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Quick – Geschlechtergerechte Sprache
Wir diskutieren gerade in NRW über geschlechtergerechte Sprache, also übers Gendern und so – das war jetzt die grobe Verkürzung.
Ich habe da einen mehrfachen Gedankenwandel durch gemacht, und den will ich mal kurz schildern. Mit dem Binnen-I also zum Beispiel „LehrerInnen“, bin ich im Studium bekannt gemacht worden. Ich nahm das im studentischen Umfeld so hin, habe es auch verwendet, fand es immerhin hilfreicher als Lehrer und Lehrerinnen – oder doch Lehrerinnen und Lehrer? Welches Geschlecht muss denn bevorzugt werden?
Später habe ich dann bei Zeitungen gearbeitet, und dort wurde nicht gegnedert – und das auch mit einer klaren Begründung, die für Journalisten elemantar ist: Binnen-I und ähnliche Maßnahmen behindern den Lesefluss. Und das habe ich vom ersten Tag bei der Zeitung an gelernt, der Lesefluss ist heilig. Nichts, was den Leser – oder auch die Leserin – aus seinem Leserhythmus reißt, sollte man als Schreiberling benutzen. Das wurde mir sehr eindringlich nahe gebracht und ich war immer ein gelehriger Schüler.
Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich bis heute jede Form des Genderns sprachlich unschön finde. Das mag man meiner seltsamen Ästhetik anlasten, oder meinem Sexismus. Das ist schon okay, ich kann es ja selbst nicht zuordnen.
Als ich zu den Piraten kam, fand ich die Abkehr vom verordneten Gendern, wie es die Grünen haben, richtig und gut. Ich möchte sprachlich prägnant sein, da passt kein Gendern hin. Ich fand es auch nicht ehrenrührig, wenn man quasi als Disclaimer vorwegschickt, dass man mit dem generischen Maskulinum alle meint, und sich bitte niemand ausgegrenzt fühlen soll.
Aber ich bin lernfähig, und ich lasse mich vor allem durch Argumente überzeugen. Ich habe Vorträge von Anatol Stefanowitsch verlinkt bekommen, auf Twitter gefunden, und wenn man sich nicht sehr gegen rationale Argumente verschließt, dann sollte man erkennen, dass Sprache eine tradierte Form der Unterdrückung ist. Jetzt muss man allerdings ergänzen, dass ich ja auch mal irgendwann Sprachwissenschaften betrieben habe, also das Vorwissen habe, mit dem ich Anatol auf jeden Fall folgen kann.Ich wünschte, ich hätte damals so gute Dozenten gehabt.
Okay, ich habe das also begriffen. Da sind wir dann ja schon mal einen Schritt weiter. Was ist jetzt also zu tun? Ich mag ja Gendern immer noch nicht. Vor allem auch, weil es seine Tücken hat. Das Binnen-I lässt mich zum Beispiel immer das Wort „innen“ lesen , was natürlich Unsinn ist, aber ablenkt. Das gilt auch für alle anderen Formen des Genderns. Bei einem generischen Femininum fühle ich mich nicht gemeint, aber das kann man wahrscheinlich ein bisschen antrainieren. Bei den meisten Genderformen wird etwas getan, was meiner Meinung nach auch falsch ist: Es wird das Weibliche so sehr betont, dass die Kategorie nur noch deutlicher wird. Der Unterschied wird also zementiert.
Jetzt denke ich seit einem Schlüsselerlebnis sehr viel über den Abbau von Diskriminierung nach. Und wir sind uns doch eigentlich darüber im Klaren, dass Kategorien und Schubladen doch immer stören und diskriminieren und falsch sind. Ja, das ist bei den Kategorien, die Geschlechter betreffend besonders schwierig abzubauen, weil es ja nun mal biologische Unterschiede gibt, weil zumindest körperlich ja Merkmale da sind. Also ist alles, was wir können, das Zurückdrängen dieser Unterschiede, in dem wir uns die Kategorisierung klar machen. Und darauf verzichten.
