Archiv für den Monat Dezember 2016
World of Tanks für totale Anfänger
In den letzten Wochen macht Wargaming eine Menge Werbung für World of Tanks und in leicht geringerem Maße auch für World of Warships. Mit letzterem habe ich mal irgendwann angefangen, machte auch Spaß, aber richtig hängengeblieben bin ich bei den Panzern. Wer das auch mal ausprobieren möchte, für den habe ich mal alles ganz wichtige zusammengestellt. (Disclaimer: Es geht hier wirklich um Infos für Anfänger, seid ihr schon über Tier 4 hinaus, dann wisst ihr das alles schon.)
Worum geht es eigentlich?
Ihr setzt euch virtuell in einen Panzer, das Spiel wirft euch auf eine Karte, ein Spielfeld, auf dem ihr gegen andere Panzer kämpft. Mit WASD fahrt ihr das Kettenungeheuer, die Maus steuert die Kamera und das Fadenkreuz. Mit Linksklick feuert ihr die Kanone ab, mit dem Rechtsklick zentriert ihr die Kanone auf einen Gegner.
Mit den Zahltasten könnt ihr zwischen verschiedenen Munitionstypen wechseln oder besondere Verbrauchsmaterialien wie Feuerlöscher oder Reperaturset bedienen. Die linke Shifttaste schaltet in einen Snipermodus, das Mausrad lässt euch herein- und herauszoomen, die Leertaste ist die Bremse, R und F sind dauerhafter Vor- oder Rückwärtsgang, Tab zeigt euch die Liste der Fahrzeuge. Und das ist das ganze Spiel. Also das, was man mechanisch beherrschen muss. Relativ einfach zu lernen und schwer zu meistern – und damit ja erstmal ein Spiel, das sich anzufangen lohnt.
Seid ihr auf den Schlachtfeldern, so ist eure Aufgabe, entweder die gegnerische Basis einzunehmen oder schlicht alle Gegner auszuschalten. Später kommen Modi ins Spiel, bei denen beide Parteien eine Basis erobern wollen, oder eine Seite eine Basis über gewisse Zeit verteidigen muss. Mindestens drei Viertel aller Spiele werden dadurch entschieden, dass eine Seite vollständig ausgeschaltet wird.
Das bedeutet natürlich auch, dass es keinen Respawn gibt, man sich also nach Zerstörung des eigenen Gefährtes den Rest des Gefechtes anschauen kann, oder den Weg zurück in die Garage nehmen kann. Der zerstörte Panzer bleibt allerdings bis zum endgültigen Ende des Gefechtes als Wrack auf dem Spielfeld und kann so lange auch nicht für ein neues Spiel gewählt werden.
Ach, und bevor ich es vergesse: Es gibt friendly fire. Schießt ihr eurem Nebenpanzer in die Seite, so bekommt der den gleichen Schaden, den ein Gegner bekommen würde. Macht ihr das zu oft – denn aus Versehen passiert das wirklich jedem -, dann werdet ihr als Teamkiller markiert und könnt von vom eigenen Team genüsslich und unbestraft zerpflückt werden.
Ein Blick in die Garage:
Wer neu startet, der findet eine gar nicht so geringe Zahl an Panzern schon vor. Neun Nationen und ihre Tier 1 Panzer stehen in der Garage herum und warten darauf, dass ihr mit ihnen die Schlachtfelder unsicher macht. Die Tiers sind Technologiestufen der Panzer, die mit Erfahrung und Credits freigespielt werden müssen. Es gibt zehn solcher Tiers, und ihr müsst für Tier 10-Panzer einige tausend Gefechte gefahren sein. Die Erforschungsreihen bleiben dabei in ihren Nationen, verzweigen sich dabei manchmal recht originell und sind voll von Panzern, die zum allergrößten Teil historische Vorbilder haben, wenn auch von vielen Panzern nur mal irgendwann Prototypen gebaut wurden. Manche Abweichungen von historischen Vorbildern liegen dabei meistens an spielmechanischen Gründen.
