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Reading King: Die Arena / Under the Dome
Ich habe mir so ein bisschen vorgenommen, mal wieder mehr über Kultur zu bloggen und über Bücher, die ich lese und so. Also heißt das Großprojekt „Reading King“ Unter anderem, weil ich in letzter Zeit wieder mal viel von Stephen King gelesen habe, damit kann ich also einen Grundstock schaffen. Und ich fange quasi am Ende an, weil ich gerade „Die Arena“ gelesen habe – übrigens völlig unbeeinflusst davon, dass es da eine Fernsehserie gibt, die ich auch noch nicht gesehen habe. Es gehörte einfach noch zu den wenigen King-Büchern, die ich nicht kannte.
„Under the Dome“ – ich vermeide die fast durchgängig schlechteren deutschen Namen bei King-Büchern immer sehr gern (mehr dazu hier), ist ein Epos, kommt in seiner Länge an „Es“ oder „The Stand“ annähernd heran, ist aber in seiner Grundidee so pur und einfach, wie King/Bachman-Klassiker wie „Der Todesmarsch“ oder „Amok“, Bücher, die nur einen Bruchteil so lang sind. Es gibt eine Grundidee, eine Situation, in die alle gebracht werden, und dann lassen wir es eskalieren. Die Grundsituation ist hier eine Kraftfeldkuppel, die genau über die Kleinstadt Chester’s Mill in Maine – wo auch sonst – gestülpt wird – exakt dem Verlauf der Grenzen nach, die die Kleinstadt nun mal hat. Dieses Kraftfeld ist einige Kilometer hoch, unsichtbar und, bis auf sehr eingeschränkt für Luft und Wasser, völlig undurchdringlich. Das ist keine wirklich originelle Idee, ein Versatzstück aus der Science Fiction, und letztlich ist auch der relativ kleine Strang über die Verursacher der Kuppel die einzige Schwäche eine über große Teile sehr starken Buches.
Das Hauptthema des Buches ist King pur: Wie in seinen mit stärksten Büchern „Salem’s Lot“¹ oder „Needful Things“² wird der Mikrokosmos einer kleinen Stadt aufgebaut und dann genüsslich demontiert. Allerdings hätte King dafür nicht unbedingt ein neues Buch schreiben müssen, so könnte man einwenden, denn diese Geschichte kennen wir ja eigentlich schon. Aber das stimmt nicht ganz, und der Grund dafür ist Big Jim Rennie, der zweite Stadtverordnete, fanatische Christ, Gebrauchtwarenhändler und Mitbesitzer eines großen Methlabors. Der sieht in der Kuppel seine Chance in der Stadt einen kleinen Gottestaat mit ihm selbst als Diktator einzurichten.
Rennie ist ein veritabler Faschist, und wie er Meinungsfreiheit zerstört, wie er Angst schürt, wie er die Klaviatur der Diktatur bespielt, ist das eigentliche Thema des Buches. Seine Bigotterie – und die seiner Anhänger – ist da nur logische Konsequenz. Sein Machtstreben, seine verbrecherischen Geschäfte, seine Bereitschaft, auch über Leichen zu gehen, ist einfach die Konsequenz, die zusammen kommt, wenn Konservativismus, religiöser Wahn und Kapitalismus zusammen kommen.
Sein Gegenspieler ist Dale Barbara, genannt „Barbie“ – der in den letzten Monaten hier als Grillkoch gearbeitet hat, davor aber Captain Barbara war, ein hochdekorierter, aber schwer enttäuschter Veteran. Und so ist das Militär – bei King völlig unerwartet – hier das positive, auch wenn King nie in eine Patriotismusfalle läuft und Barbie die Vereinnahmung, die das Militär von außen an ihn heranträgt, verabscheut. Ganz nebenbei sind alle Versuche, die das Militär unternimmt, die Kuppel zu zerstören, völlig für die Katz, und man weiß es als Leser immer schon vorher.
