Blog-Archive

Quick – Fitch / Rating / ach, fitcht euch doch!

Jetzt mal ernsthaft! Sollen wir die Deutsche Bank verteidigen? Gegen eine wildgewordene Ratingagentur? Weil sie Fitch nicht genug Geld in den Rachen wirft?
Da bekämpfen sich ein paar Drachen, die auf dem so herrlich freien Markt entstanden sind, und am Ende wird einer der Drachen vielleicht untergehen. Es wäre schön, wenn uns das egal sein könnte. Aber diese Drachen können das halbe Land mitnehmen, es sind Untiere, deren Verbrechen die Politiker der etablierten Parteien alle legalisiert haben. Niemand hat einen Drachenspeer in der Hinterhand.
Warum wohl wirken die Politiker der Regierung im Moment so getrieben? Sie wissen, dass sie die Monster losgelassen haben, sie freuen sich immer noch über das Geld der Monster, dass ihnen zufließt, aber so langsam merken sie, dass jeder Weg, die Untiere zu besiegen, über ihre politischen Leichen gehen wird. Und das Interesse, dass die widerlichen Viecher vom Himmel geholt werden, das wächst und gedeiht.
Was passiert da? Warum droht Fitch der Deutschen Bank? Weil Fitch die Politik der Deutschen Bank bestimmen will – das ist doch nichts anderes als eine klare Erpressung. (was die EU samt Troika mit Griechenland macht, ist übrigens auch eine klare Erpressung: spat euch kaputt, wie wir auch unsere Staaten kaputt gespart haben, kauft uns gefälligst trotzdem unsere Waffen ab usw.) – Wenn Fitch die Politik der Deutschen Bank bestimmt, bestimmt sie auch die Politik Deutschlands und der halben EU mit. Denn was ist Frau Merkel anderes, als die willfährige Marionette Ackermanns?

Quick – Parteienlandschaft

Ach ja, morgen ist die Wahl in Berlin, also weit weg und eigentlich nicht so wichtig für mich, aber ein Blick in die Zeitung, etwas, was jeden Tag irgendwie unerfreulicher wird, hat mich ein wenig Grübeln lassen. Die Umfragewerte wurden verhandelt, Rot-Grün wird wohl gewinnen, selbst wenn die CDU – was wohl jenseits aller Wahrscheinlichkeiten ist, noch mal richtig an Punkten zulegt, hat sie keinen Partner, außer eventuell den Grünen, und warum sollten die mit einem ausgewiesen immer wieder korrupten und sehr konservativen Berliner CDU-Landesverband zusammen arbeiten wollen – dann doch lieber Wowi, kann man verstehen. Der FDP hat die heute-show gestern schon einen Nachruf gewidmet – was ich ein wenig gefährlich finde, die Leute von der FDP sind üblicherweise zäh, und einfallreich auch, die kommen wieder – das tut im Herzen weh, denn eigentlich müsste nun langsam für alle klar sein, dass alles, wofür die FDP steht, und sie steht nur für Steuersenkungen und offene Märkte, gescheitert ist. Naja, morgen wird sie keine Rolle spielen, dafür werden sich gleich zwei andere Parteien freuen, die liberal denken – wenn auch nicht neoliberal. Liberal hat ja was mit Freiheit zu tun – bitte nicht mit der Partei „Die Freiheit“ verwechseln, das sind rechtsradikale Islamhasser, die Jünger Sarrazins und Broders, Kreuzritter im Geiste – wo war ich, richtig, liberal hat was mit freiheit zu tun, und die kann man von den etablierten Parteien am Ehesten bei den Grünen vermuten, aber die werden auch noch mal von den Piraten überholt, die wohl zum ersten Mal in ein Parlament einziehen. Und die fordern eine große Freiheit – erstmal eine Freiheit im Internet, damit haben sie ja angefangen, und dass macht sie für mich als Blogger erstmal interessant. Aber auch sonst hat die Freiheit bei ihnen eine klare Vorrangstellung, was ja erstmal kein Nachteil ist. Zusätzlich macht man sich hier auch Gedanken, wie diese Freiheit denkbar und erreichbar ist, zum Beispiel eine Freiheit von Geldzwängen, die in der Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) gipfelt.
Das BGE halte ich prinzipiell für eine gewagte, aber auch sehr gute Idee – wenn auch eher als positive Utopie, eine Sache, die richtig wäre, aber noch sehr weit weg ist, wenn man vom Weltbild der Gesellschaft ausgeht. Das ist nicht die einzige gute Idee, die man bei den Piraten hat, allerdings ist das Bild der Partei sehr uneinheitlich, sozusagen ein Nachteil davon, dass sie die Sache mit der Demokratie recht ernst nehmen – etwas, was sich sogar die Grünen irgendwann abgeschminkt haben. Die sind auch mal mit Rotationsprinzip gestartet und mit einer großen Diskussionsfülle.
Insgesamt sind mir die Piraten mal grundsätzlich sympathisch, und sie werden hoffentlich jetzt einiges an Diskussionen auch in der Gesellschaft lostreten, wenn sie in einem Landesparlament sitzen und man ihnen hier und dauch mal zuhört – es gibt ja jetzt genug politische Talkshows in der ARD, vielleicht schaffen die es, auch den Piraten mal ein bisschen Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Linken werden schwächer abschneiden als zuletzt, was eigentlich schade ist. Und das nicht nur, weil Gysi vor wenigen Tagen diese Rede hielt:

