Archiv für den Monat April 2021
Didaktik running wild
Obiges Bild habe ich mal fröhlich aus Twitter geklaut, sry an den Urheber.
Ich habe das auf Twitter ziemlich rüde kommentiert. Aber schauen wir mal kurz, was da passiert ist. Für den Laien ist das erstmal völlig unverständlich. 5*4 ist doch 20? Was ist denn jetzt daran falsch? Nun, das Lehrende hatte folgendes vor: Da sind vier Hände, sie haben jeweils fünf Finger (nein, eigentlich jeweils vier Finger und zwei Daumen, aber das Fass wollte ich gar nicht aufmachen), also rechnet man vier mal fünf Finger, und das soll dann auch so da stehen. Damit das Kind – wir sind hier in der Grundschule, so zweite Klasse? – sich einen Begriff von der Multiplikation machen kann. Darunter gibt es dann die Additionsaufgabe, die quasi die Multiplikation auseinandernimmt.
Nun sieht das Lehrende es also als falsch an, dass da 5*4 steht. Etwas, was von vielen Pädagog*innen auch vehement verteidigt wurde. Denn es sei ja wichtig, dass die Kinder die Struktur der Multiplikation verstehen würden. Und das ginge ja nur, wenn sie den Zusammenhang zwischen den vier Händen und den fünf Fingern in genau der Reihenfolge schreiben würden. Und hier möchte ich jetzt, hoffentlich unemotional – es geht ja um Mathematik, die weltgewordene Logik – widersprechen. Ich halte das „f“ hinter der Multiplikation für kontraproduktiv und mir zeigt das nur, dass das Lehrende einiges nicht verstanden hat – nicht unbedingt über Mathematik, aber auch.
Erstens sagt der Mathematiker in mir: Das „F“ ist furchtbar, weil es falsch ist. Ich kann nicht an eine richtige Rechnung dran schreiben, dass sie falsch ist. Hierzu kommt der Pädagoge, der sagt: Na ja, so richtig sinnvoll ist das ja nicht, dass man einem Kind einprägt, dass 5*4 nicht 20 ist. Aber schön, dass wir drüber geredet haben. Ein Häkchen und trotzdem die Korrektur über der Aufgabe wäre in jedem Fall die bessere Wahl gewesen.
Zweitens zeigt die Addition, dass das Kind die Aufgabe exakt richtig verstanden hat. Es sind vier Fünfen, die da addiert werden, oder? Das Kind hat also verstanden: Vier Hände, fünf Finger. Warum hat es denn jetzt trotzdem die Zahlen andersherum multipliziert? Da kann es sehr viele Gründe für geben. Zum Beispiel, dass es einen einfachen Zahlendreher gemacht hat, aus dem gleichen Grund, aus dem manche Menschen 57 schreiben, wenn sie 75 meinen. Aber viel wahrscheinlicher finde ich, dass es hier zuerst nach der Ausprägung geschaut hat: Aha, da sind fünf Finger, und die an vier Händen. Also 5*4. Das kann nicht sein? Haha, doch! Wir rechnen nämlich alle anders. Und das auch noch je nach Tagesform. Die Idee, dass wir Gruppen von je fünf Fingern erkennen und diese mit vier multiplizieren, mag naheliegend sein. Aber je nach mathematischer Entwicklung kommen Menschen auf sehr verschiedene Weise auf Lösungen. (Hier sind vielleicht nur aus einer Bequemlichkeit vier linke Hände abgebildet, aber vielleicht auch – und der Gedanke wäre nicht übel – weil bei abwechselnden linken und rechten Händen garantiert ein kleiner Prozentsatz der Kinder auf die Multiplikation 2*10 käme, und vielleicht auch auf 10*2. Aber die wären natürlich auch beide richtig.)
