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Quick – Aktuelle Stunde / Brandanschläge / 0zapftis
Juhu, das Abendland geht mal wieder unter … also mindestens. Wenn man heute in der aktuellen Stunde des Bundestages den Politkern der Koalition zugehört hat – was, wie ich zugebe, ermüdend war – dann musste dieser Eindruck entstehen. Es ging um brennende Autos, von denen keiner so genau weiß, wie politisch die Taten motiviert sind, und die Brandanschläge auf die Bahn, zu der sich eine linke Gruppe bekannt hat.
Natürlich wurden beide tatbestände in einen Topf geworfen und linken „Terroristen“ angelastet. Die Parteien der Opposition haben die Sache relativ ruhig und vernünftig eingeordnet, die Regierungsparteien schoben Panik.
Da bei den besagten Vorkommnissen weder jemand verletzt wurde, noch es jemals beabsichtigt war, jemanden zu verletzen, halte ich den Terror-Vorwurf auch für reine Panikmache. Das tut sogar der Bundesstaatsanwalt – ich denke, der ist da ein netter Kronzeuge.
Als ich von den Brandanschlägen hörte, habe ich mich persönlich einigermaßen geärgert. Ich glaube auch, dass die Ziele, die in dem Bekennerschreiben angegeben wurden, redlich und richtig sind, aber ich halte die Vorgehensweise für sinnlos und falsch. Ich befürchte, dass Menschen durch solche Sabotageaktionen nicht zum Nachdenken sondern zum Ärgern angeregt werden, und das ist ja wohl nicht das Ziel, odeR?
Aber ich habe mich noch mehr geärgert, als einer der letzten Redner, ich habe den Namen schnell wieder verdrängt, sich darüber ärgerte, dass die laut ihm in der aktuellen Stunde gestern „aufgeklärte“ Affäre um den Bundestrojaner – wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, hätte ich da laut gelacht – mehr Öffentlichkeit bekam, als die Brandsabotage.
Sorry, aber das stimmt nicht! Wenn gleich mehrere Innenminister, die das Grundgesetz schützen sollen, einen klaren Verstoß gegen selbiges verharmlosen, anstatt ihn zu verantworten, dann ist das ein echtes Problem für unser Land. Das ist eine deutlich größere Gefahr für unsere Verfassung, als wenn ein paar Überspannte Brandsabotage verüben.
Quick – Herrmann / Friedrich / 0zapftis
Es ist grotesk! Nichts anderes als grotesk. Die Innenminister der BRD und des Freistaates Bayern sehen sich im Recht. Nach klassisch-Kohl’scher Manier sitzen die das Problem Bundestrojaner aus. Und was sagen sie?
Sie sagen, sie wüssten nicht, was für eine Software dem CCC vorgelegen hätte. Offenbar sind ihre Leute nicht in der Lage den veröffentlichten Code zuzuordnen. Entweder in den IT-Abteilungen der Innenministerien sitzen völlige Schwachköpfe, oder – in diesem Fall Herr Friedrich – lügt.
Sie sagen, dass alle Funktionen des Trojaners nötig sind, dass man die Gesetze ändern müsse, wenn die Funktionen nicht vom Gesetz gedeckt sind. Manchmal werden Innenminister auch Verfassungsminister genannt, denn sie sind es ja insbesondere, die das Grundgesetz schützen müssen. Die Funktionen, von denen die Herren Innenminister da sprechen, sind vom Verfassungsgericht verboten worden. Es ist das Grundgesetz, was dafür geändert werden müsste. Wenn man meint, dass der Bundes- Staats- oder Sonstwietrojaner, den der CCC analysiert hat, so in Ordnung geht, der befürwortet ganz klar den Verfassungsbruch und ist somit dringend als Verfassungsfeind und Extremist zu bekämpfen!
Ach, das ist zu hart? So wird es aber andauernd mit denen gemacht, die sich gegen Nazis engagieren, und nicht gegen das GG. Vielleicht sollten wir langsam mal aufwachen …
Quick – Bundestrojaner / #0zapftis / für Nicht-Nerds
Irgendwann musste es pasieren, die Experten vom Chaos Computer Club haben den Bundestrojaner in die Hände bekommen, ihn analysiert und nun gibt es eine Diskussion, die für uns Nicht-Nerds ein bisschen schwer zu verstehen ist. Ich habe mich mal durch ein paar Seiten gelesen und versuche mal, mit einfachen Worten zu erklären, worum es geht. Wenn jemand sachliche Fehler findet, mag er das in den Kommentaren vermerken, seit meinem Informatik-Abitur vor 16 Jahren habe ich mich nicht mehr wirklich mit den Innereien von Software herumgeschlagen.
Was ist der Bundestrojaner? Trojaner sind quasi Abhörgeräte für Computer. Die bestehen nur aus Software, sind also Programme, die sich hinterlistig auf Computern einnisten können, und einer der Gründe, aus dem man einen brauchbaren Virenschutz braucht.
Ein Trojaner ist allerdings weniger zur Zerstörung gemacht, wie das bei Viren der Fall ist, der Trojaner spioniert aus. Der Bundestrojaner macht das für die Polizei. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht recht enge Grenzen gesteckt.
