Archiv für den Monat Juli 2017
G20 – Wieviel ist inszeniert, welche Bilder sind gewünscht?
Seit anderthalb Tagen gibt es Bilder aus Hamburg, die um die Welt gehen. Das waren zuerst vor allem Bilder von einer enthemmten Polizei, von der übereinstimmend wirklich alle Medien sagten, dass alle Gewalt von ihr ausging. Dann gestern brennende Autos, geplünderte Supermärkte und Polizisten mit automatischen Gewehren. Die ersten Kommentatoren sprachen von Bürgerkrieg und relativierten damit alles, was in Syrien vor sich geht, und alles ist nun sauer auf die „linken Chaoten“. Es funktioniert also alles so, wie die Polizeitaktik es ganz offenbar wollte.
Die Indizien sind ja eigentlich eindeutig. Die Demo „Welcome to hell“ vom Donnerstagabend wurde mit fast keinen Auflagen genehmigt, und schon vorher sagten viele, dass es dafür nur einen Grund geben konnte, diese Demo sollte niemals losmarschieren. So kam es auch. Man konnte lesen, dass sich die Organisatoren mit der Polizei abgesprochen hatte, dass Sonnenbrillen und Mützen erlaubt seien, nur die Mundpartie nicht verhüllt werden dürfe, alles wegen des Vermummungsverbotes, das seit Mitte der 80er das Grundrecht der Versammlungsfreiheit stark relativiert. Der überwiegende Teil der Demonstranten legte nun also Schals und Tücher ab, und ohne jede Verhältnismäßigkeit zu wahren, ging die Polizei trotzdem in den Nahkampf. Das Vermummungsverbot ist nichts anderes als ein Feigenblatt, mit der von staatlicher Seite jegliche Eskalationsstrategie begründet werden kann.
Nun hat man also die friedliche Demonstration der Menschen, von denen man weiß, dass sie durchaus auch unfriedlichen Demonstrationen nicht abgeneigt sind, mit brutaler Gewalt auseinandergetrieben. Mit Wasserwerfern, mit chemischen Kampfstoffen, mit Schlagstöcken – und ich weiß nicht wie viele Videos ich gesehen habe, wo Polizisten auf wehrlose, unbewaffnete Menschen einschlagen, die ihre Hände zum Zeichen der Gewaltlosigkeit erhoben haben, es waren auf jeden Fall einige. Die Gewalt der Polizei, unprovoziert und nicht zu rechtfertigen, erzeugte Gegengewalt. Natürlich waren die, die nicht nur am Demonstrieren gehindert worden waren, sondern auch noch oftmals verletzt und mit gereizten Atemwegen geschlagen, nun wütend. Das entschuldigt nichts, was dann passierte, war aber folgerichtig und sicherlich auch von der Einsatzleitung so zumindest einkalkuliert.
Die brennenden Autos sind ein Zeichen, aber nicht für eine völlig enthemmte Demonstrantenschar, sondern dafür, dass die Polizei Bilder wollte. Die Menschen aus dem schwarzen Block, die aus ganz Europa angereist waren, um zu demonstrieren und damit gegen das System zu kämpfen, sind für eine gewisse Gewaltaffinität bekannt und obwohl man ihnen nicht erlaubt hatte, auch nur fünf Meter weit friedlich demonstrierend zu ziehen, war es offenbar für die Polizei völlig in Ordnung, sie randalieren und Autos anzünden zu lassen. Über Stunden waren da Menschen unterwegs, die Spaß daran hatten, Sachen anzuzünden und zu zerstören, und die Polizei, die mit vielen tausend Einsatzkräften in der Stadt ist, interessierte sich dafür offenbar einen Scheiß – naja, entweder das, oder das muss der hoffnungslos inkompetenteste Haufen der Polizeigeschichte sein.
Hier hat ein Hamburger Gamingyoutuber ein Video gemacht, in dem man sieht, wie der Straßenverkehr Slalom durch brennende Autos fährt. Da ist kein gefährlicher schwarzer Block in der Nähe, da würde niemand Einsatzkräfte daran hindern, die Brände schlicht zu löschen – aber nichts passiert. Das Bild ist offenbar zu gut, um es zu beseitigen. Die Gefahr für den Straßenverkehr? Aber es brennt doch gerade so schön …
Die Wirkung ist kalkulierbar und natürlich werden am Anfang nächster Woche die ewiggestrigen Politiker noch mehr Einschnitte in die Grundrechte fordern. Heute gab es schon Forderungen, autonome Zentren wie die Rote Flora zu schließen. Dort wurden übrigens gestern verletzte Demonstranten behandelt, davon gab es ja genug. Versuche, das Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsrecht weiter zu kastrieren, werden kommen, Menschen-und Bürgerrechte sind nach brennenden Autos immer in Gefahr. Diese Angriffe gegen Sachen – so doof sie sind – werden jetzt schon vielfach höher gehängt, als die tausendfachen Angriffe auf die Gesundheit friedlicher Demonstranten in den letzten beiden Tagen durch die Polizei. Und irgendwas sagt in meinem Hinterkopf immer noch, dass Sachschäden weniger schwer wiegen, als verletzte Menschen. Aber schlimmer noch, die brennenden Autos werden medial mehr ausgeschlachtet werden, als NSU-Morde und brennende Heime für Geflüchtete. Weil es schon immer so war.
Von daher ist zumindest bisher, die politische Strategie der Polizei voll aufgegangen. Ich hoffe, das heute noch bessere Bilder die Proteste gegen G20 in ein vernünftiges Licht rücken.