Archiv für den Monat März 2023

Was passiert, wenn wir alle schreiben lassen?

Okay, alle reden über Chat-GPT und Konsorten was sie anrichten werden. Also rede ich da auch mal drüber. (Ein Anstoß, darüber nachzudenken war der letzte Genderswapped Podcast, Folge 54. Ist damit weiterempfohlen!)

Ich lasse übrigens keinen Abschnitt des Textres von Chat-GPT schreiben, damit alle merken, dass sie nicht merken, dass da ein Computer schreibt. Abgesehen davon, dass ich das albern finde, mir ist im Moment alles, was der an Text produziert, zu glatt geschliffen und nett. Das wird sich sicherlich ändern, und ganz sicher könnte ich auch um ein paar eigentümliche Formulierungen bitten, ich schreibe sie aber lieber selbst. So, jetzt reicht es aber an Vorrede.

Kick-in-the-door-Style gesprochen: Schreibende AI wird die gleiche Auswirkung auf die Literatur haben, wie Foto auf die Malerei und Film aufs Theater. Wer jetzt nickt, schön, wer nicht weiß, wovon ich rede – weiß ich es denn selbst? Haha?! -, ich kann das erklären:

Über die Jahrhunderte hatte sich die Maltechnik entwickelt, Malende konnten Dinge darstellen, die die Realität auf spannende Art und Weise abbildete. Und viele Kunsthandwerker lebten davon, denn viele Menschen wollten sich ein brauchbares Portrait ins Wohnzimmer hängen, oder ein Bild aus Venedig, weil Venedig so schön ist. Ja, konnten sich nur die Betuchteren leisten, aber es gab einen so großen Markt, dass es neben herausragenden Künstler*innen auch jede Menge brauchbare gab, die gut davon leben konnten. Und dann kam das Foto. Und bei allen Schwächen der frühen Fotografie, eine Sache konnte das Foto besser und vor allem einfacher: Die gesehene Realität darstellen.

Folge: Das Kunsthandwerk brach weg, Portraitmalende waren nicht mehr gefragt und die Kunst entwickelte sich von dem, was das Foto konnte, rasant hinweg: Wer möchte denn die Realität abbilden? Wir bilden jetzt das Gefühl ab, wir abstrahieren und so weiter: Die bildende Kunst verwandelte sich.

Das Theater hatte sich von den Typen, die „Marmor scheißen“, den Göttern und Königen verabschiedet, hatte den Realismus entdeckt und konnte eine Sache sehr gut: Die Illusion erzeugen, man sähe gerade realen Menschen dabei zu, wie sie Dinge durchleben, durchleiden. Das Theater des Mitlebens war ganz wunderbar: Und dann kam der Film. Und japp, der konnte das mit der Illusion besser. Ich mein, wer hat sich noch nie gefragt, ob man gerade in eine Doku oder einen Film gezappt hat, richtig? Bis heute ist bis auf wenige Ausnahmen wichtig, dass Film und Serie Illusion schaffen und erhalten.

Im Theater ist das aus Prinzip schwieriger: Das Publikum hört die Spielenden atmen, riecht deren Geruch, kann sie fast anfassen: Wenn das so ist, dann ist der Typ da nicht wirklich Prinz Hamlet und die junge Frau dort nicht Nora. Das Hirn muss viel mehr Kompromisse eingehen, bevor es die Illusion schluckt, als beim Film, denn was abgefilmt wurde, ist ja passiert, richtig? (Filmmontage ist so ein geiles Werkzeug!)

Was passierte im Theater? Brecht hat Verfremdungen beschworen, um die Illusion absichtlich zu zerstören, Thornton Wilder dekonstruiert die Illusion und das absurde Theater nimmt ihm auch noch die Handlung. Das Theater hat sich vond er Illusion verabschiedet.

Okay, so weit, so gut. Aber was hat das mit schreibenden AIs zu tun? (Disclaimer: Ich weiß, Chat-GPT und weiter sind keine echten AIs, aber werden wir mal nicht spitzfindig. Es geht hier nicht um Robotergesetze …) Nun, AIs können auch etwas besser, als wir alle: Durchschnitt schreiben. Dinge reproduzieren. Gib einer solchen AI das Grundkonzept für eine klassische Romanze, einen Western, einen Krimi, und es wird dir einen 300-Seiten Roman ausspucken. Der Stil wird gut lesbar sein, niemals überraschend, aber gut bekömmlich. Die klassischen Tropes werden bedient werden und wir haben Lesefutter fürs schnelle Weglesen zwischendurch. Und wenn ihr meint: ja, aber das geht ja noch gar nicht so gut und man muss da bestimmt viel nacharbeiten: Die Technologie entwickelt sich rasant fort und ich kann mir noch gar nicht wirklich vorstellen, wie mächtig diese Tools in fünf Jahren sein werden.

Für Drehbücher gilt übrigens das Gleiche und ich will ja nicht unken, aber die übliche generische Krankenhausserie, Krimiserie oder Telenovela könnte in fünf Jahren jede Menge Folgen haben, die nicht nur von einer AI geschrieben sind: Ähnliche Techniken werden auch die die realen Darstellenden in diese Serien hinein animieren können. Das ist mit Deepfake doch quasi heute schon möglich. Und wenn ihr dann mal einen schönen Tatort wollt, so einen mit Querdulli Liefers zum Beispiel, dann sagt ihr dem Fernseher, ihr hättet darauf Bock, möchtet aber heute einen Fall, in dem auch ein gewisser Kommissar Schimanski aus Duisburg ermittelt, dann seht ihr einen spannenden Tatort mit Börne und Schimanski. Warum auch nicht?

Okay, kommt jetzt die kulturpessimistische Kelle? Es braucht keine Kunst mehr? Keine Literatur? Keine Drehbücher?

Doch, genau die wird es auch in Zukunft brauchen. Denn Computer sind vor allem schnell und nicht gerade kreativ. Es wird immer Originalmaterial brauchen, auf dem die AIs dann aufbauen. Aber vor allem, Kunst wird sich weiterentwickeln müssen. Natürlich wird es die geben, die die AIs als Werkzeug gut einsetzen können und den Markt mit generischen Büchern und Drehbüchern fluten und seien wir ehrlich, es gibt eine Menge Serien bei Netflix und im althergebrachten Fernsehen, die heute schon wirken, als ob sie von einer AI geschrieben worden wären. Ganz ehrlich, wenn ich mal Dialoge aus den üblichen Polizeiserien der öffentlich rechtlichen Sender höre, dann würde ich mir wünschen, dass da mal eine AI drüber geschaut und deren Programmierung ein paar Klischees als zu abgedroschen aussortiert hätte.

Aber es wird vor allem sehr viel originellere Dinge brauchen, die sich wirklich von dem absetzen, was eine AI produzieren kann. Das Absurde, der Wahnsinn und das Abstrakte werden Kontraste setzen. Und das wirklich tief Empfundene, das riskant Offene und schonungslos Wahre. Ich bleibe hier vage, denn ich glaube nicht, dass irgendwer genau voraus schauen kann, wo es hin geht. Aber wenn das Mittelmaß massenproduziert werden kann, kommt eine Zeit für die Avantgarde. Eine Zeit der Transformation.