Archiv für den Monat Dezember 2013
Mandela, die Scheinheiligkeit und was wir mitnehmen können
Es wird im Moment nachgerufen, was das Zeug hält. Mandela war ein großer, darüber sind sich alle einig. Mir ist da ein bisschen zu viel Einigkeit. Nein, ich werde das nicht bezweifeln, ich habe Mandela bewundert, und ich erinnere mich auch noch gut daran, dass „Free Mandela“ ein Slogan war, der immerhin verbreitet war, auch bei uns verbreitet war.
Aber erschreckend finde ich, wie unsere konservativen Politiker sich überschlagen, sich vor dem „Gigant der Geschichte“ zu verbeugen. Die gleichen Konservativen, die vor 25 Jahren von einem schwarzen Terroristen gesprochen hätten. Die Konservativen, die von Franz Josef Strauß gelernt haben. Einem Freund der Apartheid, einem Bruder in Rassismo. Sie wollen Mandela für sich vereinnahmen. Heute wollen sie einen für sich vereinnahmen, den sie als Kommunisten beschimpft haben, einen, dessen ANC viel Hilfe aus dem Kommunismus bekam, der mit Castro und Arafat sprach. Liebe Camerons, Gauckler und Merkels, ihr habt kein Recht auf Mandela, ihr habt noch nicht mal das Recht, euch vor ihm zu verneigen. Weil ihr lügt!
Mandela hat zusammen mit vielen anderen im ANC und nicht zuletzt mit einigen irgendwann dann doch einsichtigen weißen Regierungspolitikern die Welt verändert. Und er hat es letztlich dann relativ friedlich geschafft, auch wenn er kein Ghandi war. Nein, Südafrika ist immer noch kein friedliches und gerechtes Land, aber das Schlimmste, die mörderische Despotie der Weißen ist Geschichte. Und das hat seine Gründe. Das kommt daher, dass Mandela und viele andere etwas riskiert haben. Sie haben klare Forderungen gestellt und sind nicht windelweich davon abgewichen, wenn es brenzlig wurde. Sie haben sich auch nicht korrumpieren lassen, sich nicht von den weißen Rassisten benutzen lassen. Das ist bewunderungswürdig, denn anderes wäre menschlich gewesen. Und das ist für mich auch ein wichtiger Punkt. Wenn wir die Welt besser machen wollen, und es gibt nun wirklich genug, was besser werden muss, dann müssen wir da konsequent ran, dann müssen wir auch mal was riskieren und dürfen uns nicht vereinnahmen lassen.
Reading King: Doctor Sleep/Doctor Sleep
Ups, da bin ich doch glatt mal aktuell. „Doctor Sleep“ ist der aktuelle King, und eine Reise zurück, eine Reise durch die Zeit und eine lange Reise. Schaute schon in „Joyland“ der Tod selbst gar nicht so selten um die Ecke, in diesem Buch wird er das Hauptthema.
Einer Reise in die Vergangenheit? Ja, wir sind zurück bei Danny Torrance, dem kleinen Jungen aus The Shining, wir schauen in die Zeit nach dem Overlook Hotel, wir sehen ihn dann wieder, als er seinem Vater in die Alkoholsucht folgt. Wir sehen seinen Tiefpunkt, als er einer alleinerziehenden Mutter das letzte Geld klaut und einem Obdachlosen die Decke klaut. Wir schauen zu, wie er in Frazier ein neues Zuhause findet, gar nicht weit von Castle Rock entfernt, aber ausnahmsweise nicht in Maine.
Er macht die harte Geschichte mit, geht zu den Anonymen Alkoholikern, arbeitet in einem Hospiz und sein Shining, das er immer versucht hat, stumm zu trinken, kommt wieder. Er kann damit Sterbenden sogar helfen. Gleichzeitig lernen wir die kleine Abra Stone kennen, ein Mädchen, das noch mehr Shining hat, als sogar Dan es als Kind hatte. Sie ist für einiges an Poltergeistphänomen zuständig, und früh nimmt es Kontakt zu Tony auf, dem imaginären Freund aus Dans Kindheit. Eines Tages wird Dan ihr Lehrer sein, so wie es Dick Hallorann für ihn war.
