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Minihörspiel: „Ist das Leben nicht Tarantino“

Ich wurde vor knapp zwei Wochen gefragt, ob ich was wüsste, aus dem man ein Hörspiel von gerade mal anderthalb Minuten Länge machen könnte. Aus irgendeinem Grund dachte ich an eine Krimiszene, an Profikiller, die ihr Opfer noch kurz darüber aufklären, warum man es denn jetzt wohl erschieße – also so ein bisschen wie bei Tarantino, mit dem ich mich natürlich nicht messen will. Ich sehe sowas eher als eine Hommage. Als ich überlegte, welche Namen ich denn mal verwenden könnte. Und dann kam „Ernie und Bert“ und dann kam „Ist das Leben nicht schön?“, der Weihnachtsklassiker, und plötzlich hatte ich das Hörspielchen schon geschrieben. Viele Sätze aus einem Weihnachtsfilm, die man für eine blutige kleine Spielerei verwenden konnte …

Inzwischen ist das Werk fertig aufgenommen. Die Leitung dabei hatte Daniel Beer, gesprochen haben Ronald Zwick, Tobias Zippel und Sebastian Brings. Und man kann sich das hier anhören. Viel Spaß!

 

PS Man schreibt und produziert so was, damit es Menschen hören, verbreitet es also gerne weiter!

Für ein populäres Theater!? – ein paar Gedanken …

Dankenswerterweise wurde mir dieser Artikel in die Hand gegeben: http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&task=view&id=712&Itemid=84. Sehr lesenswert. Autor Stefan Keim bringt das Theater endlich mal auf eine intellektuelle Ebene mit den anderen dramatischen Künsten, mit dem Fernsehfilm, mit dem Kino. Jetzt könnte man natürlich sagen, er bringt es auf eine niedrigere Ebene, aber was heißt das eigentlich?

Keim spricht von dem Contergan-Fernsehfilm, und warum sich das Theater nicht einem solchen Thema auf eine ähnliche Art und Weise annähern kann, wie der Film – ja, niemand in den Feuilletons käme laut Keim darauf, ein solches Thema im Theater zu vermuten. Das Theater ist nicht mehr in der Mitte der Kultur, sondern nur noch eine Randerscheinung – eine relativ eindeutige Einordnung, wenn Keim sie auch nicht gerade schonungslos vorbringt. Natürlich hat er Recht, das Theater hat sich genauso von seinem Publikum entfernt, wie es die E-Musik getan hat, die Bildende Kunst und viele andere mehr. Und wenn Keim anklingen lässt, dass die Länder, in denen das Theater wenige bis keine Subventionen bekommen, ein spannenderes Theater machen, als das in Deutschland geschieht, dann stimmt auch das ohne Zweifel – unter dieser Prämisse könnte die schwarz-gelbe Regierungszeit eine unfreiwillige Qualitätssteigerung im Theater herbeiführen. Woran liegt das? Warum ist das Theater in Deutschland verkopft, und so weit außerhalb der Gesellschaft, wenn doch der einstige kleine Bruder Film immer noch und trotz weitläufigem weiteren Medienangebot die Nummer 1 ist? – Wenn auch mehr auf Bildschirmen als im Kino – aber auch Kinos gibt es ja und es geht ihnen trotz vieler Klagen ziemlich gut.

Dem Theater geht es ja eigentlich auch gut, schließlich leben da immer noch viele Menschen von, und es gibt ja auch immer wieder Sachen, zu denen die Zuschauer strömen – aber im Großen und Ganzen ist einfach der Kontakt vom Theater zur Wirklichkeit abgerissen. Und wenn Stefan Keim ein populäres Theater fordert, dann hat er recht, ganz einfach und schlicht recht. Es gibt so großartige Filmstoffe, die auch wunderbare Theaterstücke ergeben würden – aber die Bühnen erreichen meistens allenfalls die Musicals, die man aus den Filmen zimmert, auch schön, aber selten sehr ergiebig. Wo wird der „Club der toten Dichter“ auf die Bühne gebracht? Oder „Wie im Himmel“? – ups, das habe ich sogar auf einer Bühne gesehen, als Klassenspiel der hiesigen Waldorfschule, aber im Spielplan von Schauspielhäusern und Stadttheatern findet man so was nicht …

Und wie wunderbar kann man diese Stoffe mit den Mitteln des Theaters umsetzen, ihnen neue Dimensionen geben, die Zuschauer wahrhaftig an ihnen teilhaben lassen. Man könnte Menschen mit Umsetzungen großer Filme wahrhaftig beschenken – wie wäre es, vor Weihnachten „Ist das Leben nicht schön?“, geht es denn besser? – Richtig, „Besser geht es nicht“ wäre auch ein schöner Stoff … ich verfranse mich gerade … und wenn ich schon dabei bin – es muss nicht immer Hollywood sein, nein, wirklich nicht – wie wäre es mit „Kleine Haie“ oder „Barfuss“?

