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Reportage aus der Zukunft
Ich lese im Moment nebenbei mal wieder „Ökotopia“, einen Science Fiction-Roman aus dem Jahre 1978. Dort wird ein Reporter in ein utopisches Land geschickt und schickt seine Reportagen zurück. Das Buch sollte man mal als Pflichtlektüre einführen, nicht weil alle Ideen des Ernest Callenbach, so heißt der Autor, so großartig sind – einige sind es -, sondern weil man die Möglichkeit bekommt, mal ein paar Sachen anders zu denken. Diese Fähigkeit ist zu wenig ausgeprägt, und das führt dazu, dass manche Menschen sogar der Politik glauben, wenn von „Alternativlosigkeit“ gesprochen wird.
Auf jeden Fall hat mich das Buch inspiriert, in kleinem Rahmen ähnliches zu tun. Ich werde keinen Roman schreiben, aber hin und wieder mal eine Reportage aus der Zukunft. Aus einer Zukunft, wie ich sie mir wünsche, nicht mehr, aber auch nicht weniger …
Achso, ja, ich schreibe so, als ob es in der Zukunft noch Zeitungen gibt. Keine Ahnung, ob Zeitungen sterben, keine Ahnung, ob sie irgendwann im Internet ankommen, aber wir werden sehen.
Noch eine kleine Warnung, erstens,d er Artikel ist lang, zweitens, es handelt sich um eine Vision. Wenn jemand glaubt, dass Visionen zu Arztbesuchen führen sollten, dann soll er sich davon machen!
Zehn Jahre neues Bildungssystem, ein Überblick
Aus der Region. Was wurde gekämpft, was wurde diskutiert, wie oft wurde der Untergang des Abendlandes vorhergesagt? Vor zehn Jahren wurde das Bildungssystem ermordet oder vergewaltigt, sagten damals die einen, es wurde neu gedacht, sagten die anderen.
Nun hat man sich ja ein wenig an die Neuerungen gewöhnt, viele Kritiker sind verstummt, andere sehen immer noch viele Probleme in der Bildung, verweisen auf Zahlen. Wir wollten uns die Situation mal genauer anschauen.
Der Blick geht erst mal in die Kreisstadt, in der eines der beiden Gymnasien, die beide auf eine große Tradition zurückblickten, geschlossen wurde. Das andere lebt und gedeiht. Und geht man heute in dieses Gymnasium, dann muss man auch einigermaßen genau hinschauen, wenn man die Unterschiede sehen will, die sich ergeben haben.
Es ist lauter als früher, viele Türen stehen offen, Schüler sitzen in Grüppchen auf dem Flur und arbeiten offenbar an anderen Sachen, als ihre Mitschüler.
„Wir mussten vieles umstellen“, sagt die Rektorin Julia N. auf Nachfrage. „Das Kurssystem, dass es früher nur in der Oberstufe gab, hat inzwischen die ganze Schule erreicht. Im Klassenverband gibt es Sportunterricht und die Einführungen in neue Fächer, ansonsten werden Kunst- und Theaterprojekte so geplant, dass es immer ein bis zwei Klassen sind, die das gemeinsam machen. So kommen die Schüler auch mit ihren Gleichaltrigen zusammen, so werden soziale Strukturen geschaffen. Der Fachunterricht ist ganz im Kurssystem verteilt. Und die Kurse sind sehr gemischt – eben je nach Fähigkeit.“ Am Ende von Kurstrimestern treten die Gymnasiasten zu ihren Prüfungen an. „Das ist auch ganz in Ordnung so, meint Schülersprecherin Liane F., „natürlich könnte man die Prüfungen immer machen, aber so haben wir da ein bisschen Struktur drin. Und wir sind immer ganz scharf drauf, dass alle im Kurs ein Ziel erreichen, ist sozusagen Gymnasiastenehre.“