Manche der Nationen haben übersichtliche Technologiebäume. Die Tschechen haben nur eine Linie von meistens mittleren Panzern, Japaner, Chinesen und die gerade frisch dazugekommenen Schweden haben zwei bis drei Technologieäste, mit den Franzosen und Briten kommen dann die großen Nationen ins Spiel, die über fünf T10-Panzer verfügen, die Amerikaner haben sieben, die Deutschen bald acht und die Russen jetzt schon acht. Wenn die leichten Panzer auch bis Tier 10 ausgebaut werden – was für 2017 vorgesehen ist, bekommen alle großen Nationen, außer GB, und China jeweils noch einen Panzer der 10. Stufe dazu. Kurz: Es gibt eine riesige Auswahl an Ästen, aus denen ihr euch heraussuchen könnt, welche Panzer euch am besten gefallen.
Dabei sind jetzt schon Begriffe wie mittlere und leichte Panzer gefallen, es gibt da also scheinbar große Unterschiede. Schauen wir doch mal:
Leichte Panzer / Lights
Die Lights, manchmal auch irrigerweise Scouts genannt, sind oft die schnellsten und, wie der Name schon sagt, leichtesten Panzer. Am Anfang sind fast alle Panzer leichte Panzer, aber ab Tier vier bis fünf, dann, wenn das richtige Spiel beginnt, werden die Lights zu diesen speziellen Panzern, mit denen ihr scoutet, also für andere Panzer mit weniger Sichtweite die gegnerischen Panzer aufdeckt, mit denen ihr selbst flankiert oder aus dem Hinterhalt schießt, oder mit denen ihr die gegnerischen Panzer umfahrt, um hinter den gegnerischen Linien für Verwirrung zu sorgen. Das Lightfahren gilt für viele als Königsdisziplin für WoT, denn ihr fahrt quasi ohne Panzerung und vielen Strukturpunkten immer relativ weit vorne herum, müsst euch ganz auf Geschwindigkeit und Tarnung verlassen, und darauf, dass ihr früher seht, als ihr gesehen werdet.
Mittlere Panzer / Meds
Die Meds haben drei hauptsächliche Spielstile. Es gibt recht schnelle Mediums, die sich fast wie Lights spielen, die über keine nennenswerte Panzerung verfügen und oft dabei sind, wenn gegnerische Panzer im Rudel zusammengeschossen werden. Dann langsamere Unterstützungsmediums, die als Absicherung anderen Mediums oder auch den schweren Panzern hinterherfahren, und mit ihren oft sehr präzisen Kanonen über längere Entfernungen für Schaden sorgen. Und als letztes die Kampfpanzer, die mit ordentlicher Panzerung eher wie flotte Heavys gefahren werden, und die sich oft mitten ins Getümmel werfen.
Schwere Panzer / Heavys
Hier findet man die größten und schwersten Panzer, und auch die größten und schwersten Frontplatten, die es Gegnern schwer machen, überhaupt für Schaden zu sorgen. Aber langsam und schwer und mit unverschämt großen Kanonen, das ist nur die eine Seite der Heavys, die andere sind deutlich geschwindere Panzer, teilweise nur mit gut gepanzertem Turm, die sich im Gelände zu Hause fühlen, während die superschweren Panzer eigentlich nur auf Stadtkarten wirklich Spaß machen. Einige Heavys spielen sich auch eher wie größere Unterstützungsmediums, weil sie nicht viel Panzerung mitbringen, und eher in der zweiten als der ersten Reihe zu spielen sind.