Und dann gibt es wieder mal diese vielen kleinen Details, die nur King so kann. Ein paar Jugendliche, die fast zu der Clique aus „Es“ gehören könnten – in fact, Benny Drake ist doch fast Richie Tozier, oder? Das alkoholkranke Wrack, dass doch irgendwie wieder hilfreich wird. Die Leute, die positiv über sich hinauswachsen. Aber auf der anderen Seite gibt es hier auch eine Menge kleinerer und größerer menschlicher Monster, der Kleinstadtgangster, die ihre große Chance erkennen.
Für jemanden, der fast alles von King gelesen hat, gibt es in „Under the Dome“ nicht wirklich viele Überraschungen, aber eines ist doch spürbar: King war selten vorher so aktuell und so eindeutig politisch. Wie er Bigotterie und Konservativismus entlarvt, ist großartig geschrieben und hat eine unterschwellige Aggressivität, die man nicht unbedingt erwartet. Und wie dann der Versuch einer Machtübernahme und Gleichschaltung abläuft, ist hochpolitische Literatur.
Bei einem Epos wie „Under the Dome“ gibt es auch ein paar Längen, ein paar kleine Schwächen und das Ende ist nicht der wirkliche Knüller – auch wenn King schon viel schlimmer geendet hat. Die Sache mit dem Ende ist halt nicht so seine. Aber insgesamt eine starke Nummer und sehr lesenswert.
Für die King-Fans: Chester’s Mill ist die Schwesterstadt von Tarker’s Mill – ihr erinnert euch, die Sache mit dem Werwolf. Die andere Nachbarstadt ist Harlow, und dahinter liegt, wie wir natürlich alle wissen, Castle Rock. Und auch Derry ist um die Ecke. Shawshanks wird mehrfach erwähnt. Also King-Maine pur.
¹“Brennen muss Salem“
²“In einer kleinen Stadt“
Audible
Wer mich kennt, der weiß, dass ich einen großen Teil meines wenigen Geldes in die wichtigen Sachen im Leben investiere: Bücher, Filme, Theater und so weiter, und natürlich liebe ich Hörbücher quasi seit sie überhaupt ein wenig populär wurden. Trotzdem war ich bisher immer standhaft, wenn es um die Werbeanzeigen von Audible ging. Ich dachte, man bräuchte doch eigentlich die CDs, wenn man Hörbücher hören möchte, einfach nur runterladen und dann hören, ist ja irgendwie unromantisch.
Aber wie das Leben dann halt so ist, irgendwann stolperte ich dann über das Angebot „Es“ von Stephen King als Hörbuch umsonst zu erhalten, quasi als Lockangebot. Nun habe ich mal etwa fünfzig Euro ausgegeben, um dasselbe Hörbuch auf Englisch zu kaufen – was mir anderthalb Monate begeistertes Autofahren ermöglichte. Aber auf Deutsch wollte ich es natürlich auch haben, da ging nun wirklich kein Weg dran vorbei – wenn man mich auf ein Lieblingsbuch festnagelt, dann sage ich seit etwa zwanzig Jahren immer nur diese eine Silbe.
Also saß ich nun da, mit über fünfzig Stunden Hörbuch auf der Festplatte, was gar nicht so lang brauchte, um es aus dem Netz zu ziehen – und es zeigte sich, dass Computerspielen und Hörbuchhören recht gut zusammen geht – ansonsten geht nur noch Bilder bearbeiten, bei allem anderen lenkt mich das Hörbuch dann doch zu sehr ab. Achso, nebenbei, „Es“ wird von David Nathan gesprochen, der nicht nur ein toller Synchronsprecher ist, sondern für mich auch einer der drei besten deutschsprachigen Hörbuchverleser, und es ist wirklich ein absoluter Genuss.
Nachdem ich so halb durch das Hörbuch durch war, merkte ich, dass ich in ein Abo eingewilligt hatte, ich also monatlich zehn Euro an Audible zahle, dafür aber auch ein Hörbuch meiner Wahl herunterladen darf – weitere Hörbücher kosten dasselbe. Ich habe mich ein wenig umgeschaut, und dann wusste ich, dass ich noch einige Monate lang immer etwas finden würde – ich komm also erst mal gut mit dem Abo klar.