Natürlich funktioniert das nur, wenn man darüber reflektiert. Und so lange es hier bei uns in NRW aussichtsreiche Kandidaten auf den Bundestag gibt, die auf die Frage, ob sie je diskriminiert haben, mit einem unreflektierten „Nein“ antworten, so lange ist das natürlich alles nicht so einfach.
Jetzt ist die Kategorisierung der Geschlechter extrem tief in unsere Sprache eingefräst. Die Sprache selbst diskriminiert. Und wenn wir uns nicht auf einen tiefen Schnitt einlassen wollen, der quasi alle Sprache geschlechtlich neutralisiert, uns also alle zum Neutrum macht, dann können wir nur wenig tun.
Ich versuche nun, wenn ich Studenten und Studentinnen nicht als Studierende umschreiben kann – so was ist natürlich elegant – entweder beide Geschlechter zu erwähnen – ja, klingt umständlich – und dabei die Reihenfolge immer mal zu tauschen – oder ich nutze einfach bei dem einen Beispiel das generische Maskulinum und beim nächsten das Femininum. Und dabei, auch das ist wichtig, versuche ich auch noch, hierbei nicht zu werten. Wird ja gerne gemacht, die negativen Sachen sind immer die Maskulina, die positiven die Feminina – Leute, damit kommen wir nicht weiter. Wir wollen keine Keile zwischen uns treiben, wir wollen von Diskriminierung weg.. Eine andere Form habe ich für mich noch nicht gefunden, und ich meine, dass das auch jeder für sich finden muss. Hey, wir müssen nichts uniformieren, wir können die Sprache so benutzen, wie wir das wollen. Niemand bestimmt darüber, oder besser, niemand sollte darüber bestimmen. Es gibt keine richtige Sprache.
Aber wir sollten weiter dran arbeiten, weiter darüber diskutieren, wir alle, nicht Die_Frauen, Die_Männer, Die_transsexuellen_Eichhörnchen. Es muss allen bewusst sein, wir müssen darüber reflektieren, auch wenn es für manche schmerzhaft ist.
Warum gibt es so schlechte deutsche Buchtitel?
Eine Forumsüberschrift mit Übersetzungen von Filmtiteln hat mich zu einem kleinen Beitrag inspiriert. Ich habe mich ganz auf die Buchtitel von Stephen King spezialisiert, weil die den Unsinn der Verlagspraxis schon allein so schön illustrieren:
Nachdem „It“ – „Es“ nicht nur richtig übersetzt, sondern auch ein riesiger Erfolg war, hat irgendwer in schwer bekifftem Zustand angefangen, möglichst alle Namen so zu vergewaltigen, das sie eine ähnliche Kürze bekamen: total passend wurde also aus „Misery“ kurz „Sie“ – was aufgrund des Vorgängers völliger Bullshit ist, da wird das Magnus Opus von 1100 dicht bedruckten Seiten mit einem Buch, dass nicht viel mehr als eine Fingerübung war, zu vergleichen … das Wortspiel, die Bedeutung des Namens … alles verspielt …
„The Dark Tower: The Gunslinger“ hieß vorher schon „Schwarz“, aus „The Drawing of the Three“ wurde „Drei“ … die nächsten Bände des Dunklen Turms hießen auf Deutsch „Tod“ und „Glas“ … ach, warum noch die Originaltitel nennen …
Es gab nebenbei auch einige kranke nicht so kurze Titel:
„Salem’s Lot“ (ja, ein Ortsname und ein Wortspiel, hübsch oder?) – „Brennen muss Salem“!
„Pet Sematary“ (ich würd mal übersetzen „Haustierfriedhof“ – dafür können wir im Deutschen ja so schön zusammenziehen) – „Friedhof der Kuscheltiere“
„Different Seasons“ – „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“ – nein, keine dieser Novellen ist Horor, man brauchte es auch nicht künstlich reinbasteln.