Jagdpanzer /TDs
Der klassische Jagdpanzer ist eine große Kanone, die nur nach vorne ausgerichtet ist und keinen Turm besitzt. Mit dem TD sitzt ihr dann irgendwo in einem Gebüsch und hofft, dass die Gegner so freundlich sind, euch vor die überdimensionierte Flinte zu laufen. Aber ganz so einfach ist das nicht. Es gibt schwer gepanzerte TDs, die wie Heavys eingesetzt werden, es gibt supermobile TDs, die sogar eher Lights als Mediums ähneln, TDs gefühlt aus Papier, die nur irgendwo ganz im Hintergrund lauern können. Es gibt hier einige der größten, wie der kleinsten Panzer des Spiels. Und so unterschiedlich ist dann eben auch das Spiel.
Selbstfahrlafette / Arty
Alles Gute kommt von oben? Wie man es nimmt. Denn in WoT ist es nicht die Kavallerie, die kommt und das Spiel verändert, sondern die Artillerie. Artys sind Panzer, die in hohem Bogen oftmals über die gesamt Karte feuern. Dafür haben sie meistens keine Panzerung und sind langsam, und sie schießen nur sehr selten, weil sie gefühlt minutenlang nachladen. Aber sie haben auch die allergrößten Kaliber im Spiel, wenn sie treffen, ist das oft für ihre Gegner spielbeendend – und weil wir im Internet sind, wo es ja normal ist, anderen Krebs an den Hals zu wünschen, sind es natürlich die Artyspieler, die meistgehasst sind. Und meistbepöbelt, und gern auch mal an Wargaming gemeldet werden, weil sie manchmal treffen. Jo, aber das kennt man ja. Artys gehören zum Spiel dazu.
Community
Wo wir gerade dabei sind. Ja, die Community ist nicht unproblematisch. Einerseits gibt es das gleiche Problem, wie mit LoL, Heroes of the Storm und vielen anderen MMOs – es ist recht toxisch. Andererseits kommt bei historisch korrekten Panzern noch ein recht widerliches Problem dazu. Natürlich ist WoT anziehend für Militaristen und Nazis. Spieler und Clans tragen manchmal wenig subtile Namen, und gar nicht so selten schimpfen Spieler über die „ganzen Juden“, wahlweise im eigenen oder im Gegnerteam. WoT hat eine Funktion zum Melden solcher Spieler, allerdings ohne die Möglichkeit, genau zu beschreiben, warum man es für sinnvoll hält, diesen Spieler aus dem Spiel zu entfernen. Notfalls – also in schweren Fällen – kann man auch mal ein Ticket schreiben.
Matchmaking
Einer der Gründe, warum man öfter mit toxischen Spielern zu tun hat, ist das Matchmaking, dass sich nur, und wirklich nur an der Tier-Stufe eures Panzers und nicht an eurer Spielstärke orientiert. Es gibt also keine Elo, die dafür sorgt, dass Noobs unter sich spielen und die Könner nur auf Könner schießen. Deswegen werden schlechte Spieler oft als Noobs, Bots oder sonstwie beleidigt – ja, man könnte denen auch sagen, was sie machen sollen, aber das wäre wohl viel zu einfach. Natürlich wird das Spiel auf höheren Tiers besser, weil niemand ohne jede Erfahrung mit einem T8-Panzer unterwegs ist. Es sei denn, es ist ein Premium. Und damit wären wir bei einem neuen Stichwort:
Das Bezahlsystem
World of Tanks ist Free2Play. Also prinzipiell. Wenn ihr extrem viel Zeit habt, könnt ihr alles, ja wirklich alles in WoT ohne Einsatz von Geld erreichen. Man kann allerdings auch sehr gut sehr viel Geld in dieses Spiel investieren.
Es gibt drei Arten von Währung in diesem Spiel, Erfahrungssternchen und Credits erfahrt ihr euch, Gold gibt es nur gegen Echtgeld. Es gibt Dinge, die es nur gegen Gold gibt. Zum Beispiel neue Garagenplätze – und die braucht ihr, wenn ihr mehr als einen Panzer pro Nation fahren wollt. Und wenn ihr gewisse Module in euer Fahrzeug einbaut, dann könnt ihr die meistens nur mit Gold wieder ausbauen und wiederverwenden.