Und diese Rede ist nicht nur gut, sie ist erstklassig. In einem Bereich würde ich quasi alles unterschreiben, was Gysi sagt, im Bereich der Wirtschaftspolitik. Alles, was Gysi da über Lobbyismus und die Gefährdung der Demokratie in diesem Bereich sagt, ist einfach wahr. In Sachen Kapitalismus muss etwas getan werden, es geht darum, dass dieses System untergeht, dass die Zukunft ernst macht und man etwas dagegen tun muss.
Wenn man dann aber Fidel Castro Geburtstagswünsche schickt, und sich auch sonst schlecht verkauft, wird man nicht gewählt. Natürlich auch, wenn man von der Kanzlerinnenpresse ständig aufs Härteste bekämpft wird.
Wie sagt Volker Pispers so richtig: „Die Deutschen halten die einzige Partei, die sich für das einsetzt, was alle für richtig halten, für linke Spinner!“
Ja, die Linke und die Piraten wären für mich eine interessante Frage, wenn ich morgen in Berlin wählen würde. Die anderen Parteien haben einfach keine wirklichen Antworten auf die Zukunft.

Die DDR – das Mauerjubiläum

Der Bau der Berliner Mauer jährt sich gerade zum fünfzigsten Mal und die Presse überbietet sich geradezu dabei, den Schrecken der Mauer und der heutigen Linkspartei immer gemeinsam zu beschwören. Da ich Pauschalisierungen nicht mag, versuch ich mal, mir da eigene Gedanken zu zu machen.

Ich bin ein gutes Jahrzehnt nach dem Mauerbau geboren, bin mit dieser Mauer aufgewachsen, und hatte auch persönlich keine Probleme damit. Wir hatten sehr ferne Verwandtschaft „drüben“, Oma und Opa bekamen immer leckeren Baumkuchen geschickt, wenn sie mal wieder ein Paket mit Kaffee und ähnlichem hingeschickt hatten – und das war alles, ich weiß noch nicht mal, wie die Leute dort mit uns verwandt waren. Ansonsten gab es das seltsame Gemisch an Gedanken, mit dem man so aufwächst. Das eigene sehr frühe Positionieren auf der linken Seite der Macht brachte einem schon mal ein „Dann geh doch nach drüben, wenn du groß bist!“ ein, aber in dem Moment, in dem man verstand, was denn Sozialismus hieß, was Kommunismus hieß, wusste man auch, dass der Zustand in der DDR damit relativ wenig zu tun hatte. Beide Denkmodelle sind für mich nicht mit Diktatur denkbar, das ist kontraproduktiv, und deswegen gab es für mich auch mit Sicherheit keinen Wunsch, mit dem dortigen Regime irgendwas zu tun zu haben.

