Archiv für den Monat Januar 2020
Jojo Rabbit – Rezension
(Disclaimer: Das ist hier keine Spoilerkritik, aber manche Dinge lassen sich nicht erklären, ohne zumindest Dinge anzudeuten, die für die Handlung wichtig sind.)
Wie schade, wenn das eigene Filmerleben sich nicht ganz mit dem Nachdenken über den Film kombinieren möchte. „Jojo Rabbit“ von Regisseur Taika Waititi ist grotesk witzig und wunderbar, aber auch sehr amerikanisch, einigermaßen geschichtsklitternd und spielt mit ein paar Klischees, die im Zusammenhang mit dem Thema das Films dann doch eben schwierig sind. Aber worum geht es eigentlich?
Johannes, genannt Jojo, Betzler ist ein kleiner deutscher Junge in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Er ist fanatischer Nazi, steht total auf Hakenkreuze und sein imaginärer Freund ist eine durchgeknallte Version des Führers selbst. Seine Mutter allerdings versteckt eine jüdische Freundin seiner verstorbenen großen Schwester Inge in einer versteckten Kammer. Was Jojo irgendwann herausfindet. Was er nicht herausfinden sollte, weil die Mutter vermutet, dass er Elsa verraten könnte.
Was, wenn man den imaginären Hitler beiseite lässt, nach einem klassischen NS-Drama klingt, ist über weite Teile eine Satire mit vielen absurden, manchmal sogar grotesken Ideen und Gags, ein Film, der wirklich Spaß macht, sich über Nazis und ihre Ideologie lustig macht, und dabei mit Jojo und Elsa zwei starke junge Charaktere in den Mittelpunkt stellt, die nicht nur von Anfang an eine starke Chemie haben, sondern wirklich eine menschliche Tragik und Wärme in den Film bringen, sodass die Handlung nie unter die Räder der Absurditäten kommt. Das fein geschriebene Drehbuch wechselt mutig zwischen leisen und sanften Tönen und durchgeknallten Gags – das hätte extrem schief gehen können, funktioniert aber geradezu unverschämt gut.
Die Seele des Films ist Elsa, gespielt von der jungen Thomasin McKenzie, die wie Waititi aus Neuseeland stammt. Ihre verhärmte Stärke, ihre Verletzlichkeit und ihre warme Ausstrahlung geben die Tiefe, die zu frühe Erfahrung von Flucht und Verstecken, von Trauer und Verzweiflung und einem unbändigen Verlangen nach Leben. Der junge Roman Griffin Davies kann als Jojo vielleicht nicht vollständig mithalten, ist aber ein gut geführter Jungdarsteller, der nie enttäuscht. Und Scarlett Johansson als Jojos Mutter Rosie ist charmant und unkonventionell und toll, ist halt Scarlet Johansson, sie ist hier immer auf sicherem Terrain.
Etwas knallchargig wirken dagegen Taika Waititi selbst als imaginierter Hitler und Rebel Wilson als Fräulein Rahm. Sie sind nur im letzten Drittel des Films etwas dunkler gezeichnet und zeigen durchaus hier und da die ganze Menschenfeindlichkeit, die Nazis nun mal zu Eigen ist. Wichtig ist noch Sam Rockwell als Hauptmann Klenzendorf, der den Volkssturm anführen soll und ein wichtiges Tier in der örtlichen Nazihierarchie ist.
Ein guter Cast mit großer Spielfreude, und er brennt ein Feuerwerk ab. Der Film ist wirklich witzig, der Film geht wirklich ans Herz und lässt das Publikum hochgestimmt zurück.
Und wenn dann das Nachdenken beginnt, ist dieser sehr gute Film dann nicht ganz ohne Probleme. Das Kino brüllt vor Lachen, wenn Hitler als Synchronschwimmer im Hallenbad unterwegs ist, und die Frage, ob man über einen der größten vorstellbaren Verbrecher der Menschheitsgeschichte lachen darf, bleibt eine, über die trefflich gestritten werden kann. Mich hat der Film sehr schnell entwaffnet und ich habe viel gelacht, aber ob das auch so für Menschen gilt, die durch Shoah und Porajmos ihre Vorfahren verloren, kann ich nicht beurteilen.
Problematischer ist aber, dass Nazis in diesem Film nur selten als nüchterne Mörder gezeigt werden, sondern eher als halb wahnsinnige oder schlicht dumme Menschen, die vor allem einer großen Verblendung hinterherlaufen. Bei dem zehnjährigen Jojo ist das verständlich – auch wenn vermutlich schon Zehnjährige fanatische Nazis einiges von der zerstörerischen Charakterformung des Nationalsozialismus abbekommen haben mussten und Jojo hauptsächlich ein niedlicher Knirps ist -, dass der ganze Nazirest eine gewisse Trotteligkeit und Dummheit mitbringt, durchaus bei gehöriger Fiesheit, ist zumindest schwierig. Wir wissen heute, dass Nazis sehr normal waren, geistig zumeist durchaus gesund und genau deshalb in der Lage das größte aller Menschheitsverbrechen zu begehen.
By the way: gegen Ende des Films verüben die amerikanischen Soldaten, die erwartungsgemäß siegen, ganz offenbar ein Kriegsverbrechen. Warum? Um die Härten des Krieges zu zeigen? Oder weil es gut ist, Nazis zu töten?