Natürlich könnt ihr mit Gold auch Credits kaufen und Erfahrung, die ihr auf Panzern erfahren habt, auf denen ihr nichts mehr erforschen könnt, könnt ihr per Gold in freie Erfahrung umwandeln und auf anderen Panzern nutzen. Ach ja, Module und Verbrauchsdinge wie besonders gute Munition und automatische Feuerlöscher kann man für viele Credits kaufen – oder natürlich für Gold.
Neben Gold könnt ihr euer Geld auch noch in zwei weitere Dinge investieren, die das Spiel einfacher machen. Das eine ist das Premiumkonto. Mit dem bekommt ihr immer fünfzig Prozent Erfahrung und Credits extra, bei jedem Gefecht. Das andere sind Premiumfahrzeuge. Bringt ihr genug Kohle mit, könnt ihr, ohne auch nur ein Gefecht gefahren zu sein, gleich in Panzer bis zum Tier 8 einsteigen, und loslegen. (Das ist keine besonders gute Idee, denn auf hohem Tier ohne Erfahrung seid ihr im Wortsinne nur Kanonenfutter.) Premiumfahrzeuge brauchen keine Erfahrungspunkte und können deswegen genutzt werden, um Mannschaften besser auszubilden oder um Erfahrung zu bunkern, die dann in freie Erfahrung umgewandelt wird – das mit der Mannschaftsausbildung erklär ich auch noch, aber in einem anderen Blogpost, der hier ist schon viel zu lang. Vor allem bringen Premiumfahrzeuge aber zusätzliche Credits pro Gefecht, und von denen könnt ihr kaum genug haben.
Wargaming schenkt euch immer mal wieder Premiumfahrzeuge niedriger Stufen (zum Beispiel zu Weihnachten), ähnliche Vehikel höherer Stufen kann man sich durch Kampagnen erfahren und auch immer mal wieder durch besondere Aufträge, die meistens irgendwo zwischen schwer erfüllbar und sehr zeitintensiv liegen. Mit solchen Fahrzeugen bekommt ihr auch deren Garagenstellplatz – weshalb die kleinen T2-Geschenke eigentlich immer verkauft werden – und auch sonst könnt ihr euch vieles, was ihr für Gold und Credits kaufen könnt, in ständigen oder besonderen Aktionen erspielen.
Also kurz und gut, ja, ihr könnt umsonst spielen. Aber ich zum Beispiel spiele sehr ungern ohne Premiumkonto und bin auch ganz froh, dass ich ein paar Premiumfahrzeuge habe. Aber davon solltet ihr euch nicht abschrecken lassen. WoT lohnt mit viel Spielspaß, einer ordentlichen Komplexität, ohne völlig zur Wissenschaft zu mutieren.
Es ist ein Kulturkampf und wir können ihn verlieren
Der aktuelle Anlass für diesen Blogpost ist ein Artikel über die Ideen der AfD in Sachen Kulturpolitik. Die ist natürlich so rückwärtsgewandt, wie man es sich nur vorstellen kann, und ja, aus aufgeklärter Sicht sind sie strunzdoof und einfach lächerlich, und doch bin ich ins Grübeln gekommen.
Die AfD will in völkischer Tradition eine Form der Kultur, die das Deutsch-Sein befördert. Sie wollen am nationalen Kitsch der Romantik anschließen, sie wollen ein Theater, das gefällige Beispiele für deutsche Werte bringt, irgendwie sowas. Das ist alles hanebüchen. Natürlich. Die haben Brecht nicht verstanden. Natürlich. Die haben das absurde Theater nicht verstanden. Natürlich. – Nein, die wollen all das, was seit irgendwann im 19. Jahrhundert passiert ist, gar nicht verstehen.
