Archiv für den Monat Juli 2021
Im Großen wie im Kleinen – Klima und Fluten
Seit gut vierzig Jahren kündigen Wissenschaftler sehr ernsthaft an, dass wir in Sachen Klima mehr als nur Probleme bekommen, wenn wir nichts tun. Seit Jahrzehnten fordern Umweltschützer und Progressive, dass nun endlich mal was gegen die Klimaerhitzung gemacht werden muss, weil wir sonst schlicht gesprochen am Arsch sind.
Und wenn dann so eine kleine Flutkatastrophe passiert, wie wir sie gerade in NRW und Rheinlandpfalz erlebt haben, wie sie gerade auch die Alpen und die sächsische Schweiz trifft, dann können wir sehen, wie die Politik im Kleinen genauso unfähig hinter der Katastrophe herläuft, wie sie es im Großen bei der Klimaerhitzung schon lange tut.
Disclaimer: Wenn ich von der Katastrophe gerade als „klein“ spreche, dann will ich damit keinesfalls kleinreden, was sie für die Betroffenen bedeutet. Mein Beilied ist denen sicher, die Angehörige verloren haben und ich will mir gar nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn das eigene Haus weggeschwemmt wird. Das „klein“ bezieht sich auf den Unterschied zur Klimaerhitzung, die eine Katastrophe auf nicht abzusehende Zeit und von globalem Ausmaß ist.
Ab dem 10. Juli wurde nun also sehr ernsthaft vor den Regenfällen gewarnt, die da am 14. kommen sollten. Und die Meteorologen haben das sehr klar gesagt: Da kommt extrem viel Wasser runter, das wird eine gefährliche Nummer, da herrscht Lebensgefahr. Am 10.! Es waren also vier Tage Vorlauf. Genug Zeit, in der eine funktionierende Verwaltung hätte sagen können: Okay, welche Bundesländer sind vermutlich am Stärksten betroffen? NRW, RLP und Vielleicht Baden-Würtemberg. Nun, dann bilden wir doch schnellstmöglich einen länderübergreifenden Krisenstab, bereiten vorsichtshalber in allen Regionen, die potentiell betroffen sein könnten, Evakuierungsmöglichkeiten vor, bitten Nachbarbundesländer um eine Einsatzreserve und geben den eigenen Kräften höchste Alarmbereitschaft. Am Tag des vorher bekannten Unglücks sind wir dann gut vorbereitet, ab 80 Liter pro Quadratmeter wird die Bevölkerung in besonders gefährdeten Gebieten aufgefordert, sich wenn möglich in andere Gebiete zu begeben, ab 150 wird großflächig evakuiert. Vielleicht wird es nicht so schlimm, aber in sichere Bereiche Evakuierte ertrinken halt viel seltener.
Die Realität? Es gab am 14. noch nicht mal landesweite Krisenstäbe. Man hat einfach die Gemeinden allein gelassen, man hat sie absaufen lassen und das wörtlich. Ein bis zwei Tage später fuhren riesige Konvois von Einsatzfahrzeugen über die Autobahnen, warum waren die nicht schon am 14. unterwegs? Man hat sehenden Auges die Katastrophe auf sich zukommen lassen, hat es der Bevölkerung nur halbherzig kommuniziert und hat nichts dagegen getan. Dann, als schon zig Leute ertrunken oder in zerstörten Häusern umgekommen waren, war der Schrecken groß und man hat letztlich nur noch versucht, zu retten, was noch zu retten ist.
Ach ja, vorher hat man den Katastrophenschutz in Grund und Boden gespart – was auch bei einer Pandemie, die inzwischen ja auch niemand mehr ernst nimmt, auch schon ein Problem war. Wir hatten so lange einen funktioneirenden Katastrophenschutz, wie wir Angst vor der Sowjetunion hatten, tja, und danach gab es ja keine Katastrophen mehr, richtig?
So wiederholt sich dann, was im Großen so brutal an die Wand gefahren wurde. (Übrigens von der gesamten Politik, da haben SPD, FDP und Grüne auch kräftig dran mitgebaut.) Wir wissen seit vierzig Jahren, dass wir unsere Emissionen radikal herunterfahren müssen. Es ist aber schlicht nicht passiert. Es war noch nicht mal irgendwo ein echter politischer Wille spürbar.
Dass die Politik dann die immer häufiger werdenden Extremwetterereignisse nicht ernst nehmen und die Bevölkerung nicht vor den Katastrophen schützen, ist dann auch nur folgerichtig.
Wenn man sich übrigens die Kommunikation von NRW-Trump Armin Laschet anschaut, sieht man auch, dass er genauso weiter machen wird. Er spricht von einem „Jahrhunderthochwasser“. Meine Fresse, ich bin jetzt Mitte Vierzig, ich habe mindestens schon acht bis zehn Jahrhunderthochwasser miterlebt. Und nebenbei noch ein paar Jahrhundertsommer und -dürren. Wenn man die Vorsilbe aber vor eine Katastrophe packt, ist damit gemeint: So etwas kommt nur einmal in einem Jahrhundert vor, sonst macht das keinen Sinn. Laschet sagt damit: Ja, das war jetzt Pech, einen Zusammenhang mit der Klimaerhitzung sehe ich gar nicht erst und mit mir wird es auch keine bessere Klimapolitik geben. Und er lügt natürlich auch frech, wenn er davon spricht: „Als noch die Sonne schien, und niemand erahnte, dass etwas passieren konnte…“ – Die Landesregierung war gewarnt. Sie hat halt nur nicht gehandelt. Katastrophenschutz obliegt den Kreisen und Gemeinden, die seit Jahrzehnten von Ländern und Bund in Sachen Finanzierung missbraucht und ausgesaugt wurden. Da ist man ja wirklich schnell und gut raus aus der Verantwortung. Tja, warum haben die Kommunen halt nicht gehandelt? Weil sie es finanziell nicht können und weil so katastrophale Regenmengen wie am 14. ja auch gar keine lokale Sache ist, sondern zumindest eine regionale. Wenn es halt nur Politiker*innen gäbe, die dafür die Verantwortung hätten, was?
Wir gehen sehenden Auges in die Katastrophe. Mit einem Weiter so wird nichts besser. Wir brauchen jetzt Tatkraft und Entscheidungen. Und keine Wissenschaftsfeindlichkeit und bräsig-arrogante Witze hinter dem Rücken des Bundespräsidenten.