Drittens haben wir ein ganz grundsätzliches Problem, wenn Didaktik nur auf Konformismus abzielt und nicht auf Verständnis. Wie oben ausgeführt, das Kind hat offensichtlich verstanden, was es verstehen soll, die zweite Zeile zeigt das. (Auch wenn eine zweite Zeile 4+4+4+4+4 kein „f“ verdienen würde. Ja, es mag weit hergeholt wirken, aber ja, es gibt Gehirne, die bei dem Bild der vier Hände andersherum zählen: Vier Daumen, vier Zeigefinger usw. Diese Kinder dafür bestrafen, dass sie auf ihre Weise richtig rechnen wäre auch sinnfrei.) Das „f“ hier hat also nur einen Sinn, nämlich Konformismus zu erzwingen. Und das ist in gewisser Weise verständlich. Denn natürlich ist es für alle Lehrenden einfacher, wenn die Lernenden brav das tun, was man ihnen sagt. Aber bei Bildung geht es nicht um die Bequemlichkeit der Lehrenden, sondern darum, den Lernenden grundlegende Fähigkeiten nahezubringen. Altmodisch hätte man Ertüchtigung gesagt, aber das Wort hat seltsame Konnotationen. Bildung für die Lernenden ermöglichen? Und Konformismus darf nice ein Bildungsziel sein, in keinem Fach, und in der Mathematik ist das auch noch fachimmanent.
Denn viertens gibt es ein paar wichtige Dinge in der Mathematik, die mit dem „f“ nicht vereinbar sind. Mathematik ist kein Einstudieren von regelhaften Abläufen, sondern kreatives Problemlösen. Das wusstet ihr nicht? Nun, daran erkennt ihr, wie schlecht euer Matheunterricht war. Und es gibt einen Grundsatz in der Mathematik, dass jeder nachvollziehbare und allgemein richtige Lösungsweg, der zu einem richtigen Ergebnis führt, mit jedem anderen solchen gleichwertig ist. Für die unter euch, die sich an die Mathematik der Mittelstufe zurückerinnern wollen: Habe ich in einem rechtwinkligen Dreieck eine Seite und einen zusätzlichen Winkel gegeben, sagen wir a und α (mit dem rechten Winkel bei C), dann kann ich mir aussuchen, ob ich zuerst mit dem Tangens b oder mit dem Sinus c ausrechnen will, vielleicht will ich auch lieber erst mit dem Innenwinkelsummensatz ß ausrechnen und dann c über den Cosinus von ß. Und habe ich zwei Seiten, will ich dann noch mal trigonometrisch vorgehen, oder nutze ich einfach den Pythagoras für die dritte Seite? Es ist schlicht egal, womit ich löse. Das interessiert niemanden, so lange meine Methode immer anwendbar ist. (Sonst könnte glückliches Raten auch eine Methode sein, ich möchte das nicht propagieren) Viele Schüler sind heute an der Stelle leicht überlastet, wenn es um die Trigonometrie geht. Sie kommen kaum gedanklich damit klar, dass es diverse Wege zum gleichen Ziel gibt. Die Vorstellung, dass es später in der Vektorrechnung unendliche viele Möglichkeiten gibt, die gleiche Gerade durch Vektoren darzustellen sprengt ihnen dann glatt das Hirn. Warum? Weil sie von klein auf gelernt haben, dass es nur einen Weg gibt. Dass Mathematik etwas konformistisches ist.
Und hier merkt man, dass eine sicherlich gut gemeinte Didaktik, die darauf aus ist, den Lernenden die Strukturen der Grundrechenarten begreifbar zu machen, eher dazu führt, dass den eigentlich lernbegierigen jungen Köpfen durch Konformismus die Mathematik verleidet wird. Das gehört zu den Auswüchsen der Didaktik, die den Lernenden alles vereinfachen will. Vereinfachung ist aber kein Vorteil. Gehe ich ins Fitnessstudio und stelle alle Geräte auf zehn Prozent der Gewichte, mit denen ich sonst trainiere, werden die Trainingseffekte nicht nur gering sein, ich werde auch wenig Spaß am Training haben.
Von der Eigenverantwortung
Ja, ein Hohelied der Eigenverantwortung ich singen will! Was ist sie für ein wunderbares Werkzeug dabei, Kindern dabei zu helfen, mit der Welt klar zu kommen. Kleine Kinder fordern das ein: „Ich will selbst!“ Und das ist wirklich wichtig. Gebt Kindern mehr Verantwortung für sich selbst, vertraut ihnen und kommuniziert dieses Vertrauen auch – bitte nicht per Kontrollanrufen a la „Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich dir vertraue, mein Kind!“ Kinder durchschauen den Bluff.