Und da ist das Problem, dass die Kultur von heute so wehrlos macht. Da sind Millionen Menschen, die von der Hochkultur schon lange verlassen ist, und die dann, während Helene Fischer und Xavier Naidoo im Hintergrund laufen, davon sprechen, dass im Theater nur Nackte multikulti machen und in den Konzerthäusern vertontes Zahnweh geboten wird und in den Museen „irgendson Quatsch hängt, den ich dir auch in fünf Minuten besoffen auf die Leinwand huste!“ Und wenn dann die Theater und Museen große Plakate hängen, in denen sie sich mit Flüchtlingen solidarisch erklären, dann sind die Fronten geklärt. Dann sagen diese Menschen: „Wir gegen die!“
Wenn sich Menschen von den Eliten abgehängt und unverstanden fühlen, dann trägt, so traurig das ist, die Kulturkaste daran einen gar nicht so kleinen Anteil. Denn Kultur in Deutschland ist viel zu oft eine Sache für Besserverdienende, so bürgerlich und spießig, wie man es sich nur denken kann. Die ganze Kulturlandschaft wirkt viel zu oft wie ein ewiges Jazzkonzert, also wie musikalische Onanie, die keinem weh tut.
So, wie das Bildungssystem die Schotten dicht gemacht hat und heute nur noch Kinder von Akademikern problemlos Akademiker werden können, so hat die subventionierte Kultur vor die gleichen Schotts dicke Vorhängeschlösser gemacht. Der Prozentsatz von Menschen, die mit zweihundert Euronen und mehr subventionierte Opernkarten erwerben und keine Aktienpakete besitzen, ist verschwindend gering. Und viel anders sieht das in anderen Bereichen auch nicht aus. Gerade für die Hochkultur braucht man meistens auch einen hohen Kontostand – denn Kultur wird als Statussymbol gesehen. Und die Betuchten sehen sich dann auch gern mal eine kleine Kritik hier und da an ihrem Lebensstil an – man darf nicht vergessen, die allermeisten Künstler sind politisch schon irgendwo links – aber zu kritisch darf es nicht werden. Selbst ein Genie wie Schlingensief war in der Hochkultur nur geduldet. Und die Rezensenten der Zeitungen, die Opernpremieren beseprechen, haben sicherlich schon ein paar Textbausteine, die ausdrücken, dass das Publikum von der Musik begeistert war, aber traditionell die Regie ausbuhte. Es sind ja alles Rituale …
Ja, ich mecker ja nur, und ich habe noch nicht so recht klar gemacht, wie das mit der AfD jetzt zusammenhängt – ja, ich bin mir meiner Geschwätzigkeit bewusst. Aber man darf mein Gemecker nicht falsch verstehen. Ich bin kein Feind der Hochkultur, ich steh auf gut gemachtes modernes Theater, geh gern in die Oper oder auch mal ins Konzert. Ich kann mich sogar von moderner Kunst berühren lassen, auch wenn bildende Kunst für mich keine Herzensangelegenheit ist. Und ich bin davon überzeugt, dass man viel mehr Menschen mit dem, was man heute in der Hochkultur so macht, begeistern kann. Ja, ich bin überzeugt, dass man etwa achtzig Prozent der Menschen mit dem heutigen Theater, mit Musik mit zwölf Tönen, mit Choreographie oder moderner bildender Kunst erreichen kann – nur wenige mit allem davon, aber wir wollen ja ruhig mal klein anfangen. Ja, es gibt zwanzig Prozent Menschen ohne irgendeine Ader für Kunst. Es gibt Menschen, die jede Musik für Quatsch halten, ja, gibt es alle, aber die Reserve derer, die man erreichen könnte, ist unglaublich groß.