Hauptmann Klenzendorf stellt sich am Ende sogar als sehr nahe an dem Klischee des guten Nazis heraus. Was wohl hauptsächlich daran liegt, dass er eigentlich eine Figur des amerikanischen Westerns ist, ein an John Wayne erinnernder verbitterter Veteran, der aber ein heimlicher Held ist. Wobei er von vornherein eher alter Soldat ist, als echter Nazi.
Taika Waititi, selbst jüdischer Abstammung, hat sicherlich nicht vorgehabt, Nazis zu verniedlichen. Aber seine Taktik, über sie zu lachen, weil ihre Ideologie so widersinnig und dumm erscheint, geht im Kampf gegen den Faschismus eigentlich selten auf.
Ein guter Film? Auf jeden Fall. Absurd witzig, melancholisch wunderbar. Aber nicht unproblematisch und sicherlich keine gute Geschichtsstunde.
Eine ehrliche Neujahrsansprache
Liebe Menschen da draußen,
wir als deutsche Politik sehen uns jetzt, am Anfang eines neuen Jahres, je nach Rechnung auch am Anfang eines neuen Jahrzehnts, großen Herausforderungen gegenüber.
Sehen wir mit offenen Augen ins Land hinaus, so fallen natürlich die katastrophal zu Grunde gesparten öffentlichen Systeme ins Auge, egal ob Bildung, Pflege oder Gesundheit, Deutschland zehrt von seiner Substanz, wir behandeln die Beschäftigten in diesen Systemen wie Dreck, wir kriechen seit Jahren in allen Bereichen am Rande eines Kollapses entlang.
Wir müssen eingestehen, dass wir gegenüber rechter Gewalt und rechtem Terrorismus wehrlos sind. Faschisten sind in Parlamenten, Nazis bringen Menschen um, und weder Polizei noch Verfassungsschutz sind willens und in der Lage, mit der Härte einer wehrhaften Demokratie gegen unser aller Feinde vorzugehen. Im Gegenteil, immer wieder finden sich in diesen Behörden rechte Sympathisanten, rechte Täter, Aktenschredderer und -schwärzer. Aufgeklärt wird in diesem Land nichts mehr und das dürfen wir uns als Politik nicht mehr gefallen lassen.
Die Zeiten, in denen Deutschland Vorreiter war, technologisches Spitzenland, sind lange vorbei. Die Digitalisierung ist verschlafen, Internet finden Sie in quasi jedem anderen Land in Europa besser als bei uns, Expertise in Sachen Solartechnik haben wir absichtlich zerstört, der Transrapid ist verrostet. Wir können noch nicht mal mehr einen Flughafen bauen.
Aber das größte Versagen, unser größtes Versagen als deutsche Politk ist die Frage des Klimas. Wir ignorieren die katastrophale Klimaerhitzung, anstatt Verantwortung zu übernehmen, erzählen wir Märchen von der Verantwortung des Einzelnen, statt anzupacken und etwas zu bewegen, verweisen wir auf Innovationen, die schon irgendwie kommen werden. Wir vertrauen halt lieber auf einen Gott oder eine unsichtbare Hand, statt selbst Dinge zu tun, die vielleicht auch mal unpopulär sind. Und dann machen wir einfach die Augen zu und hoffen, dass wir schon tot sind, bevor uns kommende Generationen zur Rechenschaft ziehen.
Wir wissen, was wir tun müssten. Klar, aber es passt uns halt nicht in den Kram und wir brauchen schließlich auch unsere Spenden.
Ja, wir müssten einen wirklich guten Nahverkehr aufbauen. Wir müssten Güter auf die Schiene zwingen, Bahnreisen so preiswert machen, dass Auto oder Flugzeug teurer wären. Wir müssten überhaupt mal anfangen, Flugverkehr ordentlich zu besteuern.
Wir müssten Nachhaltigkeit verordnen. Warum dürfen Dinge verkauft werden, die sich nicht zu mindestens achtzig Prozent recyclen lassen? Da gibt es doch gar keinen Grund für – außer der Bequemlichkeit.
Wir müssen in Sachen erneuerbare Energien ernst machen. Her mit Windkraftanlagen, mit Solarkraftwerken und -anlagen, und richtig an der Stelle investieren, wo das am Nötigsten ist, wir brauchen Energiespeicher.
Und wir müssen Ihnen da draußen die Wahrheit sagen: Wir müssen sehr viel tun, und das wird nicht immer schön und gut und bequem sein. Wir brauchen eine Kultur der Entschleunigung, wir brauchen einen system change. Der Kapitalismus in der reinen Form, wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten eingerichtet haben, hat die Menschheit an den Rand ihrer Zerstörung gebracht. Lassen Sie uns zusammen in eine Zukunft mit mehr Gerechtigkeit, mehr Solidarität und aller Anstrengung für den Erhalt unserer lebensfreundlichen Umwelt gehen.
Wir müssen jetzt die Verantwortung annehmen, wir müssen endlich regieren, und Sie müssen uns da jeden Tag dran erinnern, sonst werden wir das nicht tun.
Nehmen wir 2020 als Herausforderung. Auf ein gutes neues Jahr!