Dann kamen der Mauerfall und die Euphorie, auch für mich, keine Frage. Da hatten sich Leute die Freiheit erkämpft, ich war Freidenker – ich hoffe, ich bin es noch – und für mich ist die Freiheit ein großer Wert – nur leider kam dann auch der schnelle Aufkauf, die Annektierung der DDR durch die BRD – wie viele Linke habe ich damals auf eine wirklich demokratische Republik im Osten gehofft, einen Staat, der einen Neuanfang macht. Wo etwas so großes, wie diese friedliche Revolution geglückt war, da könnten doch auch neue Ideen entstehen, das Beste aus beiden deutschen Ländern gemeinsam aufgebaut werden, und dann hätte man sich mal für 2010 oder so eine Wiedervereinigung in Aussicht stellen können. Das habe ich damals gedacht und gehofft – aber es kam anders. Die BRD schwappte wie die Sintflut in die DDR hinein, hier wurden keine neuen Ideen verwirklicht, sondern ein System, dass schon im Westen die Schere zwischen Arm und Reich immer größer aufklaffen ließ, einem Staat aufoktroyiert, der das nicht verdient hatte. Mit der augenscheinlichen Lüge von blühenden Landschaften wurde Kohl für noch weitere acht Jahre Bundeskanzler, die ethische Stagnation ging weiter, die Zügellosigkeit der Wirtschaft wurde schlimmer, und die Menschen im Osten als Ossis zu Witzfiguren gemacht.

Wenn die Zeitungen heute auf den Mauerbau zurückschauen, dann haben sie natürlich Recht, wenn sie sagen, dass die Mauer Unrecht war. Natürlich war jeder Mauertote zu viel, und es ist nicht in Ordnung, Leute nicht reisen zu lassen – andererseits, wie sieht es mit der Reisefreiheit denn heute so aus? Klar, wir können überall hin, aber die Reisefreiheit von Nordafrikanern beschneidet Europa sehr gern, und wenn hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil es da keine Reisefreiheit gibt, dann ist das für die gleichen Zeitungen, die heute noch jeden Mauertoten beweinen, kaum mal eine Meldung wert. Und wenn die Linkspartei ständig daran erinnert wird, dass man sich gefälligst andauernd vom alten DDR-Regime zu distanzieren habe, dann drückt das zweierlei aus, Siegermentalität vor allem, und natürlich auch ein Ausnützen einer Daumenschraube, die man fröhlich drehen kann – eine schöne Sache, wenn der politische Gegner sowas mitbringt.

Wie ich heute Morgen las, sei es ein Skandal, dass die SPD mit der Linken koaliert – ich halte es eher für Demokratie. Und wie schrecklich es sei, dass dreißig Prozent der Ostdeutschen die Mauer zurücksehnen. Ich denke, das ist recht einfach zu erklären. Es gibt mehrere Faktoren.  Erstens Pragmatismus – aus dem heraus haben vermutlich lockere fünfzig Prozent der DDR-Bürger sich in der damaligen Zeit gar nicht so eingesperrt gefühlt, waren froh, dass sie gut leben konnten – auch wenn sie keine Bananen hatten. Viele Menschen kümmern sich gar nicht so sehr darum, wer sie regiert, für sie ist Freiheit gar kein so großer Wert. Und die hatten viel, dass ihnen heute fehlt. Sie waren akzeptiert, waren auf ihre Arbeit stolz und mochten ihr Leben, sie hatten wirtschaftliche Sicherheit, wussten wo sie dran waren. Und dann kamen die Wessis und sagten ihnen, dass sie ja vierzig Jahre lang nicht gearbeitet haben, dass sie bankrott waren – sind wir übrigens heute auch, und die USA ist bei weitem schlimmer dran, als es der DDR je ging -, dass ihre Lebenserfahrung nichts mehr wert war, und der Druck wurde höher. Es gab plötzlich Arbeitslosigkeit, und wie wertlos muss man sich vorkommen, wenn man zig Jahre in einem Betrieb gearbeitet hat, und der zugemacht wird, weil er sich ja nicht lohnt. Jeder dieser Menschen, der heute meint, dass er es damals besser hatte, dem kann man nur zustimmen – denn auch wenn ich persönlich Freiheit recht wichtig finde, warum sollten sie sie genauso wichtig finden? Wie arrogant man sein kann.