Was mein Problem ist: Es wird viel zu wenig versucht. Es gibt hier und da diese Leuchtturmprojekte, wo ChoreographInnen Menschen in Massen zum Tanzen bringen, es gibt TheaterpädagogInnen, die mit Hauptschülern Shakespeare spielen, es gibt Ansätze. Meistens übrigens aus der freien Szene, meistens von Menschen, die sich schrecklich selbst ausbeuten und verdammt selten von Seiten der hochsubventionierten Häuser. Solche Projekte sind auch nicht besonders interessant für Sponsoren, denn sie sind ja gern ein bisschen rau und eckig, keine professionelle Perfektion. Aber sie sind, was wir brauchen.
Wir brauchen Kultur von unten. Ernsthaftes künstlerisches Arbeiten mit Schülern und Senioren, mit Arbeitslosen und Geflüchteten, mit Menschen, die sonst nicht ins Theater, Museum oder die Oper kommen. Kein Selbsterfahrungskitsch, keine VHS-Aquarellkurse – ja, ist auch alles schön – sondern wirklich Kunst, wirklich Auseinandersetzung, wirklich Experiment – und vor allem auch wirklich für Publikum. Kein Wohlfühljazz, der keinem weh tut, sondern künstlerische Auseinandersetzung mit einem neuen Jahrtausend.
Warum? Na, ganz einfach, wer künstlerisch jemals tätig war, wer auf Bühnen gestanden, gesungen und getanzt hat, wer offen mit dem Neuen umgegangen ist, das die Kunst jeden Tag künstlerischer Arbeit für uns bereit hält, der ist für Faschismus nicht mehr wirklich leicht empfänglich. Allein wenn Menschen Harry Potter gelesen haben, wählen sie doch nicht AfD – ich mein, das sind Todesser, ist doch offensichtlich. Wie viel mehr wirkt es, wenn man selbst künstlerisch tätig ist. Das kann man nämlich kaum, wenn man keine Offenheit für Andere und Anderes hat. Und ganz nebenbei: Wer selbst hier und da auf einer Bühne gestanden hat, schaut sich auch andere Menschen auf Bühnen an, wer mit Farbe und Leinwand experimentiert hat, geht in Museen, es wäre auch eine Win-Win-Situation für alle subventionierten Häuser, wenn sie sich um ein breiteres Publikum bemühen würden.
Natürlich ist eine Kultur für die Breite nicht machbar. Dafür gibt es viel zu viele Politiker, die nicht neben Ali oder Kevin in der Oper sitzen wollen. Und es ginge nur mit Politik. Wer sonst soll entweder die subventionierten Häuser dazu zwingen, Kultur in die Breite zu bringen, oder selbst Kulturkontributoren bezahlen, die dorthin gehen, wo man noch nichts von Hochkultur gehört hat, und dort für Rabatz sorgen. Das geht nur über eine Politik, die vor der Kunst nicht zurück schreckt und das macht, was Politik und Staat immer tun sollten: Ermöglichen!
Als vor weit über achtzig Jahren die Faschisten in Deutschland die Macht übernahmen, war der Staat und die Politik schutzlos – und leider konnte auch die Kultur nicht gegenhalten. Und das, obwohl die 20er Jahre eine Kultur in Deutschland gesehen hatten, die Weltrang hatte – das letzte Mal übrigens. Aber schon damals war die Kultur in sich relativ abgeschlossen und wenig kämpferisch. Die großen Akteure der 20er retteten ihre Haut und emigrierten. (Auch ein Grund, heute Flüchtende aufzunehmen. Wir brauchen dringend neue kulturelle Impulse.) Und natürlich war es richtig, dass sie emigrierten – schließlich wurden viele umgebracht, die nicht fliehen konnten. Allerdings werden die Länder zum Flüchten langsam selten. Wir sollten lieber den Kampf aufnehmen. Mit allen Mitteln der Kunst gegen Faschismus, gegen Rassismus, gegen Supremacy an sich. Wir müssen allerdings dafür ein bisschen Bequemlichkeit aufgeben.