Archiv für den Monat August 2013
Reading King: Die Arena / Under the Dome
Ich habe mir so ein bisschen vorgenommen, mal wieder mehr über Kultur zu bloggen und über Bücher, die ich lese und so. Also heißt das Großprojekt „Reading King“ Unter anderem, weil ich in letzter Zeit wieder mal viel von Stephen King gelesen habe, damit kann ich also einen Grundstock schaffen. Und ich fange quasi am Ende an, weil ich gerade „Die Arena“ gelesen habe – übrigens völlig unbeeinflusst davon, dass es da eine Fernsehserie gibt, die ich auch noch nicht gesehen habe. Es gehörte einfach noch zu den wenigen King-Büchern, die ich nicht kannte.
„Under the Dome“ – ich vermeide die fast durchgängig schlechteren deutschen Namen bei King-Büchern immer sehr gern (mehr dazu hier), ist ein Epos, kommt in seiner Länge an „Es“ oder „The Stand“ annähernd heran, ist aber in seiner Grundidee so pur und einfach, wie King/Bachman-Klassiker wie „Der Todesmarsch“ oder „Amok“, Bücher, die nur einen Bruchteil so lang sind. Es gibt eine Grundidee, eine Situation, in die alle gebracht werden, und dann lassen wir es eskalieren. Die Grundsituation ist hier eine Kraftfeldkuppel, die genau über die Kleinstadt Chester’s Mill in Maine – wo auch sonst – gestülpt wird – exakt dem Verlauf der Grenzen nach, die die Kleinstadt nun mal hat. Dieses Kraftfeld ist einige Kilometer hoch, unsichtbar und, bis auf sehr eingeschränkt für Luft und Wasser, völlig undurchdringlich. Das ist keine wirklich originelle Idee, ein Versatzstück aus der Science Fiction, und letztlich ist auch der relativ kleine Strang über die Verursacher der Kuppel die einzige Schwäche eine über große Teile sehr starken Buches.
Das Hauptthema des Buches ist King pur: Wie in seinen mit stärksten Büchern „Salem’s Lot“¹ oder „Needful Things“² wird der Mikrokosmos einer kleinen Stadt aufgebaut und dann genüsslich demontiert. Allerdings hätte King dafür nicht unbedingt ein neues Buch schreiben müssen, so könnte man einwenden, denn diese Geschichte kennen wir ja eigentlich schon. Aber das stimmt nicht ganz, und der Grund dafür ist Big Jim Rennie, der zweite Stadtverordnete, fanatische Christ, Gebrauchtwarenhändler und Mitbesitzer eines großen Methlabors. Der sieht in der Kuppel seine Chance in der Stadt einen kleinen Gottestaat mit ihm selbst als Diktator einzurichten.
Rennie ist ein veritabler Faschist, und wie er Meinungsfreiheit zerstört, wie er Angst schürt, wie er die Klaviatur der Diktatur bespielt, ist das eigentliche Thema des Buches. Seine Bigotterie – und die seiner Anhänger – ist da nur logische Konsequenz. Sein Machtstreben, seine verbrecherischen Geschäfte, seine Bereitschaft, auch über Leichen zu gehen, ist einfach die Konsequenz, die zusammen kommt, wenn Konservativismus, religiöser Wahn und Kapitalismus zusammen kommen.
Sein Gegenspieler ist Dale Barbara, genannt „Barbie“ – der in den letzten Monaten hier als Grillkoch gearbeitet hat, davor aber Captain Barbara war, ein hochdekorierter, aber schwer enttäuschter Veteran. Und so ist das Militär – bei King völlig unerwartet – hier das positive, auch wenn King nie in eine Patriotismusfalle läuft und Barbie die Vereinnahmung, die das Militär von außen an ihn heranträgt, verabscheut. Ganz nebenbei sind alle Versuche, die das Militär unternimmt, die Kuppel zu zerstören, völlig für die Katz, und man weiß es als Leser immer schon vorher.
Und dann gibt es wieder mal diese vielen kleinen Details, die nur King so kann. Ein paar Jugendliche, die fast zu der Clique aus „Es“ gehören könnten – in fact, Benny Drake ist doch fast Richie Tozier, oder? Das alkoholkranke Wrack, dass doch irgendwie wieder hilfreich wird. Die Leute, die positiv über sich hinauswachsen. Aber auf der anderen Seite gibt es hier auch eine Menge kleinerer und größerer menschlicher Monster, der Kleinstadtgangster, die ihre große Chance erkennen.
Für jemanden, der fast alles von King gelesen hat, gibt es in „Under the Dome“ nicht wirklich viele Überraschungen, aber eines ist doch spürbar: King war selten vorher so aktuell und so eindeutig politisch. Wie er Bigotterie und Konservativismus entlarvt, ist großartig geschrieben und hat eine unterschwellige Aggressivität, die man nicht unbedingt erwartet. Und wie dann der Versuch einer Machtübernahme und Gleichschaltung abläuft, ist hochpolitische Literatur.
Bei einem Epos wie „Under the Dome“ gibt es auch ein paar Längen, ein paar kleine Schwächen und das Ende ist nicht der wirkliche Knüller – auch wenn King schon viel schlimmer geendet hat. Die Sache mit dem Ende ist halt nicht so seine. Aber insgesamt eine starke Nummer und sehr lesenswert.
Für die King-Fans: Chester’s Mill ist die Schwesterstadt von Tarker’s Mill – ihr erinnert euch, die Sache mit dem Werwolf. Die andere Nachbarstadt ist Harlow, und dahinter liegt, wie wir natürlich alle wissen, Castle Rock. Und auch Derry ist um die Ecke. Shawshanks wird mehrfach erwähnt. Also King-Maine pur.
¹“Brennen muss Salem“
²“In einer kleinen Stadt“