Archiv für den Monat Februar 2013

Les Miserables – Film

Irgendwie konnte und vor allem wollte ich diesen Film nicht verpassen. Dafür bin ich zu sehr von Kind an von Musicals und dem Musiktheater an sich begeistert, und dafür ist mir dieses epische und wuchtige Musical mit seinen großen Bildern (nicht nur im Film, sondern auch auf der Bühne) und der oft einigermaßen dramatischen Geschichte zu sehr ans Herz gewachsen. (Spoilerwarnung, wer den Film noch nicht kennt, sollte sich sehr genau überlegen, ob er oder sie weiterlesen will!)

Nun also Les Miserables im Kino, und gleich die Eröffnungsszene ist ein optischer Wahnsinn. Hunderte Sträflinge ziehen ein großes Kriegsschiff mit Muskelkraft in ein Trockendock. Kurzzeitig fragt sich meine Logikabteilung, ob es solche Docks für Schiffe mit mehreren Kanonendecks wirklich gab, aber gut, das Bild ist groß!

Und solcherlei Bilder schafft der Film immer wieder. Javert am Abgrund, die Barrikade, Valjean, noch fast am Anfang, an einer Klippe an der Friedhofsmauer. Große Bilder. Und reden wir nicht von dem Schlussbild, das ist natürlich over the top, aber einfach gut.

Aber es geht auch um andere Bilder, und die finde ich teilweise deutlich weniger gelungen. Regisseur Tom Hooper stand natürlich vor dem Problem, dass jeder Regisseur von Musiktheater hat. Was mache ich denn, wenn die Arie kommt, also der große Einzelsong, wir sind ja beim Musical. Und Hooper fällt da selten mehr ein, als den Opernregisseuren, die ihre Sänger immer noch an die Rampe schicken und da ihre Töne absondern lassen.

Die filmische Entsprechung ist die ungeheure Vergrößerung einer Briefmarke. Wie bei einer Briefmarke gibt es nämlich bei mehreren Arien ein Portrait mit unscharfem und vernachlässgbarem Hintergrund. Das ist nicht nur langweilig und einfallslos, es lenkt auch viel zu viel Aufmerksamkeit darauf, dass Schauspiel sich gerne mal mit erlernter Gesangstechnik beißt. Man kann zwar sehr schön Studien betreiben, über wie viel Technik die diversen Castmitglieder verfügen, aber das ist doch wohl eher nur ein Spaß für Gesangslehrer und Logopäden. Ich persönlich möchte nicht jedes Zucken eines Mundwinkels sehen.

Es verstärkt auch den Eindruck der Künstlichkeit, weil ich eben nicht volltönend singe, wenn ich gerade versterbe, oder wenn ich verzweifelt bin, oder … ach, Ihr habt den Punkt vermutlich verstanden. Also kurz, bitte keine Großaufnahmen bei der Tonproduktion. Da ist es oft auch einfach gut, dass man bei den Bühnenversionen so weit weg sitzt, dass so genaue Einblicke gar nicht gegeben sind.

Ich könnte noch wegen ein paar anderer Sachen meckern, natürlich kommt das Musical mit einem Gesellschaftsbild daher, dass Jahrhunderte alt ist. Natürlich ist das Ganze ein christliches Schicksalsmärchen, was man auch ein bisschen weniger hätte herausarbeiten können. Geschenkt. Ich erwarte bei einem Musical auch eher selten fortschrittliches – auch und gerade nicht bei einem über dreißig Jahre altem Musical nach einer Vorlage von Anno Dunnemals. Ist ja auch alles in Ordnung.

Aber ich finde es viel interessanter, zu schauen, wo eine Bühnenversion stärker ist, als der Film. Zum Beispiel bei dem Eherpaar Thenardier, das schon verdammt cool besetzt ist mit Sacha Baron Cohen und der großartigen Helena Bonham Carter – deren toller und witziger Song „Master oft he House“ bleibt aber hinter diversen Bühnenversionen weit zurück. Ich habe mich gefragt, warum das so ist. Ich vermute, weil es sich eingebürgert hat, dass auf der Bühne ganz klar das Publikum angesprochen wird. Und direkte Ansprache hat halt doch seine Vorteile. Oder „Empty Charis at empty Tables“ – Marius besingt seine toten Freunde, und in der üblichen Bühnenregie tauchen die geisterhaft im Hintergrund auf – mit nettem Gruseleffekt, sehr klassisch. Was fällt da dem Herrn Hooper ein? Richtig! Briefmarke … schade …

Nun gut, Fans des Musicals kommen auf ihre Kosten. Es gab mehrere Momente, die ich großartig fand. Aber ein bisschen ist das auch eine vertane Chance, nochmal schade.

Die Kindheit des Dr. M – Theaterstück

Ich habe in der Vergangenheit ein paar Theaterstücke geschrieben, ich werde die nach und nach hier veröffentlichen, will heißen, das Stück selbst ist als PDF bei Archive.org hochgeladen, hier rede ich ein bisschen drüber, und natürlich verlinke ich auch. Also HIER.

Manche, die alte Krimis mögen, die können schon drauf gekommen sein, hinter dem Kindertheaterstück steckt eine sehr freie Interpretation des „Dr. Mabuse“ von Norbert Jaques, unsterblich gemacht durch Fritz Lang.

