nicht mehr so sicher – hey, es war nicht in Indien oder in Brasilien, sondern in Japan, einem Land, das technisch nicht hinter uns zurückliegt. Das muss sich schon blöd anfühlen – und peinlich … so würde es auf jeden Fall für die meisten sein. Die Machtmenschen in der Politik denken da offenkundig anders, denen ist ja nichts mehr peinlich, sie rudern so schnell zurück, dass man gar nicht gucken kann, finden ihre festen Grundsätze von gestern heute fast so unsinnig, wie sie wirklich sind.
Man kann nur hoffen, dass sich das Wahlkampf von den panischen Rückruderaktionen nicht einlullen lässt. Alles, was man heute weiß, wusste man vor einer Woche auch schon – und da hat die Regierung nicht im Traum daran gedacht, irgendwelche Atomkraftwerke zu schließen – man träumt ja in manchen Teilen der Regierungsparteien doch immer noch von Neubauten. Alles, was Schwarz-Gelb gerade macht, entsteht aus Angstreflexen. Wenn man diese Regierung weiter machen lässt, dann werden die Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen, wenn die Wahlen vorbei sind – da mache man sich mal keine Illusionen.
Quick – Guttbye
Nur noch mal ein kleiner Gedanken zu Guttenberg:
Auch wenn ich keinen akademischen Abschluss gemacht habe, habe ich genug Zeit an einer Uni verbracht, um zu sehen, dass es sich da um erhebliche kriminelle Energie handelt … und mir wird schlecht, wenn ich ihn herumweinen höre, dass der Druck so groß geworden wäre – nicht der Druck der Medien war das Problem, dass er gelogen hat, dass er abgeschrieben hat, geistiges Eigentum gestohlen hat und auch noch der wissenschaftlichen Welt den Stinkefinger gezeigt hat, dass ist mehr als einen Rücktritt wert.
Wenn er sich am ersten Tag hingestellt hätte und gesagt hätte, tut mir leid, mein Ghostwriter hat da Mist gebaut, dann hätte er nicht zurücktreten müssen, sich jetzt aber als Opfer darzustellen ist der Gipfel der Unverschämtheit.