Im Gebäude des geschlossenen Gymnasiums ist nun die Freie Schule – ein wirkliches Experiment noch vor ein paar Jahren, inzwischen aber eigentlich ziemlich gut angenommen. Die Freie Schule sieht ihre Lehrer rein als Ansprechpartner. Von der Einschulung an lernen die Schüler hier was sie wollen, haben große Schätze an Lernmaterialien zur Verfügung und arbeiten frei. Die Lehrer sind für sie da, beantworten Fragen, erzählen Geschichten und regen immer wieder auch Projekte an. So erklärt Rainer B., einer Initiatoren: „Die Projekte sind wirklich wichtig. Wenn es zum Beispiel darum geht, einen Film zu drehen, dann macht das erst mal ein Lehrer mit einer Gruppe. Er leitet an und vermittelt die grundlegenden Fähigkeiten. Beim nächsten Mal fangen dann einige der Schüler des ersten Projektes mit einem eigenen Film an, nehmen sich eine Handvoll neue Leute mit ins Boot und der vorher leitende Lehrer ist nur noch so eine Art Supervisor.“
Die Erkenntnis, dass man vieles besonders gut lernt, wenn man es anderen beibringt liegt da zugrunde, und die ist auch sonst im Schulalltag häufig zu sehen. Achtjährige, die Fünf- bis Sechsjährigen mit dem Zahlenraum bis 10 weiterhelfen sind oft die, die selbst noch nicht so fit damit sind, und sich endlich mal das Herz nehmen, ihre Prüfung nachzuholen.
Und wie steht es mit der Motivation? „Naja, die ist natürlich nicht bei jedem Schüler gleich und vor allem auch nicht an jedem Tag. An manchen Tagen passiert in manchem Raum fast gar nichts, aber sehr bald wird es langweilig – und manches Kind müssen wir nachmittags um fünf geradezu herauskehren, weil es sich gerade in der Geschichte festgebissen hat, oder weil der Englischspielkreis einfach kein Ende findet.“ B. lacht, offenbar hat er das Bild gerade vor Augen – doch auf Gegenfrage wird er ernst: Aber kommt jedes Kind mit dieser Form der Schule klar? „Die meisten schon, aber das gilt nicht für alle. Manche Kinder können mit mehr Struktur einfach besser lernen – aber das ist ja auch kein Problem, es geht hier ja nicht um Ideologie, sondern um die Kinder!“ Und die, davon kann man sich hier schnell überzeugen, wirken glücklich und gar nicht chaotisch und rabaukig, wie man das bei der Einführung der Freischule aus manchen Kreisen prophezeite.
Wie sieht das mit den anderen Schulen aus? Auf der Freien Waldorfschule hat sich gar nicht so viel geändert. „Wir haben ja noch nie auf Noten gesetzt, deswegen hat es hier nicht viel geändert, als die Benotung ganz an die Prüfungsbehörde ging.“ Ute S. ist die Leiterin der hiesigen Waldorfschule, sie fühlt sich bestätigt: „ Wir hatten ja schon das beste Abitur im Kreis, als hier das Zentralabitur eingeführt wurde, für uns war es schon immer normal, dass von außerhalb geprüft wurde.“
Der Gesamtschule kam die neue Struktur auch relativ gut entgegen. „Wir waren schon ziemlich am Schwanken, als wir nicht mehr selbst benoteten. Zensuren sind halt schon eine Möglichkeit, auch Disziplin zu behalten. Aber wir haben schnell begriffen, dass wir mit dem neuen System gut fahren.“ Mittelstufenkoordinator Stefan P. zieht zufrieden Bilanz. Inzwischen haben die Stufen Acht und Neun jeweils halbjährige Praktika, die dadurch gewonnenen Räume und Lehrerstunden werden sinnvoll genutzt, auch hier wird Freiarbeit inzwischen groß geschrieben, und die Lerngruppen wurden so ein bisschen kleiner. „In den Praktika sind die Schüler oft viel motivierter, fühlen sich erwachsener und mehr ernst genommen. Und den Stoff haben sie mit ihren neugewonnen Kenntnissen und dem erhöhten Selbstvertrauen bisher immer ganz locker aufgeholt. Außerdem sind die nach ienem halben Jahr oft auch ganz froh wieder einfach nur zur Schule gehen zu können.“
