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Kriegsgeneration
Als wir da saßen, am Donnerstag nach dem Kino bei dem Schnellrestaurant mit dem B und dem K, und über Frauen und Essen sprachen, da wurde es plötzlich aus diversen Gründen philosophisch. Es fiel uns etwas auf. Vielleicht zum ersten Mal in deutscher Geschichte wächst nun eine Generation in Deutschland auf, die fast gar keinen Kontakt mit dem Krieg mehr hat. Heutige Großeltern sind zumeist im Krieg geboren, haben ihn als Kinder und Jugendliche noch so halb mitbekommen, viele sind aber schon nach dem Krieg geboren. Außer ein paar armen Menschen, die heute nach Afghanistan geschickt werden, um sich dort unbeliebt zu machen, gibt es keine Kriegsteilnehmer mehr, mit denen heutige Kinder sprechen können.
Was für ein Segen, der letzte Krieg in Deutschland liegt über sechzig Jahre zurück – wir sollten springen und tanzen und überhaupt nur jubilieren. Wenn nicht … offenbar ist der Krieg lang genug zurück, wenn ohne Not deutsche Soldaten eben nach Afghanistan geschickt werden, in einen Bürgerkrieg, in ein Land, in dem niemand darauf gewartet hat, dass deutsche Soldaten kommen und Menschen bombardieren, die Brennstoff haben wollen, oder Autofahrer erschießen, die nicht früh genug anhalten. Das wäre vor zwanzig oder dreißig Jahren noch nicht möglich gewesen, weil da noch viel mehr Menschen lebten, die laut und deutlich sagten: ‚Krieg ist Scheiße! Ich weiß es, ich war dabei!‘
Ich denke aber auch, dass es sich auswirken wird. Meine Oma sprach täglich vom Krieg und der Vertreibung, sprach täglich von der Angst. Mein Opa sprach nicht, er trank. Beides hat mich geprägt, ich wusste schon früh, dass ich Krieg verabscheute, dass Pazifismus die einzige Möglichkeit war, eine eigene Meinung zum Thema zu entwickeln. Man kann versuchen, diese Erfahrungen eine Generation weiterzugeben, aber heute wird man wahrscheinlich pädagogisch sinnvolle Altersstufen dafür finden – ich war noch nicht in der Schule, als ich alles Mögliche über den Krieg hörte, ob das zu früh war, darüber hat niemand nachgedacht. Und weil es so früh war, hat es mich geprägt. Mit der Zeit habe ich die doppelte Erfahrung meiner Großeltern verstanden. Sie waren Kinder, als der Erste Weltkrieg begann, zwei oder drei Jahre alt. Sie waren noch nicht in der Schule, als sie das erste Mal fliehen mussten. Sie waren Erwachsene mitten im normalen Erwerbsleben, hatten ein Kind, als der Zweite Weltkrieg begann, und ihre ganze Welt zerstört wurde – der Erste Weltkrieg gab ihnen kindliche Traumata, der Zweite nahm ihnen alles.
Wir dürfen das nicht vergessen und wir müssen es auch weiter erzählen, immer wieder!
Quick – Bombenangriff in Afghanistan
Naja, so ganz kann ich die Klappe nicht halten, wenn die Nachrichten davon voll sind – wobei, ergeht man sich da nciht ein bisschen arg in den Details? Natürlich muss die Sache aufgeklärt werden, wenn da zehn Taliban und 90 Zivilisten getötet werden, oder doch dreißig Taliban und hundert Zivilisten, oder vielleicht … aber letztlich ist doch das Zahlenverhältnis gar nicht so wichtig. Da sind viele Menschen gestorben, verbrannt und verstümmelt, und egal, wie sich Herr Jung im Schönreden hervortut, es waren Zivilisten dabei, und das vermutlich in signifikanter Zahl – ein Bombenangriff, ausgeführt von amerikanischen Bombern, befohlen von einem Offizier der Bundeswehr, der eine nicht unbeträchtliche Zahl von zivilen Opfern fordert. Was will man uns damit beweisen? Dass „wir“ wehrhaft sind? Dass die Bundeswehr sich nicht vorführen lässt? Dass Herr Jung die Aktion mit voller Kraft verteidigt, ist vollkommen klar – es geht schließlich um seinen Allerwertesten, und es geht ja auch noch um den Wahlkampf.
Dass die Linke, die sich als einzige im Bundestag vertretene Partei, die gegen Kampfeinsätze der Bundeswehr ist, jetzt zum Halali ansetzt, ist natürlich und auch durch und durch aus deren Sicht berechtigt. Aber auf der anderen Seite lässt sich solch ein Angriff natürlich auch für die CDU gut umsetzen, am rechten Rand wird die Bomberei sicherlich begrüßt.