Aber da ich bisher noch keine große Erfahrung mit heruntergeladenen Inhalten hatte, habe ich mich ein bisschen informiert. Die Daten sind in einem seltsamen Format gespeichert, die man außerhalb des PCs leider nur mit einem Apple-Gerät abspielen kann, oder mit itunes auf CDs brennen. Die Dateien sind an meinen Account gebunden und quasi zertifiziert – und hier kommt das einzige kleine Problem – so lange ich den Account, ob aktiv oder nicht – bei Audible habe, kann ich die Hörbücher hören, sollte die Firma aber jemals ihren Service einstellen, aus welchem Grund auch immer – oder aus irgendeinem ebenso unwahrscheinlichen Grund mein Account gelöscht, dann bin ich aufgeschmissen. Die wichtigen Hörbücher, die, die ich für eine halbe Ewigkeit haben will, brenne ich deswegen vorsichtshalber – auch weil ich sie dann problemlos im Auto hören kann.
Die Immobilität, die anfangs gegeben war, hat mich relativ genervt. Ich will doch nicht immer nur am PC hocken und da Hörbücher hören, und ja, das ist wirklich der einzige Grund, dass ich mir einen dieser niedlichen IPod-Shuffles gekauft habe, das Ding ist sogar mein erster mp3-Player überhaupt, und natürlich ist da keine Minute Musik drauf, im Moment brauche ich nur Hörbücher.
Das liegt vor allem auch daran, dass ich nach „Es“ gleich mal mit der Saga vom Dunkeln Turm weitergemacht habe – bin gerade in Buch Vier namens „Glas“ – also weiterhin bei Stephen King bin. Bis Glas habe ich die Saga auch gelesen, aus irgendwelchen, mir selbst recht unerklärlichen Gründen, habe ich nie die drei letzten und deutlich neueren Bücher gelesen, aber runtergeladen sind sie schon und ich freu mich tierisch. Daneben gibt es exklusiv für Audible „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R.R. Martin bei Audible zu hören, ebenfalls in einer ziemlich guten Lesung, und das ist die beste klassische Fantasy seit J.R.R. Tolkien, und deswegen absolut empfehlenswert, nein, das ist zu schwach, ich versuche es so: Wer auch nur einen ganz leichten Hauch von Interesse an fantastischen Inhalten hat, der muss das lesen oder hören, und alle anderen eigentlich auch. Hier gibt es den kleinen Wermutstropfen, dass die vier englischen Bücher in acht deutsche Bücher unterteilt wurden, um mehr Gewinn zu machen, und die dann bei Audible noch mal halbiert wurden, sodass wir auf 16 Hörbuchteile kommen, und also auf knapp 160 Euro Gesamtkosten – die lohnen sich zwar, keine Frage, man bezahlt allerdings relativ viel für die Minute.
Was ich nach den zwei großen Epen hören werde, wer weiß? Es ist noch einiges da, was mich reizt – zudem gibt es noch einiges an englischsprachigen Originalen, die ich mir durchaus gern mal anhören würde. Man kann durchaus sagen, dass ich ziemlich happy mit Audible bin – allein eines nervt mich. An jedem Anfang und Ende eines Hörbuchteiles sagt mir die Synchronstimme von Tom Hanks in genau dessen Ton, dass ich bei Audible „clever lese“ und „einfach Zeit spare“ – „clever lesen“? gibt es auch dummes Lesen? Bisher höre ich fast nur Sachen, die ich auch schon gelesen habe, war ich damals dumm, von Papier aus zu lesen? Was für ein Blödsinn ist das? Und Zeit sparen? ZEIT SPAREN? Habt Ihr bei Audible Euren Ende nicht gelesen? Man kann zwar leider nur eine Hörspielfassung von „Momo“ herunterladen, aber selbst da wird man finden, dass Zeit sparen kein geistig gesundes Ziel ist. Abgesehen davon habe ich im Moment keine Zeit für irgendwas, ich muss Hörbücher hören!
