Archiv für den Monat März 2014
Ein paar Gedanken über Femen
Als Femen zum ersten Mal irgendwo auftauchten, da ging es um Menschenrechte in der Ukraine, inzwischen gibt Femenproteste zu verschiedensten Themen, und inhaltlich ist das auch gar nicht so genau zu fassen. Meistens geht es irgendwie um Feminismus – aber von einigen Aktionen wenden sich gerade Feministinnen auch ab, vor allem auch, weil sie die Protestform irgendwie problematisch finden. Zu den Inhalten der Proteste möchte ich gar nichts sagen, dafür ist mir das Feld auch zu diffus.
Die Aktionen sind allerdings immer recht ähnlich, und weil ich von Theater ein bisschen was verstehe, möchte ich mir diese Seite ein wenig anschauen. Also was macht die Aktionen aus, wie ist die Wirkung.
So weit ich das bisher gesehen habe, gibt es wiederkehrende Motive. Femen treten immer in einer kleinen Gruppe auf, sind oberhalb der Hose nackt und tragen Aufschriften auf den Oberkörpern. Dazu gehört ein meist sehr schneller Auftritt und eine gewisse Lautstärke. Bei keinem Video von Femenaktionen habe ich irgendwelche Slogans verstanden, ich habe noch nicht mal erkannt, in welcher Sprache sie geschrien wurden. Gefühlt gehört dann auch noch dazu, dass Sicherheitspersonal in der Nähe ist, das einschreitet, um den Protest zu beenden. Gegen dieses Personal wird sich kräftig gewehrt, und letzteres ist elementar, denn die Bilder, die dabei herauskommen, sind natürlich spektakulär. Wenn Polizisten oder Security-Menschen die meist kleineren und schmaleren Femen abführen und dabei auch noch fest zupacken müssen, dann ist das optisch eine gute Geschichte. Die Bilder zeigen dann automatisch Unterdrückung.
Der letzte Teil ist der am einfachsten verständliche, aber wie funktioniert der Rest? Das oft blitzschnelle Auftreten ist eine technische Notwendigkeit. Menschen mit ohne Kleidung sind auffällig, und so kommt man gar nicht in die Nähe von Fernseh- oder Fotokameras, wenn man so schon länger vorher auftreten würde. Von eventueller Scham der Aktivistinnen ganz zu schweigen. Aber dazu später.
Wozu ist das laute Schreien gut? Verständlicher wird das Anliegen ja dadurch meistens eher nicht. Ich glaube, es hat etwas mit der Überwindung und der Ausnahmesituation zu tun, in die sich die Aktivistinnen selbst bringen. Um mit voller Anspannung und total präsent zu sein, hilft es, auch die Stimme auf volle Kraft zu bringen. Dazu kommt natürlich, dass man Leute, die aus vollem Hals brüllen, nicht wirklich ignorieren kann. Und mal ernsthaft, die effektivste Strategie gegen Femenaktionen wäre es, sie einfach zu ignorieren. Ich rechne da auch mit, dass das mal versucht wird. „Da springen halbnackte Frauen schreiend herum und haben was auf ihre Haut geschrieben. – Jo, ist uns egal.“ – wäre fatal, oder.
Und dann kommt die Sache mit der Nacktheit. In den Theatern der westlichen Welt kann man damit schon lange nicht mehr schocken, vor etwa einer Generation war Nacktheit durchaus schon mal ein nicht allzu oft genutztes Protestmittel, allerdings dann meistens als Demonstration der individuellen Freiheit. Nun wird ausschließlich weibliche Nacktheit genutzt, um eine große Effektivität in Protest zu bekommen. Aber die Tatsache dieser Effektivität ist dennoch nur halb erwartet. Wer das Bedürfnis hat, nackte Brüste zu sehen, der kann dieses Bedürfnis unglaublich schnell mit ein paar Klicks im Internet befriedigen. Auch die Bilder von Uniformierten, die nackte Frauen schlecht behandeln, kann man außerhalb von Femenaktionen finden. Aber vielleicht muss man da eben auch sehen, dass ich jetzt persönlich als Internetmensch da andere Maßstäbe dran lege, als andere Menschen, für die Brüste exotischer sind.