Natürlich gab es auch Menschen, die vom System profitierten. Zu einem gar nicht so kleinen Teil sogar auf unethische Art und Weise – aber das war wohl wenigstens ein bisschen ehrlicher geordnet. Wer damals bekanntermaßen Parteibonze und/oder Stasimitarbeiter war, von dem wusste man wenigstens, dass er ein Arschloch war und was man von ihm zu erwarten hatte. Nach der Wende kamen Versicherungsverkäufer und Vermögensberater, die sahen respektabel aus, und machten die Not größer – und ein Bundeskanzler log einen an, und trotzdem jubelten alle, da musste viel Naivität abgebaut werden, da kannte man sich in seiner Welt nicht mehr aus, ging Schmarotzern auf den Leim. Und natürlich auch Rattenfängern. Nazis gibt es da, wo es keine Ausländer gibt, in reichen Scharen, hier wo man mit den Ausländern zusammenlebt, weiß man ja schließlich, dass das auch Menschen sind, und gar nicht so unterschiedlich – dort konnte man wunderbar Ressentiments schüren und auf den durchaus nationalistischen Gedanken des alten Regimes aufbauen. Und wenn man heute sieht, was die CDU-Regierung in Sachsen und ihre Polizei so machen, dann weiß man, wo die Stasiseilschaften gelandet sind.

Von der Linken zu fordern, sich von der DDR zu distanzieren ist scheinheilig, und auch perfide. Würde sie es tun, dann würde man denen ins Gesicht schlagen, die schon so oft geschlagen worden sind, dann würde man sich in der Linkspartei der Siegermentalität anschließen, und das wäre auch nicht in Ordnung. Wie schon oben geschrieben, natürlich war die Mauer, die Grenze in der Form Unrecht, und es ist immer eine Frage, in wieweit man Unrecht relativieren kann, und jede Relativierung muss den Opfern wehtun, keine Frage. Aber wie war das in diesem Sagenbuch: „Wer von euch frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ – und von daher darf kaum eine politische Partei da das Maul aufreißen, am wenigsten die Union, und das nicht nur wegen schwarzer Kassen und verbrecherischer Ehrenworte, sondern vor allem auch wegen einem sehr hohen Nazidurchsatz nach dem zweiten Weltkrieg. Wenn die Linke, als Nachfolgepartei einer Nachfolgepartei sich von dem distanzieren soll, was die alten Kader damals getan haben, von denen schon langen keiner mehr eine große Rolle in der Partei spielt, dann muss sich die CDU auch entschieden von den Nazis in ihrer eigenen Geschichte distanzieren. Dann muss man sich auch endlich von Schwarzgeld-Schäuble trennen und  jede Menge Korruption endlich offen legen. So lange das nicht passiert, sollte man auch anderen Parteien nicht sagen, was die zu tun haben.

Man soll aus der Geschichte lernen. Das könnte man endlich mal tun. Und wenn diese Mauer in Berlin uns irgendwas beibringen könnte, dann wäre es, dass wir niemanden durch Mauern aussperren sollten. Das gilt für die Festung Europa, das gilt für die Mauer, die die US-Amerikaner in Richtung Mexiko gebaut haben und noch bauen – da sind die Berliner Mauern von heute – lernt daraus!

Mehr Clowns in die Politik!