Eine klassische Schule mit den alten Strukturen gibt es ja in der Kreisstadt auch noch. Die Freie Christliche Bekenntnisschule mit ihrem Gymnasial- und Realschulzweig. Vor fünfzehn bis zwanzig Jahren war das die Schule, die am schnellsten wuchs. Heute mag man uns kein Interview geben. Wir sprachen mit der Elternvertreterin Luise H., und die gibt zu, dass es Probleme gibt: „Vor der Prüfungsbehörde war man stolz darauf, dass man gut erzogene Kinder hatte, dass wenigstens auf dieser Schule Disziplin noch etwas galt. Daher hatten wir auch viele Schüler, die gar nicht aus christlichen Elternhäusern stammten. Das ist nicht mehr so. Wir werden auch von der Prüfungsbehörde stark benachteiligt. Unsere Schüler erreichen bei weitem nicht mehr die Werte, die sie vorher in den zentralen Prüfungen erreichten. Ich vermute Politik dahinter.“
Eine besondere Form der schulischen Bildung sollte nun zuletzt auch noch erwähnt werden – nämlich die ohne Schule. Simon T. ist so ein „Schüler“. „Ich habe mir schon das Lesen selbst beigebracht, als ich fünf war. Seitdem habe ich genug Mathe gelernt, um die mittlere Reife angehen zu können, in den Naturwissenschaften bin ich fast auf Abiturniveau!“ Der 13jährige ist nicht unbedingt bescheiden, wenn er von seinen Fähigkeiten spricht. „Englisch kann er ziemlich gut, aber es hapert mit einer zweiten Fremdsprache und mit Politik und Geschichte beschäftigt er sich auch erst, seit er öfter bei seinem Ersatzopa ist.“ Der Ersatzopa ist ein Nachbar, dem Simon hilft, mit der neuen Technologie schrittzuhalten, und der mit ein paar einfachen Fragen bei dem Jungen Interesse geweckt hat. „Man muss ja wissen, wie die Politik funktioniert, sonst kann man ja auch nichts ändern!“ Inzwischen ist Simon da ganz anderer Ansicht, als er es noch vor ein paar Monaten war. Und was ist mit den sozialen Kontakten? „Simon geht in die Kunstwerkstatt für Kinder und Jugendliche, und ins Karatetraining. Das ist ein guter Ausgleich, und daher hat er seine Freunde. Auch wenn die auf die verschiedensten Schulen gehen.“ Simons Mutter ist mit ihrem Sohn, und der Bildungswelt offenbar ganz zufrieden. „Wenn ich bedenke, wie viele Stunden ich mich mit manchen Sachen rumgeschlagen habe, da hat Simon es schon viel einfacher.“
Eine Sache bleibt dann doch noch. Vor der großen Reform gab es eine Unmenge an Nachhilfeinstituten, was ist denn aus diesem Markt geworden? Bei der Recherche fanden wir nur noch eines. Leiter Klaus B. : „Klassische Nachhilfe machen wir fast gar nicht mehr. Hier und da für ein paar Gymnasiasten, wenn sie in einem Kurs partout nicht mitkommen, oder wenn sie länger gefehlt haben, dann noch ein paar Schüler von der Bekenntnisschule. Wir haben dafür öfter mit den Homeschoolern zu tun, den Kindern, die gar nicht zu einer Schule gehen – denen können wir dann in Fächern helfen, für die sie kein großes Interesse aufbringen können. Und dann muss halt immer noch ein bisschen gepaukt werden.“ Ansonsten scheint der Markt ausgetrocknet, seit die Prüfungen sich sehr stark geändert haben. B. erinnert sich an die Zeiten ohne Wehmut: „Als das Zentralabitur regierte, traf das Wort Lernbulimie voll zu. Es wurde nur für die nächste Prüfung gelernt. Heute müssen echte Fertigkeiten und Verständnis nachgewiesen werden, mit einem auskotzen von Wissen kommt man da gar nicht mehr weit. Aber das macht auch bei der Nachhilfe viel mehr Spaß!“
Sechs Jahre Grundschule
Tja, jetzt hatten wir in letzter Zeit zwei Plebiszite, und so, wie mich das Ergebnis des ersten erfreut hat, so hat mich das des zweiten geärgert. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum so viele Volksabstimmungen als eine großartige Sache anpreisen, die in Hamburg zeigt ja, dass man mit Panikmache gegen jedes sinnvolle Argument gewinnen kann – von Minarettverboten in der Schweiz ganz abgesehen – wer hat’s erfunden?