Aber was den meisten Eltern vermutlich klar ist, es gibt Grenzen der Selbstverantwortung und man sollte sie in kleinen Schritten einüben. Natürlich könnte man einem Kind das gesamte Taschengeld eines Jahres in die Hand drücken und ihm sagen: „Bitte, dein Taschengeld, heute in einem Jahr gibt es das nächste.“ Und es gäbe, je nachdem wie gut das eingeübt ist, schon Zwölfjährige, die damit umgehen könnten. Aber die meisten Sechzehnjährigen hätten noch Schwierigkeiten – ja verdammt, es könnte für viele Erwachsene ein echtes Problem sein, wenn sie auf solche Art ihr Einkommen bekämen. Gebe ich einer unvorbereiteten Achtjährigen ihr Jahrestaschengeld, mache ich damit ziemlich sicher nur einen Ramsch- oder Süßigkeitenhändler sehr glücklich und das Kind sehr unglücklich.
Die Grenze der Eigenverantwortung ist nämlich da, wo das Kind selbst überschauen kann, was es tut. Sag einem Sechsjährigen, das mit dem eigenen Meerschweinchen geht in Ordnung, wenn er sich drum kümmert, so ist jedes „Ja klar!“ ziemlich wertlos. Der Sechsjährige schaut halt nicht weiter als bis nächsten Samstag. Der Samstag in anderthalb Jahren, an dem das Vieh immer noch was zu fressen braucht und neue Streu, der existiert einfach nicht.
Also kurz und gut: Eigenverantwortung ist überall da gut, wo ein Mensch überschauen kann, was es bewirkt.
Aber es gibt auch Dinge, bei denen Eigenverantwortung nicht wirklich funktioniert. Das sind meistens Dinge, bei denen es um Konsequenzen geht, die man nicht selbst zu tragen hat. Oder Dinge, deren Probleme sie nicht aus eigener Anschauung verstehen können.
In den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es aus heutiger Sicht unfassbar viele Verkehrstote. Mehr als das fünffache der heutigen Zahlen. Das hat ganz sicher mit der Technik zu tun. Kein Sicherheitsgurt, von Airbags ganz zu schweigen, passive Sicherheit war noch nicht so richtig erfunden. Daneben wurden aber Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts erst 1957, die außerorts Anfang der 70er eingeführt. Die Gurtpflicht Anfang der 80er.
Das hat alles sehr viel geholfen. Und warum? Weil Menschen für Risiken blind sind. Und weil sie die Risiken des Autofahrens meistens erst verstehen, wenn es zu spät ist, weil schon etwas passiert ist. Selbst gefährliche Situationen geben so lange sogar den Reiz ab, so lange man jedes Mal unbeschadet überlebt. Fragt mal Extremsportler.
Letztere gefährden sich aber hauptsächlich selbst, und da kommt die zweite Komponente ins Spiel. Geschwindigkeit musste gedrosselt werden, weil meistens nicht nur der Raser stirbt. Übrigens sind über dreitausend Tote in einem durchschnittlichen Jahr immer noch ein Grund, über die Sicherheit im Straßenverkehr nachzudenken. Und vermutlich gäbe es jedes Jahr eine signifikant niedrigere Zahl von Verkehrstoten, wenn man die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 120 Stundenkilometer beschränken würde. Aber ich schweife ab.
Es gibt Dinge, da macht Eigenverantwortung schlicht keinen Sinn. Wenn das Kind einen giftigen Pilz in der Hand hat und da reinbeißen will, sag ich nicht: „Lass das mal, das ist keine gute Idee, aber letztlich ist es deine eigene Verantwortung!“ Stattdessen verhindere ich, notfalls auch mit Zwang, dass es happa happa macht.