Irgendwann erinnerte ich mich an die fast schon mythisch überhöhten Filme der Sechziger zum Thema, die ich selbst als Kind gesehen hatte. Ziemlich gruseliger Stoff, und etwas, was ich als Kind ziemlich stark fand. Nun, heute find ich die Filme nicht mehr stark, und auch mit dem Buch konnte ich gar nicht so viel anfangen. Aber andererseits war der Mythos in meinem Hinterkopf, und ich wollte damit mal irgendwas machen. Und dann kam es, dass ich für eine Kindergruppe ein Stück brauchte, und plötzlich hatte ich eine Verbindung.

Also begann ich zu recherchieren, merkte, dass ich nur ein paar Motive wirklich spannend fand, benutzte die aber, um darauf eine kleine Geschichte aufzubauen. Dr. M, mit dem schönen Vornamen Marcus-Max versehen – oder doch Max-Marcus? Die Rollen verwechseln das im Stück immer mal wieder – hat eine kleine Untergrundorganisation aufgebaut. Allerdings ist erst zwölf, und auch seine Handlanger sind so in dem Alter. Allerdings kommt ihm eine Gruppe um die leicht snobistische Geraldine hier und da in die Quere. Dabei hat Marcus-Max bei seinen durchaus skrupellosen Machenschaften ja sogar ein gar nicht so verbrecherisches Ziel: Eine Schule nur für Kinder, ganz ohne Lehrer. Und es gibt noch ein paar andere Ideen, die gar nicht so übel klingen. Aber ich will ja neugierig machen, also erzähl ich mal nicht so viel mehr.

Es handelt sich um ein Kinderstück, in dem es auch um Kinder geht – denn die Kinder spielen und streiten wie Kinder, auch wenn die Zusammenhänge manchmal etwas märchenhaft werden. Es gibt auch einige recht witzige Momente, sowohl die humoristisch etwas gröbere Kelle, die von Kindern allgemein bevorzugt wird, als auch ein paar kleinere Ironien, damit auch Eltern und Großeltern was zu schmunzeln haben. Idealer Einsatzort sind Kindertheatergruppen und Schulklassen, so irgendwo zwischen neun und dreizehn Jahren. Ein paar der Rollen, speziell in den Reihen der M-Anhänger, können auch von weiblich auf männlich umgeschrieben werden – die Verteilung entspricht schlicht der Gruppe, für die ich das Stück geschrieben habe.

Das Stück dauert eine gute halbe Stunde, auch eine Dreiviertelstunde ist machbar, kommt auf die Inszenierung an. Das ist auch eine Zeit, die Schauspieler in dem Alter problemlos hinbekommen. 13 Rollen, der Schreibung nach elf Mädchen und zwei Jungen, aber das ist anpassbar. Viel Spaß beim Lesen, und wenn es jemand spielen will, einfach mal anfunken, Danke!

Von „Hitlerjuden“ und dem Humor in kalter Zeit

Vor ein paar Wochen fragte Bloggerkollege Jan Ulrich Hasecke, ob jemand ein EBook rezensieren wollte – ich bin für so was immer gern zu haben, und so schickte er mir „Ich bin doch auch ein Hitlerjude“, eine Sammlung von Witzen und Beobachtungen aus der Nazizeit, die seine Tante Annegret Wolf gesammelt hatte.

Er hat die Witze und Anekdoten kommentiert und erklärt, wo sie Erklärung benötigten, und hat auch nicht die Sachen zensiert, die den Nazis durchaus in den Kram gepasst haben dürften. Ja, es gibt die Flüsterwitze auf der einen Seite, aber eben auch Witze über fliehende Italiener oder jüdische Kommunisten. Dass Hasecke als Herausgeber da nicht schönt, finde ich sehr angenehm.

Wir haben die Neigung, alles in schwarz und weiß aufzuteilen, aber natürlich waren auch die Menschen in jenen Zeiten verschiedenartig grau. Man sollte nicht vergessen, dass die berühmte Sophie Scholl von der Weißen Rose auch mal Jungmädelführerin war, begeistert von ihrer Aufgabe. Annegret Wolf hat Witze und Geschichten gesammelt und sie nicht weiter kommentiert, da ist noch nicht mal eine eigene Wertung erkennbar. Immerhin ging sie vermutlich mit einigen Witzen ein Risiko ein, denn die Witze über Goebels und Göring waren ja nicht ungefährlich.

Zu einem spannenden Dokument wird das EBook durch das Wissen, dass diese Witze in einem Schreibheft gesammelt wurden, dass sie zusammen gehören. Ansonsten werden die Flüsterwitze hier und da sicherlich schon gesammelt existieren, aber hier kommt ungefiltert der Humor dieser Zeit.

Schaut man sich übrigens das Personal der Witze an, so liest man von Göring und Goebbels, auch ein paar andere Nazis kommen prominent vor, fast vergessen wirkt daneben der „Führer“ selbst. Hitler hatte offenbar einen zu großen Nimbus, dass man über ihn viel gewitzelt hätte. In den Witzen, in denen er vorkommt, kommt er auf jeden Fall besser weg, als Göring – über den viel gewitzelt wird – oder andere seiner Granden.

Alles in allem ein interessantes zeitgeschichtliches Dokument, das man übrigens hier finden und käuflich erwerben kann: https://www.amazon.de/dp/B00B4XM4PG