Aber eigentlich wollte ich mal kurz auf die Idee der Grundschule eingehen, die sechs Jahre dauern sollte, wenn man in Hamburg nicht lieber einen kräftigen Schritt nach hinten gegangen wäre. Die Grundschule, so, wie ich sie in meiner Arbeit als Theaterpädagoge erlebe, und da mein bester Freund auch noch ein engagierter Grundschullehrer ist, bekomme ich auch hier ein Bild, die Grundschule also ist ein Schonraum im Bildungssystem. Über Jahre arbeiten die Pädagogen hier daran, dass Schüler selbstständig lernen, dass sie Sozialkompetenzen erwerben, dass sie die Grundlagen bekommen, mit denen sie bald durchstarten können. Das Problem ist nur, dass die Kinder nach nur vier Jahren schon aus diesem Paradies in die Schulen geschickt werden, die eher mit der Hölle des guten alten Frontalunterrichts punkten wollen. Die Kinder, die die Grundschule verlassen, müssen viel zu früh Jugendliche werden, weil sie nun in die Welt der Jugendlichen, der Bravo und der schlechten Vampirfilme geraten – und je nach Schule gibt es auch noch viel schlimmere Verhältnisse, an die sich Kinder gewöhnen müssen, die dafür aber eigentlich mindestens zwei Jahre zu jung sind. Überall auf der Welt unterrichtet man die jungen Schüler anders und länger, nur im deutschen Sprachraum macht man so einen Quatsch.
Hier könnte man übrigens auch von der Walddorfschule lernen, die ihre Schüler die ersten sieben Jahre in festen Klassen mit einem Klassenlehrer und ohne das eh meistens sinnfreie Sitzenbleiben unterrichten, in diesen sieben Jahren werden die Kinder vielfach praktisch angeleitet, es wird ein Fundament gelegt, auch wenn das wissenschaftliche Arbeiten noch gar nicht so sehr vorangetrieben wird – die Schüler sind am Anfang der achten Klasse hinter dem Gymnasium zurück, haben aber ein so gutes Fundament, dass sie – ich seh das am Beispiel der örtlichen Walddorfschule in meinem Landkreis – im Abiturschnitt vor den Gymnasien liegen – von den Gesamtschulen reden wir lieber nicht, die sind in der Parallelexistenz mit dem dreigliedrigen Schulsystem eh nicht konkurrenzfähig, da sie eigentlich nur Schüler abbekommen, bei denen es nicht fürs Gymnasium reicht – eigentlich erstaunlich, dass trotzdem noch so viele Gesamtschüler Abitur machen. Ein ähnlich gutes Fundament könnten mit ein bisschen finanziellem Wohlwollen der Schulministerien auch die Grundschule bieten – nicht mit dreißig Schülern und mehr in den Klassen, wer das verantwortet, gehört wegen Veruntreuung der vorhandenen geistigen Potentiale der Schülerschaft aus dem Land gepeitscht. Mit einem solchen Fundament und einer sinnvollen Reform der weiterführenden Schulen wäre auch das Abitur nach zwölf Jahren problemlos möglich und nicht der Hauptgrund, weshalb ich als Nachhilfelehrer immer Überstunden schieben muss.