Nun wurde vermutlich genau dieses Programm, dieser Bundestrojaner an den Chaso Computer Club weitergeleitet. Diese bekannteste Hackertruppe Deutschlands, die sich schon lange für den Datenschutz engagiert und schon oft Behörden und Konzernen gezeigt hat, wie schwach ihre Sicherheitssysteme sind, hat nun den wahrscheinlichen Bundestrojaner analysiert – und auch wenn man sich mit beißendem Spott über seine Programmierung lustig macht („Wir sind hocherfreut, dass sich für die moralisch fragwürdige Tätigkeit der Programmierung der Computerwanze kein fähiger Experte gewinnen ließ“), man kann den Programmieren zumindest den Humor nicht absprechen, da die Zeichenkette #0zapftis im Quellcode auftaucht.
Warum also regen sich nun alle auf, wenn es doch sogar von Verfassungsrecht ermöglicht wurde, dass der Bundestrojaner kommt? Erstens, weil dise elektronische Wanze viel mehr kann, als das Verfassungsgericht zuließ – teilweise nicht aktiv, aber erreichbar. Das mag teilweise in Bereichen liegen, die wir Nicht-Nerds kaum unterscheiden können. Wenn der Bundestrojaner Mails lesen darf, warum darf er dann keine Screenshots machen? Aber es gibt auch Sachen, die schon ein wenig unheimlich sind. Zweitens, die Datensicherheit ist nicht gegeben. Der Bundestrojaner ist auch für Dritte anwählbar und hat man die Wanze auf dem Computer, können damit alle versierten Hacker interessante Beobachtungen machen. Drittens sind die Daten, die man von Computern herunterzieht, nicht verschlüsselt, während des Transportes und sie werden über einen Server in den USA geleitet, bleiben also noch nicht mal im Lande, können überall unverschlüsselt abgegriffen werden. Viertens ist es problemlos möglich, zusätzliche Daten und Programme auf Computer zu bringen. Und hier ist der eigentliche Knackpunkt: Die Polizei hat mit dem Bundestrojaner die Möglichkeit, falsche Beweise auf Computern zu hinterlegen und die echt aussehen zu lassen. Jetzt will ich ja niemandem unlautere Absichten in dieser Hinsicht unterstellen. Aber allgemein ist doch bekannt, Macht korrumpiert. Allein die Möglichkeit wird dazu führen, dass es passieren wird.
Wenn eindeutig nachzuweisen ist, dass dieses definitiv mehrfach verfassungswidrige Stück Software tatsächlich der Bundestrojaner ist, dann hat man entweder unglaublich diletantisch gearbeitet, und der CCC hat Recht, wenn er von „studentische Hilfskräfte mit noch nicht entwickeltem festen Moralfundament“ spricht. Wenn es nicht Diletantismus ist, dann ist es Absicht – und die ausführende Behörde hat absichtlich geltendes Recht samt Grundgesetz verletzt und dann darf kein Politiker, der das zu verantworten hat, in seinem Amt bleiben.
Quick – Schmerzensgeld für Gäfgen
Grade gibt es bei Spiegel Online eine Eilmeldung mit dieser Überschrift: „Gericht spricht Kindermörder Gäfgen Schmerzensgeld zu“. Diese populistische Boulevardzeitungsüberschrift springt einem auch gleich mal als wichtigste Information an, die SPON gerade im Angebort hat – einen Artikel gibt es noch nicht dazu, aber das Bild von Gäfgen und die Überschrift sind schon mal da.
Ich frage mich wahrlich, was SPON damit bezwecken will. Das Naheliegendste ist ein Angriff auf Justiz und Grundgesetz, denn wie sonst soll man das interpretieren? Die Sache ist ja ganz einfach – Gäfgen hat einen Jungen getötet – bei SPON einen „Bankierssohn“, als ob das die Tat schlimmer machen würde – und er hat für diese widerliche Tat sein hoffentlich gerechtes Urteil bekommen, welches das ist, hab ich jetzt nicht gegoogelt, man möge mir verzeihen.
Während die Polizei noch hoffte, der Junge lebte noch und man könnte ihn finden, hat man Gäfgen nicht einfach nur unter Druck gesetzt, man hat ihm Folter angedroht. Ich geb gerne zu, wenn ich jemanden erwischen würde, wie er ein Kind massakriert, dann würde ich ihm Folter nicht nur androhen – ich bin halt etwas cholerisch. Aber ich bin kein Polzist, ich habe keinen Eid auf das Grundgesetz abgelegt und ich muss das Gesetz nur einhalten, nicht verteidigen. (Ich würde sehr auf Affekt plädieren) – Die Situation der Polizisten ist anders, aber das, was sie getan haben, ist auch verständlich. Aber nicht alles, was verständlich ist, ist auch gerechtfertigt.
Die Polizisten, die da Folter angedroht haben, haben sich strafbar gemacht, sie haben gegen das Grundgesetz verstoßen, das sie verteidigen müssen. Und in diesem Moment wurde der Mörder Gäfgen zu einem Opfer und in einem Rechtsstaat steht einem Opfer Schmerzensgeld zu – das ist sicherlich in diesem Fall nur mit Magenschmerzen nachzuvollziehen, aber in sich ist es völlig logisch und richtig. Es geht hier um 3000 Euro, wenn man bedenkt, dass Gäfgen davon nichts hat, weil er eh im Knast sitzt und da auch länger bleiben wird, kratzt mich dieses Schmerzensgeld nicht – das so hoch zu hängen, per Eilmeldung und auf dem wichtigsten Platz der Seite, das soll Gefühle wecken, und diese Gefühle können doch eigentlich nur gegen die ustiz sein, und gegen das Grundgesetz, das nun mal in diesem Fall geschützt werden muss – Folter ist ein absolutes Tabu, und das völlig zu Recht. Die Eilmeldung von SPON ist unverantwortlich und etwas, was ich eher der BILD zugetraut hätte.