Archiv für den Monat Dezember 2014

#NieWieDa

Der von mir zum Titel dieses Posts gemachte Hashtag ist nicht von mir, ich wünschte aber, er wäre es. #NieWieDa ist nicht nur eine schöne Verballhornung der ganzen rechten Abkürzungsdemos, die dieser Tage durch die Gegend fackelmarschieren, es ist auch eine wichtige Aussage. Denn nie, niemals wieder, so hofften wir immer wieder, würden sich tausende Rassisten öffentlich zeigen. Nie wieder sollte sich das menschenfeindliche Gespenst in Deutschland materialisieren.
Aber wir wissen es seit Jahren besser, wir wussten es schon immer besser. Supremacy in allen Schattierungen, von Rassismus und Nationalismus bis Hass auf Schwule, Behinderte und Andersdenkende, ist ein Phänomen, dass wir täglich erleben, dass aus der Mitte der Gesellschaft kommt, und vor dem wir immer wieder warnen.
Wir, das bedeutet, wir Linke, ohne dass ich damit auf eine Partei verweise. Die Linke als Partei kennt im antiimperialistischen Teil deutliche antisemitische Tendenzen, frei davon sind die also auch nicht. Wie jede Partei da ihre Probleme hat. In der orangenen Partei, in der ich Mitglied bin, äußert sich das des Öfteren in offenem Sexismus. Und natürlich in der Antifa-Debatte.
Seit gut einem Jahr ist diese Debatte eskaliert. Viele gute Leute sind gegangen, weil es in der Partei en vogue wurde, gegen „Linksfaschisten“, „Gutmenschen“ und „Antifanten“ zu ranten – alles Worte die woher kommen? Ja, richtig, alles Worte, die wie „Political Correctness“ in rechtskonservativen Kreisen und von Nazis geprägt wurden. Und ich wiederhol mich ja nur ungern, aber Sprache hat Macht, und diese mit Hass aufgeladenen Begriffe bleiben in ihrer Menschenverachtung wirkmächtig, auch wenn Menschen sie aussprechen, die sich selbst für irgendwie links halten. Eine Atmosphäre wurde aufgebaut, die sich gegen alles Linke richtete, während man gleichzeitig ein hart linkes Programm vertrat – das gibt es ja noch – was ein seltsames Bild von der geistigen Gesamtlage dieser Partei zeichnet.
Monatelang haben wir uns anhören dürfen, dass der Kampf gegen Rechts nun mal nicht der Hauptpunkt der Piraten sei, es gehe da viel eher gegen Überwachung. Für Alle, die das noch immer nicht geblickt haben, Überwachung ist ein Zeichen von Diktatur und Polizeistaat, Kampf gegen Überwachung ist auch Kampf gegen Faschismus, aber der ist ja nicht so wichtig, richtig?
Und dann stehen plötzlich alle fassungslos vor HoGeSa und den ganzen anderen Abkürzungsnazis. Rechte Aufmärsche in Brigadestärke sind halt sooo unerwartet, richtig? Und die Antifa spinnt, wenn sie von rechter Gefahr spricht, oder? Es ist ermüdend.
Die Mitte unserer Gesellschaft ist rassistisch und sie zeigt es momentan sehr offen. Also müssen wir das auch so aussprechen. Und ja, ich kenn das ganze Mimimi, nur weil sie rassistische Sprüche aufsagen, muss ich sie da gleich Rassisten nennen? Nur weil sie Rassisten sind, muss ich sie gleich Nazis nennen? Das geht mir alles so auf den Sack. Wenn man nicht sagt, dass sie sind, was sie sind, haben sie auch keine Chance das zu merken. Wenn man nicht sagt, was sie sind, dann haben Menschen weniger Hemmung, sich ihnen anzuschließen.
Ich denke in den letzten Tagen immer mal wieder an das ELDE-Haus in Köln, die Gestapo-Zentrale im Tausendjährigen. Ein Haus ziemlich in der Mitte der Stadt, fünf Minuten vom Dom. In winzigen Kellerräumen drängten sich dort Gefangene so, dass sie weder sitzen noch liegen sondern nur stehen konnten, wochenlang. Die hygienischen Zustände waren barbarisch. Das Schreien und der Gestank, der aus diesen Kellerlöchern heraufdrang, kann nicht unbemerkt geblieben sein. Ganz Köln muss gewusst haben, was da vor sich ging, und vermutlich hat auch ganz Köln davon gewusst, dass im Hinterhof dieses Hauses nicht selten Schüsse zu hören waren, denn dort wurden auch Menschen „hingerichtet“, ermordet. Tausende Kölner haben das hingenommen. Hatten Angst, haben es toleriert, haben es unterstützt. Dieses Bild geht mir nicht aus dem Kopf. Dieser Fakt geht mir nicht aus dem Kopf.
Man kann aus der Geschichte lernen. Zum Beispiel können wir was tun, wenn dieser Geist wieder sein Unwesen treibt. Wir können hinschauen. Und das sollten wir. Meine Besuche im ELDE-Haus und meine Beschäftigung mit den Edelweißpiraten (http:// https://hollarius.wordpress.com/2008/03/16/10/hier ein sehr alter Blogpost zu dem Thema) haben mich geprägt, haben mich zu einem sehr bewussten Antifaschisten gemacht.
Dass wir vor knapp einem Jahr als Piraten unter einer Flagge der Antifaschistischen Aktionzusammensaßen, hat mich gefreut, denn Antifaschismus halte ich ganz prinzipiell für demokratische Gemeinschaften für selbstverständlich. Den darauffolgenden Streit darüber habe ich hauptsächlich als grotesk empfunden, irgendwann hat er mich betroffen gemacht. Mit Vehemenz gegen die Antifa kämpft eigentlich nur eine Seite und ich habe nie verstanden, wieso sich Piraten in deren Dienst stellten.
Im Angesicht von HoGeSa, PeGiDa und den Querfront- und Kryptofaschisten-Demos wünsche ich mir, dass alle demokratischen Kräfte unter dieser Flagge der antifaschistischen Aktion zusammen kommen. Weil Antifaschismus wichtig ist. Und weil man endlich verstanden haben sollte, dass die gleichen Kräfte, die die oben genannten Begriffe geprägt haben, die das Label Antifa bekämpft und durch den Dreck gezogen haben, nun diese Demos veranstaltet, und macht euch bitte klar, diese Demos sind nur der Anfang.