Leider wird die sechsjährige Grundschule auch bei uns in NRW und wahrscheinlich großflächig in der wüsten Schullandschaft Deutschlands eine Fata Morgana bleiben – sie wäre ein sinnvoller Schritt in Richtung einer besseren Schulsituation.
Idee: Ein neues, wettbewerbsorien-tiertes Schulsystem
Gestern, als ich mal wieder samstags Nachhilfe gegeben habe, meinte mein Schüler zu mir, dass er stundenlang seinem Lehrer zuhören könnte, nichts verstände, und ich es ihm innerhalb von zehn Minuten dann erkläre, und das dann funktioniert. Ich habe das schon das eine oder andere Mal gehört, und ich weiß, dass meine Kollegen das auch schon mal hören – ich bin durchaus selbstbewusst, aber vermutlich kein totaler Überflieger, ich kann Menschen was beibringen – ist ja auch nicht so schwierig. Also warum ist das so? Warum können wir Nachhilfelehrer Schüler Sachen beibringen, die ihre Lehrer nicht in sie hereinbekommen?
Irgendwann gestern, als ich darüber nachdachte, antwortete ich mir selbst: Ist doch klar, wir werden dafür bezahlt, es den Kindern beizubringen.
Erst habe ich gegrinst, dann habe ich darüber nachgedacht, und dann noch ein bisschen weiter: Es gibt eine Menge Gründe, warum Lehrer nicht wirklich bei ihren Schülern durchkommen, wir haben da gewisse Vorteile, denn wir können uns auf die einzelnen Schüler konzentrieren. Aber es gibt da trotzdem Gründe die mit dem Gedanken zusammenhängen. Der klassische Lehrer an der Schule wird aber eben nicht dafür bezahlt, seinen Schülern etwas beizubringen, genauer gesagt, nicht nur: Lehrer müssen neben ihrem Lehr- und Erziehungsjob auch noch Schüler bewerten, sortieren. Und das ist nur eines, völlig sinnlos.
Jetzt hab ich mir überlegt, ob man da nicht drauf verzichten könnte, die Bewertung quasi outsourcen: Wenn man einfach die Lehrer von ihren sinnlosen Sortierarbeiten entbinden würde, und dafür eine Prüfungsbehörde schaffen, bei der Schüler ihre Prüfungen ablegen. Und die Schulen werden für jede bestandene Prüfung bezahlt, also quasi dafür, dass sie ihren Schülern die besten Möglichkeiten für ihre Entwicklung bieten. Dafür sollte es zwei Arten von Prüfungen geben:
- Reifeprüfungen: Ich denke hier an die Überprüfung von grundlegenden Fertigkeiten, nicht von abfragbarem Wissen. Davon sollte es auch nicht sehr viele geben, in etwa alle drei Jahre sollten Kinder und Jugendliche geprüft werden. Da geht es um prinzipielle Kenntnisse, darum, ob Kinder einen einfachen Text lesen können, und ihn dabei auch verstehen, um Fertigkeiten, um Reifezeichen. Kann ein Kind mit zwölf verständlich einen Text vorlesen? Können Bilder beurteilt werden? Können bei der dritten Prüfung Statistiken gelesen werden, kann man sich in seinen Fremdsprachen in einer einfachen Unterhaltung behaupten? Dazu gehören dann auch die Abschlüsse, eine Art mittlere Reife, ein Abitur.
- Fachprüfungen: Hier geht es um Fachwissen, hier geht es um Spezialisierungen, Prüfungen in Naturwissenschaften und Fremdsprachen, aber natürlich auch in künstlerischen Bereichen oder Sport. Hier sind nur die jeweils ersten Stufen Pflicht, damit man zu den Reifeprüfungen zugelassen wird, aber weitere Ausbaustufen sind möglich und natürlich erstrebenswert.
