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Les Miserables – Film

Irgendwie konnte und vor allem wollte ich diesen Film nicht verpassen. Dafür bin ich zu sehr von Kind an von Musicals und dem Musiktheater an sich begeistert, und dafür ist mir dieses epische und wuchtige Musical mit seinen großen Bildern (nicht nur im Film, sondern auch auf der Bühne) und der oft einigermaßen dramatischen Geschichte zu sehr ans Herz gewachsen. (Spoilerwarnung, wer den Film noch nicht kennt, sollte sich sehr genau überlegen, ob er oder sie weiterlesen will!)

Nun also Les Miserables im Kino, und gleich die Eröffnungsszene ist ein optischer Wahnsinn. Hunderte Sträflinge ziehen ein großes Kriegsschiff mit Muskelkraft in ein Trockendock. Kurzzeitig fragt sich meine Logikabteilung, ob es solche Docks für Schiffe mit mehreren Kanonendecks wirklich gab, aber gut, das Bild ist groß!

Und solcherlei Bilder schafft der Film immer wieder. Javert am Abgrund, die Barrikade, Valjean, noch fast am Anfang, an einer Klippe an der Friedhofsmauer. Große Bilder. Und reden wir nicht von dem Schlussbild, das ist natürlich over the top, aber einfach gut.

Aber es geht auch um andere Bilder, und die finde ich teilweise deutlich weniger gelungen. Regisseur Tom Hooper stand natürlich vor dem Problem, dass jeder Regisseur von Musiktheater hat. Was mache ich denn, wenn die Arie kommt, also der große Einzelsong, wir sind ja beim Musical. Und Hooper fällt da selten mehr ein, als den Opernregisseuren, die ihre Sänger immer noch an die Rampe schicken und da ihre Töne absondern lassen.

Die filmische Entsprechung ist die ungeheure Vergrößerung einer Briefmarke. Wie bei einer Briefmarke gibt es nämlich bei mehreren Arien ein Portrait mit unscharfem und vernachlässgbarem Hintergrund. Das ist nicht nur langweilig und einfallslos, es lenkt auch viel zu viel Aufmerksamkeit darauf, dass Schauspiel sich gerne mal mit erlernter Gesangstechnik beißt. Man kann zwar sehr schön Studien betreiben, über wie viel Technik die diversen Castmitglieder verfügen, aber das ist doch wohl eher nur ein Spaß für Gesangslehrer und Logopäden. Ich persönlich möchte nicht jedes Zucken eines Mundwinkels sehen.

Es verstärkt auch den Eindruck der Künstlichkeit, weil ich eben nicht volltönend singe, wenn ich gerade versterbe, oder wenn ich verzweifelt bin, oder … ach, Ihr habt den Punkt vermutlich verstanden. Also kurz, bitte keine Großaufnahmen bei der Tonproduktion. Da ist es oft auch einfach gut, dass man bei den Bühnenversionen so weit weg sitzt, dass so genaue Einblicke gar nicht gegeben sind.

Ich könnte noch wegen ein paar anderer Sachen meckern, natürlich kommt das Musical mit einem Gesellschaftsbild daher, dass Jahrhunderte alt ist. Natürlich ist das Ganze ein christliches Schicksalsmärchen, was man auch ein bisschen weniger hätte herausarbeiten können. Geschenkt. Ich erwarte bei einem Musical auch eher selten fortschrittliches – auch und gerade nicht bei einem über dreißig Jahre altem Musical nach einer Vorlage von Anno Dunnemals. Ist ja auch alles in Ordnung.

Aber ich finde es viel interessanter, zu schauen, wo eine Bühnenversion stärker ist, als der Film. Zum Beispiel bei dem Eherpaar Thenardier, das schon verdammt cool besetzt ist mit Sacha Baron Cohen und der großartigen Helena Bonham Carter – deren toller und witziger Song „Master oft he House“ bleibt aber hinter diversen Bühnenversionen weit zurück. Ich habe mich gefragt, warum das so ist. Ich vermute, weil es sich eingebürgert hat, dass auf der Bühne ganz klar das Publikum angesprochen wird. Und direkte Ansprache hat halt doch seine Vorteile. Oder „Empty Charis at empty Tables“ – Marius besingt seine toten Freunde, und in der üblichen Bühnenregie tauchen die geisterhaft im Hintergrund auf – mit nettem Gruseleffekt, sehr klassisch. Was fällt da dem Herrn Hooper ein? Richtig! Briefmarke … schade …

Nun gut, Fans des Musicals kommen auf ihre Kosten. Es gab mehrere Momente, die ich großartig fand. Aber ein bisschen ist das auch eine vertane Chance, nochmal schade.

HP 7.1

Mit einer der Grippe geschuldeten Verzögerung einer Woche, habe ich nun inzwischen den ersten Teil des letzten Harry Potter-Films gesehen – und ich muss sagen, ja, ich bin positiv überrascht. Auf der einen Seite ist das Gefühl des Buches unglaublich nah gewesen, überhaupt hat der Film sich enger an das Buch gehalten, als überhaupt einer der HP-Filme bisher. Und ist der erste Teil des siebten Bandes meinem Empfinden nach der langweiligste  Teil der gesamten sieben Bände, so sind die Längen dieses Buches im Film natürlich so weit herausradiert, dass der Film trotz Überlänge richtig kurzweilig wirkte.