Ein wenig talentierter Politiker der CDU namens Mißfelder hat in der „Welt“ ein Interview gegeben, und dabei zu dem Vorschlag eines Parteikollegen, man sollte Persönlichkeiten zum Beispiel aus der Kunst in die Gremien schicken, gesagt: „Bürger, die sich in Vereinen engagieren, sind geborene Kandidaten für öffentliche Ämter. Aber Künstler? Vielleicht sollten wir es einmal mit einem Clown versuchen …“
Um ehrlich zu sein, ich finde, es gibt schon genug Clowns, wie zum Beispiel Philipp Mißfelder, in der Politik. Ich glaube auch nicht, dass sich viele Künstler auf das Niveau der CDU herunterbegeben wollen, von daher halte ich diese Möglichkeit eh nicht so realistisch.
Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass ein Zivilversager wie Mißfelder keine Ahnung hat, was Clowns so tun, und dass jeder, der einen guten Clown geben kann, sicherlich mehr Grips haben muss, als man für eine Karriere bei der CDU braucht – man kann sich also sicher sein, dass Clowns hier ignoranterweise abwertend gemeint sind. Die ganze Aussage ist also schon von vornherein ungeheuer selbstdisqualifizierend … aber was mich erst so richtig ankotzt, ist die unglaubliche Arroganz gegenüber der Kunst, die dieser Mißfelder sich erlaubt.
Vieles in mir sagt: Wie war noch mal der Spruch? Was kümmert es den Baum, welche Sau sich an seiner Borke schubbert? – Aber nein, es geht mir auf den Keks! Künstler kümmern sich, Künstler sind das Gewissen der Welt, die Leute, die anderen Leuten das Leben lebenswert machen – nebenbei sind sie auch noch quasi durchgängig Geschäftsleute, müssen mehr organisieren, als solch ein Politiker so vorstellen kann. Der einzige Grund, weshalb Künstler sich nicht um Politik kümmern können, hat mit der Fähigkeit nichts zu tun. Sie haben dafür keine Zeit! Sie müssen sich um Wichtigeres kümmern!

Fukushima und der Wahlkampf

Tagelang war man fast sprachlos, hat die Bilder gesehen, hat gesehen, wie Siedlungen einfach weggespült wurden, hat gesehen, was für ein Leid über Japan hereingebrochen ist. Und dann, sehr schnell, wurde klar, dass der Welt ein weiterer Atom-GAU bevorsteht. Gedanken an 86 wurden bei mir wach, Tschernobyl, die Erkenntnis, dass es nicht nur auf beiden Seiten des damals noch vor sich hin bibbernden kalten  Krieges genug Potential an Atomraketen gab, um die Erde mehrfach zu zerstören – ja, viele davon gibt es auch heute, aber damals erschienen sie irgendwie realer -, sondern dass auch die zivil genutzte Atomkraft ein schrecklicher Irrweg ist. Strahlung ist so wenig greifbar, sie kommt einfach kalt und unsichtbar daher und bringt uns um – so ist sie, die Strahlung.

86, als in Tschernobyl ein Atomkraftwerk in die Kernschmelze überging, da war ich elf. Ich hatte keine große Angst – ich war zu dem Zeitpunkt ziemlich rational geprägt – ich dachte über Halbwertszeiten und Strahlung nach, darüber, dass man kaum etwas wirklich gegen Strahlung machen kann – und rational, wie ich war, wurde ich sofort zum Atomkraftgegner.  Ein logisch denkender Mensch, der auch noch ein ethisches Grundgerüst hat und nicht ‚Nach mir die Sintflut!‘  denkt, der kann Atomkraft gar nicht befürworten, das geht gar nicht. Die Logik sagt nun mal, entweder ist etwas in seinen Folgen beherrschbar und ungefährlich – dann kann man das machen – oder es ist eben dieses nicht – und dann darf man es auch nicht machen. Tertium non datur.