So richtig schlimm ist aber erst in den letzten Jahren geworden: Aus dem wunderschönen „The Girl who loved Tom Gordon“ wurde „Das Mädchen“ – bisschen platt, oder? Aus „Dreamcatcher“ wurde „Duddits“ …? Könnte mal jemand erklären? Was sprach gegen „Traumfänger“? Der Eso-Klang, den hat das Wort im englischen vermutlich aber auch …
Und weiter geht es mit Vergewaltigungen: Jeder King-Fan wusste seit Jahrzehnten, dass es einen unveröffentlichten Roman unter dem Titel Blaze gab. Dann überarbeitet King diesen Roman, ihm glückt ein wunderbares Buch, und auf Deutsch darf er nicht nach der Hauptfigur Blaze heißen, sondern muss „Qual“ genannt werden? Außer dem Titel gibt es da keine Qual bei! Oder der zwei Drittel geniale Roman „Duma Key“ – das Ende ist leider allenfalls durchschnittlich -, warum „Wahn“? WARUM?
Aber der beste Beweis für völlige IQ-Losigkeit der Titelübersetzer: „Love“ … ja, ist der „deutsche“ Titel! Halloho!! Das Original heißt „Lisey’s Story“ – „Liseys Geschichte hätte also wunderbar funktioniert, sogar die englische hätte man ohne großen Verlust stehen lassen können – auch wenn ich eigentlich sehr für das Übersetzen bin. Wir haben ja eigentlich eine der poetischsten Sprachen, warum können ausgerechnet die Übersetzer der Titel diese nicht beherrschen? (Kurz abschweif: Im neuen King, „Die Arena“ – „Under the Dome“ – na, merkt man was? – gibt es einen wunderbaren Übersetzungsfehler, als nämlich Jugendsprache vorkommt, und ein kleiner Skater „Alte Schule“ sagt … ich hab sehr gelacht)
Kleiner Aufruf: Wenn jemand eine Möglichkeit findet, diese Praxis so richtig lächerlich zu machen, bitte bescheid sagen, mache jeden Mist mit …
Lasst es uns sprechen: einfaches, gutes Deutsch
Manchmal komm ich ja auf Blogthemen, wenn ich Rezensionen schreibe. Das ist auch hier und jetzt der Fall, ich habe nämlich gerade „Speak German!“ rezensiert (kann man hier lesen: http://www.media-mania.de/index.php?action=rezi&id=8663). da wird ganz heftig gegen Anglizismen und andere Verunstaltungen der deutschen Sprache gewettert. Und sein Autor Wolf Schneider hat ja in vielen Sachen einfach nur Recht: Warum muss der Schalter der Bahn „Service Point“ heißen? Man bekommt doch da gar kein Geschirr …
An einer Stelle bin ich mit Herrn Schneider nicht so richtig einig, denn er wettert auch gegen jede Form der Lehnübersetzung. Das Beispiel ist die sich immer mehr durchsetzende Redewendung „Das macht Sinn“, die durchaus Sinn hat, wie ich finde. Die Herkunft ist klar, im englischen heißt es, das etwas „makes sense“ und nicht zuletzt, weil wir ja alle Filme synchronisieren lassen, kam es auch bei uns auf, dass neuerdings Sachen Sinn machen, statt haben. Und da kann sich Wolf Schneider gerne querstellen, das wird sich vermutlich auch durchsetzen. Der Grund dafür ist der aktive Charakter von „Sinn machen“, der dem passiven von „Sinn haben“ einfach überlegen ist.
Ansonsten hat Schneider wirklich Recht, wir müssen einfach zu unserer Sprache stehen, sie ist nicht umsonst die Sprache großer Philosophen – auch wenn ich behaupte, dass es Schreiber gab, die damit besser umgehen konnten, als der alte Kant – und vieler der ganz großen Schriftsteller und Dichter. Mag man sich des Öfteren beim Klang der englischen Sprache über deren Lässigkeit freuen, und hier und da auch merken, dass unsere Sprache auch die Sprache der verdammenswürdigen Bürokratie ist, aber mal ehrlich, lässig kann unsere Sprache auch sein – man höre sich mal im Ruhrpott um – und Saft und Kraft hat sie auch.