Die Gefahr, die jetzt besteht, ist ein ernsthafter Terroranschlag gegen deutsche Soldaten oder auch hier in Deutschland – etwas, mit dem man schön Angst machen kann und die Menschen wieder schön zu Frau Merkel drängen kann – der Bombenangriff auf die Tanklastzüge provoziert sowas ja auch … Gewalt erzeugt Gegengewalt, und jeder Angriff in Afghanistan, jeder Monat der Beatzung, erzeugt wunderbar importierbaren Terrorismus. Wenn wir uns bisher noch nciht genug Angst haben einjagen lassen, dann muss man halt den Druck erhöhen …
Ach, ich spekuliere .. aber wenn wenige Wochen vor einer wichtigen Wahl so folgenschwere Sachen passieren, muss man halt immer fragen, ob sie zufällig an einem solchen Zeitpunkt passieren …
Quick – Afghanistan
Wieder sind deutsche Soldaten gestorben, wieder gibt es eine Menge Betroffenheit, und ganz nebenbei ergeht sich der Verteidigungsminister in Kriegsministerlyrik – da hat sich offenbar jemand im Job vertan. Mich macht vor allem eines betroffen: Da spricht dieser Minister, dieser Franz Josef Jung, davon, dass „wir“ – also seine Soldaten – dort „dem Terrorismus entgegentreten“. Das ist nichts anderes als eine freche Lüge. Dort wird Terrorismus geweckt, gezüchtet, gehegt und gepflegt und die dortigen Soldaten auch aus Deutschland sind der Dünger.
Wenn man in fremde Länder eindringt, egal mit welchem vordergründigen Ziel, wird man dort selten große Freude wecken, und in diesem Fall weckt man einfach nur Hass und immer mehr Hass – warum sonst sind Menschen bereit, sich selbst umzubringen, wenn sie auch ein paar Soldaten mitnehmen können? Klare Sache also, mit den kriegerischen Tönen des Herrn Jung und immer weiterer kriegerischer Aktivität der Bundeswehr wird man vielleicht noch einen kräftigen Anschlag in Deutschland generieren, woraus man von Seiten der CDU sicherlich auch noch ein paar Stimmen gewinnen kann.
Quick – Erinnerungen für Nachgeborene IX
Wer nach 89 aufgewachsen ist, wird es sich nicht wirklich vorstellen können. Früher war es absolut normal, dass Tiefflieger über die Landschaft donnerten, hier im Bergischen manchmal kaum höher als die Höhenzüge ringsum. An manchen Tagen kamen die „Beschützer“ – wie wir politisch-zynisch sagten – alle paar Minuten, und sorgten für bellende Hunde, weinende Kinder und Ohrenschmerzen. Sehr angenehm, dass sich die Bundeswehr solche Fliegerei nicht mehr leisten kann.
Zwischenruf: Alte Männer mit Peitschen
Was klingt, wie ein ganz schmuddeliges Video, dreht sich natürlich um Indiana Jones, der vierte Teil. Den habe ich nämlich gestern gesehen, also gestern Abend in Köln und auf Englisch – dummer Fehler, mein Englisch ist nur mittelmäßig und wie soll man da all die genuschelten Gags verstehen … dumme Sache, wenn andere MitinsKinoGeher Leute anschleppen, die nur mitkommen wollen, wenn der Film im Originalton gezeigt wird. Ich find es gut, dass bei uns Filme synchronisiert werden! Auf Deutsch kann man sie nämlich besser verstehen. (Übrigens schaue ich mir recht häufig Sachen auf Englisch an, allerdings erst, wenn ich sie auf Deutsch schon kenne.)
Also zum Film: Jepp, Indy-Feeling pur. Der trockene Humor, einige wunderbar unrealistische Szenen, grandiose Verbeugungen vor anderen Filmen des Abenteuer-Genres, abgedrehte optische Gags, nette Ekeleffekte, ein wirklich guter Sidekick zum alten Mann, eine Frau an Indys Seite, die ihm erst kräftig einheizt und sich dann von einem eher dämlichen Spruch zu einem verliebten Teenager wandeln lassen darf. Hach, da gibt es einfach viel zu lachen, man kann sich unterhalten lassen, wie man außer von Stephen Spielberg nur selten von jemandem unterhalten werden kann. Nebenbei spielt Harrison Ford auch wirklich gut, es gibt hübsche Momente, die man so gar nicht erwartet hätte …
Irgendwie machte mich der Film fast sentimental. Ich habe die ersten Teile natürlich nicht im Kino gesehen, so alt bin ich ja nun auch nicht, aber als ich – was eine dieser doofen Geschichten ist, die sich mit den Jahren so ansammeln – bei der Bundeswehr war, hatten wir da einen Flipper, einen Pinball, den man mit einer Pistole startete. Dieser Indiana Jones-Flipper war eine der wenigen kleinen Freuden, die man bei dieser starken Truppe – *kicher* – hatte. Das Ding war damals schon nicht mehr der neueste Schrei, und dieses unselige Geschehen – also meine Anwesenheit bei den Flecktarnäffchen – liegt nunmehr mehr als ein Jahrzehnt zurück. Da ist das erste Anspielen des Indy-Motivs schon irgendwie ein schräger Moment.
Achso, klar, ich muss ins Kino, ganz bald, möglichst noch heute … Indy 4 schauen … auf Deutsch!