Noch erstaunlicher: Die drei jungen Hauptdarsteller dürfen auch mal ein bisschen schauspielern, vor allem Daniel Radcliffe und Rupert Grint wurden mal ein bisschen mehr gefordert. Dass Emma Watson nebenbei atemberaubend zerbrechlich und doch wieder die stärkste des Trios sein darf, ist ein besonderer Leckerbissen. Gute Regieleistung des Herrn David Yates – der auch ansonsten große Arbeit abliefert. Da sind die spärlichen und oft genau deswegen guten und gutgesetzten Gags, da sind die sehr europäisch-melancholischen Momente, die man einem Blockbuster gar nicht so zutraut, und da sind natürlich tolle Effekte, auch mal richtig erschreckende – nein, das ist wahrlich kein Kinderfilm. Die Freigabe ab 12 Jahren ist aber völlig in Ordnung, alles andere wäre albern gewesen. Yates vergisst aber über die Effekte nie die Geschichte. Und natürlich dürfen eigentlich alle altgedienten Lieblinge auftreten, allerdings sind die Bösewichte nicht so schillernd, wie sie das sonst in dieser Serie sind – ich mein, mal ehrlich, niemand ist so cool wie Severus Snape (alias Alan Rickman) oder die eh großartige, herrlich böse Helena Bonham Carter in der Rolle der Bellatrix Lestrange – aber die haben, wie auch Lucius Malfoy (alias Jason Isaacs), leider keine so wunderbar böse Auftritte, allenfalls Imelda Staunton darf als Dolores Umbridge an ihre wunderbare Leistung des Vorgängers anknüpfen – meine Herren, was kann diese Frau widerlich sein, herrlich. Oh, bevor ich es vergesse: Die Umsetzung des Märchens von den drei Brüdern finde ich absolut und vollständig gelungen, großartige Idee, tolle Optik, alles richtig gemacht.

Ralph Fiennes als der, dessen Name nicht genannt werden darf, ist, na ja, Geschmackssache – nicht schlecht, nein, aber es gibt dämonischere Typen, als diesen Voldemort – ups, jetzt habe ich den Namen doch geschrieben.

Was ich übrigens richtig gut finde, ist die Verknüpfung mit eindeutig faschistischen Merkmalen, die die Todesser im Allgemeinen abbekommen – die Verknüpfung kommt natürlich auch bei J.K. Rowling so vor, ist aber auch sehr konsequent zu Ende gedacht. Natürlich ist dieses Geschwafel von unreinem Blut böse, ja dämonisch – und soll es doch ruhig erzieherisch wirken, wenn es vom dunklen Lord kommt und nicht von einer Witzfigur wie Herrn Sarrazin. Widerlich ist es in jedem Fall.

Ja, es scheint, als ob David Yates diese Filmserie, die mit zwei unglaublich bescheidenen Werken begann, zu einem guten Abschluss führen wird. Und wenn man in zwanzig Jahren mal darüber nachdenkt, HP noch mal zu verfilmen, könnte man sich gerne überlegen, ob man die Serie nicht von vorne bis hinten in eine Hand gibt und noch mal in stimmig verfilmt.


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Blutiger Barbier Benjamin Barker

Hach, ich liebe Alliterationen … aber bevor Sweeney Todd in den Mittelpunkt meiner Gedanken rückt, ein winziger politischer Kommentar und Gruß nach Hessen:

Eine Mehrheit ist eine Mehrheit ist eine Mehrheit.

(… und es wäre ein Genuss, Roland Koch abgewählt zu sehen … wer so sehr Ängste schürt und Menschen diskriminiert, hat in der Politik nichts verloren …)

So, gestern Abend habe ich nun das Kino meines Vertrauens aufgesucht und ein Sondheim-Musical in düsterer Verfilmung genießen können. Tim Burton hat einen für ihn typischen märchenhaft überzeichneten Stil genutzt, um eines der bekannteren Sondheim-Musicals in Film zu gießen. Dass ihm dazu mit Johnny Depp, Helena Bonham Carter und Alan Rickman ein wirklich beneidenswertes Ensemble in die Hände fiel, ist auch nicht unbedingt schlecht für den Film, denn diese Darsteller schaffen ein intensives Zusammenspiel – und können auch noch alle singen. Besonders die oft kraftvolle Baritonstimme Depps lässt den Zuschauer auch noch einige Zeit nach dem Film nicht so richtig los.

Die Bilder sind eh großes Kino, das kennt man bei Burton nicht anders, die Geschichte ist schlicht und der Humor schwärzestens. Und die Musik? Tja, die Musik ist keine Webber-Schmalzstulle und auch kein semiklassisches Gewitter, wie das Boublil/Schönberg auf die geneigten Höreröhrchen loslassen. Sondheim schreibt komplex und oft synkopisch, lässt hier und da auch mal eine Harmonie in eine andere krachen, übersetzt die Gefühle der Rollen in Musik. Das „Pretty Women“-Duett von Richter und Barbier ist Musiktheater vom Allerfeinsten, und die Worte sind ja auch nicht zu verachten, zum Beispiel in der bösen Entdeckung, dass man aus Menschenfleisch gar herrliche Pasteten machen kann, in der es so wunderbare Wortspiele und Reime gibt …

Aber das kostet natürlich Zuschauer. Musical ist ja nicht gerade die populärste Filmgattung, und dann auch noch ein musikalisch so anspruchsvolles Stück wird nicht viel Begeisterung erfahren. Der erfahrene Musikhörer wird die Kraft und Qualität dieses Musicals aber wirklich genießen können.

Viele, die sich sonst nur von Hitparadeneinerlei berieseln lassen, werden wegen Johnny Depp und/oder Tim Burton diesen Film sehen wollen, manche werden die Ohren auf Durchzug schalten und sich einfach nur an Bildern und Humor delektieren, manche mögen etwas entdecken, was sie noch nicht kennen. Das freut mich … wirklich, finde ich richtig gut …