Natürlich geht es nicht nur um die Umsetzung von Filmstoffen, aber das wäre schon mal ein weites Feld – dazu kommt alles, was die Literatur hergibt und bitte, bitte auch neue, gut geschriebene Stücke – nicht von durchgeistigten Dramatikern, sondern von praktischen Geschichtenerzählern – und hier kommt natürlich Keims Kritikpunkt wieder hervor, dass man vom Schreiben von Theaterstücken nicht leben kann, wohl aber vom Schreiben von Drehbüchern fürs Fernsehen – da stimmt also was nicht.

Die Themen fürs Theater liegen auf der Straße, von Fritzl über Spendenaffären, von Castingopfern bis zu Amokläufern oder was auch immer eine Geschichte hergibt – denn genau hier krankt es doch dran, an den Geschichten. Aus dem Theater ist ein Ort für intellektuelles Gelaber geworden, wortreich, sinnleer, langweilig. Aber Theater muss Handlung, Gefühl und Wirklichkeit sein – das unmittelbare Erleben ist doch der große Vorteil des Theaters, warum wird der ständig verschenkt? Oder gegen billige Provokation getauscht?

Aber Stefan Keim hat nicht nur Recht. Er möchte die Genre-Stücke zurück ins Spiel bringen. Das zielt aber auch wieder recht kurz, denn Genres sind schön, haben aber oft zu enge Grenzen. Krimis und Psychothriller sind nette Labels, aber das deutsche Schubladendenken ist so allumfassend, dass die Gerne-Stücke beim Feuilleton eh durchfallen werden, dass man sich schämen wird, „so was“ im Theater anzuschauen, selbst wenn man dabei großen Spaß hatte. Genres sind für Kritiker praktisch, aber sonst nicht viel. Es geht um Geschichten, wenn die erzählt werden, dann sind doch die Genres egal.

Und irgendwie stellt Keim auch Verfremdungen der straighten Genre-Erzählweise gegenüber – auch das ist Unsinn. Das Theater hat sich einen reichen Werkzeugsatz erarbeitet, mit dem sie Geschichten anders erzählen kann, als das der Film macht, da sind ganz viele Verfremdungen bei und die sind auch wichtig. Wo könnte man die Realität so schön brechen, poetische Momente hinzufügen, Ironie nutzen, wie im Theater – aber man darf das eben nicht gegen die Geschichte, man muss die Geschichte damit unterstützen! Bei Tarantino sagt auch keiner, dass er keine Geschichten erzählen kann, nur weil er ein paar nette Verfremdungen in seine Filme einbaut.

Ja, es muss wieder an einem populären Theater gebastelt werden, aber mal ganz konkret gesprochen, nur gutes Theater kann populäres Theater sein, und gutes Theater erzählt mit allen Mitteln dieser großartigen Kunst gute Geschichten!

Sind wir nicht alle ein bisschen George Bailey?

Aus einem recht einfachen Grund – wir spielen die Geschichte gerade im Theater – habe ich George Bailey, die Hauptfigur aus dem Weihnachtsklassiker „Ist das Leben nicht schön?“, momentan ständig vor Augen. George Bailey, der große Weltreisende, die tragische Figur, der Typ, der nicht aus seiner engen Heimatstadt fliehen kann, der eingesperrt ist, die gute Seele, die sich aufreibt und es in der Not trotzdem nicht schafft, sich um Hilfe an seine Freunde zu wenden.

George Bailey … ein gebrochener Held, ein Mann, der immer irgendwo zwischen so einer leichten Trotteligkeit und einer Menge Charme schwankt, einer, der nicht erkennen kann, was er hat. Gerade das ist es, was meiner Meinung so viele, mich nicht ausgenommen, nicht erkennen können.

In einer großen Theaterproduktion, die quasi nur aus Amateuren besteht, gibt es natürlich viele Missverständnisse, viele kleine Problemchen, und letztlich hängt alles am Regisseur … das bin ich. In einer solchen Situation möchte man manchmal verzweifeln. Kommt man ins Theater, so stürmen mindestens drei bis fünf Schauspieler auf einen los, es spielen auch noch Kinder mit, deren Eltern wissen wollen, wann auf die Minute genau ihre Kinder wieder abgeholt werden können. Alle wollen Sachen wissen, die ich meistens auch nicht weiß, sondern eher in dem Moment aus der Luft pflücke … es gibt dann Momente, in denen man verflucht, die Sache je angefangen zu haben, es gibt Momente, bei denen man sich Zwei-Personen-Stücke wünscht, es gibt Momente, in denen man die Augen zu machen will und einfach warten, bis es vorbei ist. Und dann merkt man, dass man Freunde hat, das man Engel hat, die einem die Arbeit abnehmen, dass doch viele Seelen sich kümmern, hier und dort einfach ihren Job machen, ohne den überforderten Regisseur mit irgendwelchen Nichtigkeiten zu stressen. George Bailey braucht einen Engel, der ihm zeigt, dass er nicht umsonst lebt und als er nach Hause kommt, merkt er, dass andere für ihn da waren, dass andere dafür gesorgt haben, dass seine Sorgen sich in Luft auflösen. Ich brauch keinen Clarence, um mir zu sagen, dass ich einen ordentlichen Job mache – ich leide sehr selten an zu wenig Selbstvertrauen -, aber ich bin sehr froh, dass ich manchmal merke, dass ich auch ein paar Engel habe, die mir helfen, die dann für mich da sind. Ist ein gutes Gefühl …