Denn es funktioniert der Boulevard, wie er schon immer funktioniert hat. Die Schauwerte machen es. Blut oder Sex, darum geht es dem Boulevard. Und so werden Femenaktionen vor allem in BLÖD und Konsorten immer mit mehreren Fotos dokumentiert. Natürlich macht man sich über die Anliegen lustig, natürlich sind die weiblichen Reize wichtiger, als die Aussagen, aber man schafft Öffentlichkeit. Und eine Nackte bekommt mehr Meldungen, als fünfhundert Demonstranten. Das ist schon ein Wort.
Warum sind weibliche Brüste so spannend? Wegen der Tabuisierung. Eine Femenaktion in einem Himba-Dorf würde total im Sande verlaufen. Aber jahrtausendelange Zwänge weibliche Körper möglichst zu verstecken, prägen uns. Prinzipiell sind Brüste ungefähr so spannend wie Arme oder Knie – die auch immer nur bei Frauen tabuisiert wurden. Man könnte also davon ausgehen, dass in einer weniger irrationalen Welt Frauen genauso wie Männer kaum Entkleidungstabus hätten. Wobei, kurze Hosen und Sandalen, ihr wisst schon.
Und so richtig spannend wird es, wenn man schaut, wer bei Femenaktionen so richtig sickig wird. Zum Beispiel Maskulisten, die finden Femen total doof. Da benutzen Frauen doch einfach die Macht des Tabus, dass sie kleinhalten soll, um damit Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die dürfen sich ja gerne ausziehen, aber damit doch keine politischen Botschaften transportieren. Nicht zuletzt gibt es da ja das Problem, dass die Maskus keine ähnlich ästhetischen Brüste haben, mit denen sie kontern können. Da kann mann sich schon machtlos fühlen, und das tun Maskus ja prinzipiell immer, sind sie doch geborene Opfer der Gesellschaft.
Aber auch viele Frauen finden das doof. Das ist auch okay, denn Femen zementieren ja auch Bilder, nämlich dass nur schlanke und sportliche Frauen blankziehen dürfen. Wo sind denn die übergewichtigen Femen? Die alten Femen? Oder gar Femen, die eine Brust amputiert haben? Natürlich werden hier Klischees bedient, was aber meiner Meinung nach nicht zu einer Ablehnung der Protestform als solcher führen sollte. Man muss sich da immer fragen, warum es funktioniert und ob man da nicht tiefer ansetzen sollte.
Man kann jetzt natürlich auch hinterfragen, ob da von Frauenseite nicht auch Neid bei ist – ich meine jetzt nicht ein Neid auf die Körper der Aktivistinnen – sondern auf den Mut, den sie haben. Sie verstoßen gegen ein Tabu, sie zeigen etwas, von dem frau von klein auf lernt, dass frau es nicht zeigen darf. Schon lange bevor irgendwas wächst, werden kleine Mädchen mit Bikinioberteilen verhüllt, eine richtig schlimme Sache, übrigens. (Exkursion: schlimme Sache, weil sie dadurch innerhalb unserer verqueren Gesellschaft sexualisiert werden. Es wird etwas verhüllt, dass noch nicht da ist. Letztens las ich, dass sich Pädophile davon mehr angezogen werden. Aber es ist auch sonst Blödsinn. Da wird halt mehr reininterpretiert, als nötig ist. Ist imho ein Unterwerfungsmechanismus) – Also zeigt frau ihre sekundären Geschlechtsmerkmale nicht, und wenn die Femen das doch tun, dann kann frau sich schon angegriffen fühlen.
Die Aktivistinnen müssen viel Überwinden, und wenn man davon hört, dass sie gedrillt werden, dann verwundert das nicht so sehr – auch wenn der Teil schon schräg ist. Hier muss man auch wirklich mit Kritik ansetzen. Wenn es wahr ist, dass Femenaktivistinnen quasi autokratisch geführt werden, wenn Frauen da militärisch gedrillt werden, dann ist das kritisch zu sehen. Auch manche Inhalte, die man hier und da auf Brüsten gesehen hat, fand ich durchaus diskussionswürdig. – Die Form an sich ist aber kaum zu beanstanden. In einer Gesellschaft, in der man durch das Zeigen von nackter Haut solchermaßen Aufregung und Aufsehen generiert, ist es vollständig in Ordnung, dieses Mittel auch einzusetzen. Es liegt ja nicht an den Frauen, dass Brustwarzen tabuisiert sind. Ist an denen irgendwas falsch? Können die Aktivistinnen etwas dafür, dass sie mit solch schlichten Mitteln an ihr Ziel kommen?