They call it „Wahn“ – Über Stephen King und sein neues Buch
Ich steh auf Stephen King, ich lese ihn seit ich zwölf war und habe fast alles gelesen, was er je geschrieben hat. Dann ist es natürlich immer eine Freude, wenn es einen neuen King gibt – und den neuesten, der den seltsamen und sinnlosen Namen „Wahn“ trägt, habe ich inzwischen gelesen, und ganz nebenbei auch rezensiert: http://www.media-mania.de/index.php?action=rezi&id=8486. Von hier ab werde ich das Buch „Duma Key“ nennen, also den Originaltitel verwenden. Allerdings werde ich weniger zum Buch selbst sagen, denn dafür kann man problemlos die Rezension lesen, als eine dieser kleinen schönen Entdeckungen erzählen, die man in diesem Buch machen kann.
Wie das durchaus nicht selten zu lesen ist, gibt es auch bei diesem Roman ein vorangestelltes Zitat. In diesem Fall von einer Band namens Shark Puppy, die im Jahre 1986 ein Lied veröffentlichten, ein Lied mit dem Titel „Dig“, geschrieben von W. Denbrough und R. Tozier. Shark Puppy gibt es allerdings nicht, und hat es auch nie gegeben. Die Herren Denbrough und Tozier sind Figuren aus dem King-Klassiker „Es“, und da William „Stotter-Bill“ Denbrough Schriftsteller ist, und Richie „Vierauge“ Tozier DJ passt das sogar irgendwie. Der schöne Gag für den erfahrenen King-Leser ist allerdings nicht nur die höchst offiziell aussehende Urheberrechtsvermerk, es gibt noch eine kleine weitere Verbidung, allerdings zu einem anderen Roman. Im anderen ganz großen Werk von King, nämlich „The Stand“, hat Larry Underwood einen kleinen Hit bevor Captain Trips alle Hitparaden beendet, und dieses Lied heißt „Baby can you dig your man?“ – man kann da von Zufall reden, ich mach das mal nicht.
King ist bekannt für seine Querverbindungen, die oft gar nicht so sehr motiviert scheinen, aber einfach für viele King-Leser auch das Salz in der Suppe. Ein paar Beispiele gefällig?
Dick Hallorann, der Koch aus „The Shining“, kommt auch in einer Nebenepisode aus „Es“ vor. Ds Städtchen Castle Rock, nicht weit von Derry („Es“/“Schlaflos“/“Dreamcatcher“) gelegen, ist Ort von etwa zehn weiteren Romanen und Geschichten, unter anderem vom wunderbar bösen „Needful Things“ und „The Body“, dessen meisterhafte Verfilmung von Rob Reiner unter dem Titel „Stand by me – Geheimnis eines Sommers“ bekannt wurde. Natürlich kommt auch der ewige Feind Randall Flagg in mehreren Romanen vor, alles nette Beispiele.
Und in „Duma Key“? – Na ja, die üblichen wiederkehrenden Charaktere und Orte sind erst mal weit weg, denn Duma Key ist eine Insel vor Florida, und der Großteil von Kings Geschichten spielt sonst in Maine, was leicht nördlich liegt. Aber schau an, der Hauptcharakter heißt Freemantle, genau wie Mutter Abagail aus „The Stand“. Und es ist sicherlich auch kein Zufall, wenn er sich einen „Revolvermann der Kunst“ nennt – das deutet ja fast gar nicht auf den „Dark Tower“-Zyklus hin.
Stephen King sorgt mal mehr und mal weniger dafür, dass seine Romane miteinander verbunden sind. Und für den langjährigen Leser sind diese Verbindungen oft nichts anderes als zufällige – na ja, so zufällig ja jetzt eigentlich nicht – Begegnungen mit guten alten Freunden. Natürlich sucht man auch danach, freut sich über jeden Fund. Auf der anderen Seite ist das natürlich ein Nebenschauplatz, die Geschichte ist wichtig, und man kann sagen was man will, King gehört zu den Autoren, die meisterhaft ihren Geschichten dienen. Die Querverbindungen dienen den Geschichten nicht, sondern den Lesern – ist ja auch nicht das Schlechteste.
Zu Stephen King ist noch lange nicht alles geschrieben, ein weiteres Häppchen bald hier.