Und politisch ist es die gleiche Geschichte. sprechen wir kurz über den Dickhäuter, der den Raum einnimmt:
In einer Pandemie funktioniert Eigenverantwortung nicht. Erstens, weil es wissenschaftsferne Menschen gibt, die Yotube und Telegram glauben, aber niemandem, der Ahnung hat. Auch diese Menschen haben ein Recht darauf, dass man ihr Leben rettet. Selbst wenn sie mit dem Giftpilz da stehen und happa happa machen wollen. Die muss man auch dazu zwingen, eine Maske zu tragen, sich impfen zu lassen und auf Partys zu verzichten. Zu ihrem Schutz und zum Schutz der Gesellschaft.
Zweitens gibt es Menschen, und da gehören sehr viele von uns zu, die die Gefahren nicht überschauen können. Seien wir ehrlich, wie gut verstehen wir die Ansteckungswege? Wie oft denken wir, wir hätten die Masken richtig aufgesetzt, uns an alles gehalten und Hygieneprofis machen uns die Augen auf? Und wie sehr verstehen wir die Wahrscheinlichkeitsrechnung und das exponentielle Wachstum der Chance der Ansteckung mit jedem Kontakt mehr den wir haben? (letzteres kann ich gerne erklären) – Wir sind also fast alle absolute Laien. Wir können es nicht wirklich selbst verstehen. Und deswegen braucht es Experten, die uns sagen, was wir machen müssen, und eine Politik, die das klar und manchmal auch schmerzhaft durchsetzt.
Und drittens gibt es die Menschen, denen andere schlicht egal sind. Zum Beispiel jeder Unternehmer, der seine Mitarbeitenden in Werkshallen und Büros zusammen kommen lässt, dabei keine Luftfilter verbaut hat, nicht auf Maskenpflicht pocht und Tests verweigert. Und natürlich Homeoffice nicht ermöglicht, wenn es eigentlich geht. Ach ja, das gleiche gilt für Verantwortliche für Schulen und Kitas. Aber das Wort Politikversagen ist ja für diese Menschen wie geschaffen.
Eigenverantwortung ist toll, funktioniert aber bei einer Pandemie nicht. Und auch wenn ich manchmal denke – jo, da gibt es wieder einen großen Ausbruch in einer fanatischen Sekte, sind ja selbst schuld – dann reflektiere ich das kurz und hau mir selbst auf die Finger. Denn auch dort gibt es Kinder und Abhängige, die nicht einfach gehen können und die nicht selbst schuld sind, sondern geschützt werden müssen. Und ganz nebenbei, diese Menschen können offenbar nicht rational mit der Situation umgehen.
Ein anderer Punkt, an dem Eigenverantwortung keinen Sinn macht, ist alles, was mit Umwelt und Klima zu tun hat. Hier ein kurzer Blick in die Geschichte.
Ich wohne in einem prinzipiell waldreichen Gebiet, man bekommt hier sehr lebendig mit, wie wenig Eigenverantwortung funktioniert. Hier in der Gegend sah man noch vor zwanzig Jahren kaum Landschaft, weil alles mit hohen dunklen Fichten vollgestellt waren. Ich habe schon vor dreißig Jahren in der Schule gelenrt, dass Fichten hier eigentlich nicht hingehören, dass sie den Boden versauern, und für höhere Temperaturen nicht geeignet sind. Außerdem sind sie Flachwurzler und kippen in Stürmen schneller um. Ach ja, und schon in den 80er Jahren gab es große Probleme mit Borkenkäfern.
Seit über dreißig Jahren haben alle, die da was von verstanden, gesagt, wir müssen die Fichtenwälder so schnell wie möglich in Mischwälder umbauen. Seit spätestens vor ungefähr zwanzig Jahren wussten wir alle, dass sich das Klima erhitzt, und Fichten eine noch miesere Idee waren, als vorher.
In den 2010ern kamen dann Stürme, die riesige Schneisen in die hiesigen Fichten schlugen. Ganze Parzellen verwandelten sich in Mikadospiele. Kranke Bäume, die ein übler Orkan erwischt hat. Und natürlich wurden an vielen Stellen diese Parzellen wieder mit Fichten aufgeforstet. Weil man hat nicht lernt und Fichten den schnellsten Gewinn erwarten lassen.