Und der dritte Mitspieler, in diesem Fall der Antagonist, denn ohne geht es nun mal nicht, ist Rose, die Anführerin des Wahren Knotens, einer Gemeinschaft von vampirischen Wesen, die man einst aus Menschen mit Shining umwandelte. Sie ernähren sich von Steam, der natürlichen Kraft des Shinings, am liebsten hart durch Schmerz gereinigt. Manchmal, wen sie starke Vorahnungen haben, ernähren sie sich auch von Unglücken und der erquicklichen Atmosphäre einer mörderischen Gegend, aber zu Tode gequälte Kinder mit Shining sind der Knüller, die Delikatesse für sie.
Eines Tages, Abra ist zehn, wird sie telepathisch Zeuge von einem dieser Morde, und nun gibt es eine Verknüpfung, die eines Tages zu einer spektakulären Endabrechnung ausgerechnet in den Bergen Colorados stattfinden muss, dort, wo einst das Overlook explodierte.
Hm, ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, erst über „The Shining“ zu schreiben, dass ich vor weniger als einem Jahr gelesen habe, was also noch recht frisch ist. Dann habe ich aber jede freie Minute in Doctor Sleep gesteckt, weil es nun mal so verdammt spannend ist, und bin noch nicht dazu gekommen.
Jetzt würde ich gerne von Doctor Sleep genauso schwärmen, wie ich das bei Joyland getan habe, Meisterwerk und so, ihr kennt das. Aber es tut mir leid. So spannend Doctor Sleep ist, so sympathisch Abra und so vieles in diesem Buch wirklich gelungen ist, so richtig von innen hat es mich nicht gepackt. Vielleicht, weil die Beschäftigung mit dem Tod durch Doctor Sleep, also Dan Torrance ein bisschen arg optimistisch scheint, vielleicht, weil das „Kreisen“ der Mitglieder des Wahren Knotens so arg schräg wirkt. Weil die Geister aus Shining nicht so richtig mit den Wahren harmonieren – wir haben hier quasi zwei leicht verschiedene parapsychologische Erklärungswesen nebeneinander, eben die von Shining und die des neuen Buches. Das passt einfach nicht ganz zusammen.
Und es geht auch alles ein bisschen zu glatt und einfach – und eine Wendung relativ spät im Buch, knackt ein bisschen, kein Deus-ex-Machina, aber zumindest sein Schatten. Das Ende ein bisschen zu harmonisch, ein bisschen zu zerfasert.
Jetzt habe ich so viel gemeckert, das ist alles Folge des Schlusses, der mich halt auch ein bisschen geärgert hat. Aber es gibt eine Sache in diesem Buch, die äußerst gelungen ist, und das sollte ich hier dann auch nicht verschwiegen. Die Mitglieder des Wahren Knotens, diese Halbvampire sind sehr sozial untereinander, freundlich und mitfühlend. Eine große harmonische Familie, die nur halt dann und wann ein Kind schlachtet. Eine so menschliche Form von Ungeheuern schaffen nicht viele Schriftsteller des Genres – hier zeigt King, dass er das Handwerk des Horrors nicht verlernt hat, auch wenn dieser Teil seines Werks gefühlt schon ein paar Jahre zurück liegt. In diesem Buch geht es ein Stück weit zurück in die Zeiten von Christine, Feuerkind und natürlich Shining – und diese Bösewichte sind noch mal ein Stück seltsamer und in ihrer Einstellung widerlicher. Aber, wie sagt Rose The Hat so schön: „Was tun wir anderes, als ihr, wenn ihre Tiere schlachtet?“
Lesenswert? Ja klar, es gibt kaum einen King, der nicht wenigstens lesenswert ist. Aber ich gebe zu, meine Erwartungen steigen nach einem Buch wie Joyland natürlich noch, wenn das möglich ist, und Doctor Sleep ist eben nur ein gutes Buch, kein Meisterwerk.