Beide Arten von Prüfungen sollten die einzigen Möglichkeiten sein, dass Schulen an Geld kommen, viel für die Reifeprüfungen und elementaren Fachprüfungen, weniger für die Ausbaustufen. Bei als in der einen oder anderen Weise behinderten Kindern, gibt es besondere Zuwendungen, weil die nun mal auch mehr Betreuung erfordern – so könnten integrative Klassen auch für „normale“ Schulen aus Wettbewerbsgründen sinnvoll sein.
Besonders erfolgreiche Schulen können dabei durchaus Gewinn erwirtschaften, aber auch andere Schulen sollten mit ihrem Geld auskommen, wenn sie denn gut arbeiten. Dabei sollte völlig egal sein, ob nun die Städte, irgendwelche Kirchen oder Vereine oder Betriebe die Trägerschaft der Schulen haben – vielleicht mit Einschränkungen bei religiösen Trägern, denn eigentlich sollten die wie Parteien keine Möglichkeit haben, Schulen zu führen … aber das führt gerade vom Thema weg.
Das nun geschilderte Prinzip würde natürlich sehr vieles verändern, hätte aber fast durchgehend nur Vorteile: Zum Beispiel würde die Motivation der Schüler größer sein – Ziele wären einfach viel durchsichtiger, auch pubertierenden Jugendlichen klarer, und vor allem würden die Lehrer ganz eindeutig auf der Seite der Schüler stehen – allerdings mit dem Nachteil, dass unfähige Lehrer nicht mehr über Noten Druck machen können – ohne eigene Autorität ist man da schon ein wenig aufgeschmissen. Aber wenn man näher an den Schülern ist, bekommt man deutlich mehr in ihre Köpfe – und wenn man nicht ans Sortieren denken muss, dann fallen da einfach viele Schranken weg.
Ja, Prüfungsangst könnte ein Problem werden, aber natürlich funktioniert das nur, wenn man Prüfungen unbeschränkt wiederholen kann. Und es darf ruhig egal sein, in welchem Alter man welche Prüfungen macht, was ist das Problem dabei, wenn jemand seine mittlere Reife erst mit 18 macht? Oder das Abitur schon mit 14? In einem flexiblen System ist das alles machbar, und es muss noch nicht mal zu Problemen führen – ach so, ja reformpädagogische Ansätze kämen vermutlich schnell in die Schulen … wird ja auch langsam Zeit.
Natürlich ist das nur ein Wunschtraum, denn so viel Wettbewerb werden die wettbewerbsgierigen Politiker der Regierung nie akzeptieren. Keine Kontrolle mehr über Schulen? Keine Bürokratie mehr außerhalb einer sicherlich durchaus bürokratischen Prüfungsbehörde? Klingt für normaldenkende Menschen vermutlich gut, für die großen Besitzstandswahrer unter den (schlechten) Lehrern – die guten müssten sich ja nicht fürchten -, unter Politikern und Kirchenfunktionären werden sich wahrscheinlich erschreckt abwenden … aber ich finde, man könnte da durchaus mal drüber nachdenken.
Quick – Prügelmörder und Amokläufer
Uh, ja, da passiert wieder was, Leute werden umgebracht, weil sie Kinder beschützen wollen – und die Polizei kommt immerhin noch früh genug um die Täter zu verhaften, war sicher ein beruhigender letzter Gedanke … und es gab wieder einen Amoklauf, wieder Süddeutschland, haben wir da eine Serie?
Die Gebetsmühle der Konservativen ist natürlich wieder angesprungen und man hört: „Härtere Strafen!!!!“ – Jo, deswegen gibt es ja in den USA so wenig Straftaten – immerhin droht da die Todesstrafe – ja, ich find das jetzt auch total witzig. Könnten wir uns auf etwas einigen? Immer dann, wenn jemand von Abschreckung in Sachen Verbrechen spricht, dann Lachen wir mal alle halbherzig und setzen ihn auf die Wuttreppe.
Wenn wir eine kleine Serie von schlimmen Gewaltausbrüchen bei Jugendlichen in Süddeutschland haben, dann gibt es da offenkundig ein Versagen des Bildungssystems – da muss angesetzt werden … härtere Strafen … oh man!