Nun ist das verheerende Erdbeben in Japan noch keine Woche her, und die Heuchelei bei uns treibt Blüten,  wie man sie nur selten sehen und hören musste. Die Regierung mag momentan denken: ‚Hätten die Japaner doch kein Atomkraftwerk an so exponierter Stelle gebaut!‘  der GAU in Japan ist für eine Regierung die gerade beschlossen hat, dass es total sinnvoll ist, Atomkraftwerke möglichst lange in Betrieb zu halten, damit die Energieunternehmen möglichst viel verdienen, natürlich auch ein GAU. Die mediale Reaktion, speziell von der Regierung und den ihr nahestehenden Journalisten ist mehrfach heuchlerisch und offenbart einen guten Teil Panik. Die erste Reaktion war, dass man auf dem Rücken der Opfer von Japan keinen Wahlkampf machen dürfte  – und das ist prinzipiell gar nicht mal so falsch. Wenn es denn nicht so verlogen wäre. Hätte man das ernst gemeint, dann hätten sich die Parteien einigen sollen, die Landtagswahlen um ein paar Monate, halt so lange wie es rechtlich geht, zu verschieben. Denn es stimmt ja, Wahlkampf sollte nicht mit Katastrophen gemacht werden. Das Problem ist nur, es gab zu diesem Zeitpunkt aus den Reihen der Opposition nur Fassungslosigkeit gegenüber dem Leid der Japaner, und relativ verhaltene Hinweise darauf, dass die Situation zeigt, dass es richtig war, aus der Atomkraft aussteigen zu wollen, – kurz man sagte das, was man schon seit vielen Jahren sagt, nämlich „Nein“ zur Atomkraft. Da hatte noch gar kein Wahlkampf begonnen – allenfalls schwang ein „Siehste!“ mit – , aber die Panik der Regierungsparteien schrie natürlich sofort danach, dass es unredlich und unmoralisch wäre, jetzt mit Fukushima Wahlkampf zu betreiben.

Was aber gleichzeitig geschah, war ein großer Anstieg des Gebrauchs folgendes Wortes bei Twiter: „#abschalten“ – und da spätestens seit Dr. zu Googleberg die Macht des Internets der Regierung so gar nicht mehr schmeckt, wurde reagiert – und wer begann sofort Wahlkampf mit dem Thema Atom zu machen, wer schrieb sich Fukushima auf die Fahnen? Die Regierung. Auf einmal klingen Frau Mekrel und Herr Westerwelle wie altgediente Anti-AKW-Helden, die schon in Brokdorf und Wackersdorf im Strahl der Wasserwerfer standen – die jüngeren Leser mögen die beiden Ortsnamen googeln. Was natürlich bei allen, die schon mehr als fünf Tage gegen Atomkraft sind, latente Aggressionen hervorrufen könnte. Manchmal findet Verlogenheit einfach kein Maß mehr. Dieses Stadium erreichte dann endgültig S21-Provinzfürst Mappus, der sich vom Atomkraft-Saulus zum Anti-AKW-Paulus wandeln wollte, was aber dann hoffentlich auch der letzte Wähler nicht glauben wird.

Ich kann verstehen, dass man bei Schwarz-Gelb panisch geworden ist. Man stelle sich vor, dass man so einen schönen Deal eingefädelt hat, die Bevölkerung sogar noch einigermaßen besänftigt bekommt – auch wenn natürlich schon vor Fukushima die Anti-AKW-Bewegung wieder erstarkte -, und dann passiert 25 Jahre nach der letzten absoluten Katastrophe auf einmal eine neue – und irgendwie klingt die quasi 100-prozentige-Sicherheit, von der immer wieder gesprochen wurde, gar nicht mehr so sicher – hey, es war nicht in Indien oder in Brasilien, sondern in Japan, einem Land, das technisch nicht hinter uns zurückliegt. Das muss sich schon blöd anfühlen – und peinlich … so würde es auf jeden Fall für die meisten sein. Die Machtmenschen in der Politik denken da offenkundig anders, denen ist ja nichts mehr peinlich, sie rudern so schnell zurück, dass man gar nicht gucken kann, finden ihre festen Grundsätze von gestern heute fast so unsinnig, wie sie wirklich sind.

Man kann nur hoffen, dass sich das Wahlkampf von den panischen Rückruderaktionen nicht einlullen lässt. Alles, was man heute weiß, wusste man vor einer Woche auch schon – und da hat die Regierung nicht im Traum daran gedacht, irgendwelche Atomkraftwerke zu schließen – man träumt ja in manchen Teilen der Regierungsparteien doch immer noch von Neubauten. Alles, was Schwarz-Gelb gerade macht, entsteht aus Angstreflexen. Wenn man diese Regierung weiter machen lässt, dann werden die Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen, wenn die Wahlen vorbei sind – da mache man sich mal keine Illusionen.


Flattr this