Und dann kam vor gerade mal zwei Jahren der Borkenkäfer und heute gibt es keine nennenswerten Fichtenparzellen mehr. Das trockene Jahr 2018 und die nicht viel feuchteren Jahre 19 und 20 haben dazu geführt, dass die hiesigen Wälder – oder genauer Holzplantagen – verstorben sind. und das nicht nur so ein bisschen. wenn noch fünf Prozent der Fichten da sind, die hier vor fünf Jahren standen, dann würde mich das wundern. (Also noch da sind und noch Nadeln haben, es stehen eine Menge Skelette herum)
Die Waldbesitzer haben also dreißig Jahre lang nicht reagiert und sich nicht darum gekümmert, ihre Parzellen umzubauen. Sie haben sogar auf die Orkane noch vielfach völlig unsinnig reagiert. Das ist es, was bei Eigenverantwortung heraus kommt. Und wenn ich eh schon so eine lange Geschichte erzähle, kann ich nicht vergessen, dass ein Sprecher der hiesigen Waldbauern letztens in einem Brief an die Zeitung (oder einem Interview?) sich darüber echauffierte, dass es zwar Zuschüsse vom Staat fürs Aufforsten gäbe, die aber zurückgezahlt werden müssten, wenn man nicht die Bäume setzen würde, die der Staat vorgibt. Die Waldbauern haben viel Geld aufgrund ihrer völligen Untätigkeit verloren, aufgrund ihrer Unverantwortlichkeit. Und jetzt ist die Gesellschaft so freundlich, ihnen nicht den Grundbesitz zu enteignen, wie es aufgrund der Unverantwortlichkeit absolut sinnvoll wäre, sondern knüpft nur eine Bedingung an Hilfen, die die Waldbauern definitiv nicht verdient haben. Und dann heult man noch rum, weil man mit dem geschenkten Geld nicht machen kann, was man will.
Hier sieht man wunderbar, dass Eigenverantwortung immer dann völlig nutzlos ist, wo auf der anderen Seite die Gier steht. Wir brauchen übrigens alle ganz dringend mehr Wald. Jeder Baum, der gesetzt wird, ist jetzt wichtig. Das ist eine Mammutaufgabe, die wir keinesfalls den döseligen Waldbesitzern überlassen dürfen.
Klima schützen geht nicht mit Eigenverantwortung. Niemand sieht nämlich, was er mit seinem Verhalten anrichtet. Und das ist ein erster wichtiger Punkt. Zweitens geht es darum, was mit den Menschen der Zukunft ist. Und auch wenn ich vermute, dass die meisten Menschen ihren Kindern Enkeln und sonstigen Nachkommen prinzipiell das Beste wünschen, so sind Konsequenzen, die mich schon allein aus Altersgründen nicht betreffen, jetzt nicht so nah an meinem Leben. Und die Probleme werden natürlich zuerst in den eh schon armen Ländern größer sein, warum sollte man sie hier darum kümmern? Und ich kann allein doch eh nichts ändern mit meinem Verhalten, oder? Genau deswegen hilft Eigenverantwortung nichts, man macht allenfalls Menschen ein schlechtes Gewissen, weil sie kaum eine Chance haben, sich so zu verhalten, dass sie nicht zur Klimaerhitzung beitragen.
Die Menschen der dritten Kategorie, die Menschen, die den größten CO2-Abdruck haben und sich eh nicht um andere Menschen kümmern, kurz die Reichen, haben eh keinen Grund, ihren Verbrauch einzuschränken. Und ein Gewissen haben die auch nicht. Sonst wären sie ja nicht so reich.
Ja, es gibt auch in der Politik Bereiche, in denen Eigenverantwortung eine sinnvolle Sache ist. Eine Drogenpolitik zum Beispiel, die auf Information und Eigenverantwortung basiert, würde durchaus Sinn machen. Und eine empowernde Politik in Sachen Sexwork, die Sexworker*innen schützt und sie ihren Beruf eigenverantwortlich ausüben lässt, das klingt nach einer ganz guten Idee.
Aber Macht und Geld funktioniert nie eigenverantwortlich, da muss kontrolliert werden. Und in Eigenverantwortung zerstören wir die Lebensbereiche unserer Nachfahren, und in Eigenverantwortung bringen wir jede Menge Menschen um. Da braucht es keine Eigenverantwortung mehr, da braucht es verantwortliche Politik.