Aber zumindest der Amoklauf hat uns doch auch eine positive Nachricht gebracht. Der Typ war nicht im Schützenverein, sein Papa auch nicht (und sein Papa hat ihm auch nicht vorsorglich eine Menge Munition gekauft) – und schon gab es keine Todesopfer … ist ja nur so eine Tatsache … wollte ich nur mal so angemerkt haben …
Quick – Bildung im Streik
Wenn ich heute in die Zeitung schaue und von den Studenten- und Schülerprotesten lese, dann werde ich ja fast wehmütig – in meiner eigenen Studentenzeit gab es Ende der Neunziger schon mal einen Studentenstreik und ich war mittendrin.
Und das Schlimme ist, es ist seitdem nichts besser geworden, eher im Gegenteil. Heute bin ich immer noch mit Bildung beschäftigt, und auch wenn ich als Nachhilfelehrer von den eklatanten Schwächen der Schulen lebe, stellt sich bei mir kein gutes Gefühl ein. Dass das G8 – zumindest so, wie es hier in NRW verwirklicht wird – ziemlich krank ist, schlecht geplant, schlecht durchgeführt – habe ich schon mal in diesem Blog beschrieben. Dass die Bachelor- und Master-Studiengänge die Uni auch nicht gerade bereichern, ist absolut nachvollziehbar. Wenn ich im Moment von Bekannten aus der Lehrerausbildung höre, graust es mir.
Die Bildung ist am Abgrund. Und die Politik schiebt immer noch ein Stückchen weiter. Es will keiner mehr Lehrer werden – weil die Arbeit unzumutbar ist, weil Klassenstärken über 24 Kindern schon nicht mehr gehen und meistens 30 unterrichtet werden müssen. Weil Elternhäuser nicht mehr erziehen, weil Schulen schlecht ausgestattet und teilweise abbruchreif sind. Weil Bürokratie bestimmt, weil immer mehr vorgeschrieben wird, weil Bildung kleingeschrieben und Funktionieren groß. Humanistische Bildung – nun machen sie sich aber mal nicht lächerlich!
Sechs Jahre Grundschule, ein einiges Schulsystem (hier in NRW gibt es nebeneinander Gesamtschule und Haupt/Real/Gym – und beide Systeme gehen gerade kaputt – mehr Lehrer in die Klassen, an jede Schule einen Psychologen, der Probleme anpackt – und bitte auch wieder wirklich fördern und fordern – denn das Niveau ist mit dem Zentralabitur keinen Deut gestiegen, eher ist das Gegenteil der Fall – das alles wären Beiträge zur Verbesserung. Lebenswichtige Fächer sind nicht nur Mathe und Englisch – Kunst und Musik sind es auch, und auch Sport – aber da wird immer weiter gekürzt.
Bildung ist unserer Gesellschaft nichts wert, zumindest dem Staat nicht. Viele Eltern geben viel Geld für Unterrichte aus – und die, die dieses Geld nicht haben? Die fallen runter, auf das die Schicht der ängstlichen Bildleser, Pocher-Fans und sonstigen ungebildeten Leichtregierbaren immer größer wird.
Wenn heute Studenten und Schüler Privatbanken besetzen und hier und da auch mal was kaputt machen, ist das sicherlich nicht die feine englische Art – aber wenn mit den Mitteln der Demokratie nichts mehr machbar ist, weil man in Parteien unter 30 nichts ist, und unter 40 immer noch die Deppenarbeiten machen darf, weil sich die wohlhabenden Politiker doch nicht für die einfache Schulpolitik interessieren, weil da einfach keiner die Augen aufmacht und sich lieber in wohlfeile Parolen vom Turbo-Abi flüchtet, und in Exellenz-Unis und so einen elitären Blödsinn – ja, es ist völlig in Ordnung, wenn es all das gibt, aber wichtig wäre erstmal was anderes.