Da unsere Sprache aber eine Unmenge von Lehnworten hat, kommen wir natürlich nicht ohne sie aus. Natürlich schaue ich aus dem Fenster … das ist Latein, na und? „Schlamassel“ und „Dolmetscher“ finde ich auch tolle Worte, auch wenn sie keine ursprünglich deutschen sind. Und schon vor einigen Jahrhunderten haben wir englische Worte eingedeutscht, „Boot“ zum Beispiel stammt vom englischen „boat“ ab. Es ist ja gerade ein Zeichen einer lebendigen Sprache, dass Lehnworte ganz selbstverständlich assimiliert werden. So wie man in Amerika oft „gesundheit“ wünscht, wenn jemand niest, oder Sachen „übercool“ findet. So wie man in Japan fleißig zur „arubei“ geht, oder in Russland ein „buterbrod“ isst. Find ich cool, wenn auch nicht unbedingt „übercool“ ….
Aber „shareholder value“? „Callcenter“? „Cross-Country-Bike“? Ich glaub es hackt. Und ist „anti-aging“ irgendwie mit aktiver Sterbehilfe verwandt? Es klingt ein bisschen so. Und das ist nicht nur in der normalen Werbung so, man schaue sich doch mal einen der letzten Stephen King-Titel an: „Love“ – okay, denkt man, da hat man den englischen Titel nicht übersetzt. Das ist ein Fehler, wenn man denkt, dann geht man davon aus, dass man bei Heyne auch denkt, und das kann man ja nun wirklich niemandem zumuten. Im Original heißt das Buch „Lisey’s Story“. Muss man das noch weiter kommentieren? Für den deutschen Büchermarkt braucht dieses Buch also einen nichtssagenden englischen Titel? Man fragt sich ein bisschen, was für ein Typ das ist, der solche Entscheidungen trifft, hat wahrscheinlich BWL und Englisch auf Magister studiert, ist irgendwie über Beziehungen ins Verlagwesen geraten und freut sich über die Macht Bücher mit schlechten Titeln auszustatten. Ganz großes Tennis …
Zurück zum Thema – genau, ich dachte auch kurz an btt … -, und damit zurück zur Sprache. Ich schreib eine ganze Menge, nicht nur hier in meinem Blögchen, und ich finde es normal, dass ich es vermeide, eine große Zahl an Anglizismen zu benutzen, aber andererseits achte ich selten wirklich bewusst darauf. Wenn ich für irgendwas ein Feeling habe, dann ist das eben so, und wenn man über Musik spricht, oder über Filme, dann wird man auch schon mal Worte benutzen, die gerade die passendsten sind, egal aus welcher Sprache sie gerade kommen. Eine Verteufelung von Veränderungen halte ich für ziemlich sinnlos, die ekelhafte Hofierung der Weltsprache, die Engländern und Amerikanern in Deutschland ganz sicher irgendwie peinlich sein muss, finde ich aber noch viel schlimmer. Speziell in der Wissenschaft, in der Politik sollten die Beteiligten wieder mit Lust und Selbstbewusstsein Deutsch sprechen und schreiben. Wer sich nicht zu seiner Muttersprache bekennen kann, wer sie nicht wirklich beherrscht, der kann auch keine wirkliche Innovation schaffen, der sollte es auch nicht mit einer Fremdsprache versuchen.
Und bitte keine Gnade für schlechtes Deutsch. Wenn ihr merkt, dass jemand in seinem Blog kaum verständliches Zeug formuliert, dann lest woanders. Wenn Leute mit rudimentärer Rechtschreibung in Foren schreiben, mahnt ein wenig Mühe an – die kann sich nämlich jeder geben. Schreibt einfach ein gutes und klares Deutsch, auch im Netz.