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Die Kultur und das liebe (subventionierte) Geld
Manchmal wird es ja auch auf Feiern ernst, sowas hatten wir letztens, und es wurde diskutiert, dass es richtig Spaß machte. Worum ging es? Um die Subventionierung der Kultur. Anlass genug, sich mal wirklich Gedanken darüber zu machen.
Vorweg: Ich bekomme Subventionen für meine Kunst. Wenn ich mit meinen Theaterkursen auf die Bühne gehe, dann bezahl ich keine Miete, ja, manchmal ist sogar noch in bisschen Budget da, mit dem meine Projekte unterstützt werden. Inszeniere ich für unser Kulturhaus ein Stück – im Mai wird es Woyzeck sein, ich freu mich schon – dann bekomm ich eine kleine Gage, egal, ob das Geld eingespielt wird, oder nicht. Außerdem mach ich Schulprojekte, die vom Land gefördert werden – letztlich ist auch das Kultursubvention, auch wenn man hier von einem gewissen Bildungsauftrag sprechen könnte. Ich profitier also von Subventionen, keine Frage.
Ich vermute allerdings, dass ich auch dann Kultur machen würde, wenn ich in einem System groß geworden wäre, wie man es aus den USA und England kennt – dort gibt es quasi keine Subventionen, Kultur muss Geld einfahren, oder untergehen. Das hat gute und schlechte Auswirkungen. Schlecht ist zum Beispiel die Versorgungslage. Natürlich gibt es in New York alles, aber ebenso natürlich in anderen großen Städten sehr wenig. Das wird allerdings teilweise aufgefangen – Mäzene und Sponsoren machen es möglich. Allerdings mischen die sich teils dann auch in die Programmgestaltung ein. Ein Schelm, der glaubt, dass sich die Politik bei uns in die Programmgestaltung einmischen würde … also zumindest nicht offiziell.
Unter dem ökonomischen Druck, dem die Theater, Orchester und alle möglichen anderen Einrichtungen ohne Subventionen ausgesetzt sind, gibt es zwei Reaktionen: Sicherheitsdenken, dass die Kreativität killt und schlecht für die Kultur ist, und teilweise wahnsinniger Erfindungsgeist, das Arbeiten mit geringem Budget, mit allerlei Einschränkungen fördert ja auch die Kreativität. Hier passieren großartige Momente, große Qualität wird erreicht. Aber es bringt die Avantgarde um – und da ist das Problem. Ein genialer Regisseur wie Robert Wilson arbeitet schon seit vielen Jahren kaum noch in seinem Heimatland, weil seine fantastischen Inszenierungen viele Zuschauer völlig überfordern. Es ist ganz sicher so, dass man schon eine Menge Offenheit und/oder Theatererfahrung mitbringen muss, um mit seinen Werken etwas anfangen zu können – als Anschauungsmaterial bette ich mal etwas ein:
Jetzt hab ich ja schon über Avantgarde geschrieben, und wie sinnvoll oder nicht sinnvoll sie ist, aber gerade unter dem Geldaspekt muss man noch mal schauen: Kultur entwickelt sich weiter, und wenn jemand behauptet, ihn interessieren diese Weiterentwicklungen nicht, dann muss derjenige sich fragen lassen, ob er keinerlei Kultur in Anspruch nimmt? Keine Fernsehserien und –filme? Keine Kinofilme? Keine Musik? Keine Computerspiele? Keine Bücher? Selbst wer nicht in die Museen, Theater und Konzerte geht, die gesponsert werden, würde sich doch auf Dauer beschweren, wenn die Kultur da stehen bliebe, wo sie einmal ist – die Macher der nicht subventionierten Kunst werden von der Avantgarde inspiriert, die Kultur entwickelt sich insgesamt gemeinsam weiter, und es muss ganz sicher immer künstlerische Labore geben, in denen wirklich Neues aus der Taufe gehoben wird – sonst stagnieren wir und geben der Non-Kultur, wie sie das Fernsehen schon in breiter Front überrannt hat, immer mehr Raum. Und diese künstlerischen Labore zu subventionieren, finde ich auch sinnvoll und gut. Wenn man es mit dem Sport vergleicht, geht es hier um den absoluten Spitzensport, der aber leider einfach verdammt schwierig zu finanzieren ist – gerade im Theater, in der Oper, sind unglaublich viele Menschen an der Herstellung beteiligt, die sollen ja nicht verhungern, und dann ist es natürlich teuer.
Auch an anderer Stelle sind Subventionen absolut notwendig und richtig – und das ist der künstlerische Breitensport. Das sind die von öffentlicher Hand bereitgestellten Proben- und Aufführungs- und Ausstellungsorte, das sind die Unterstützungen für die Künstler, die mit Amateuren, oft auch mit Kindern und Jugendlichen Projekte machen, die nicht perfekt und großartig sind, aber wichtig und engagiert. Das sind die Hilfen für Künstler, die aus einer Region heraus Kunst machen. Das sind die Unterstützungen für die freien Szenen der Städte, für die künstlerischen Oasen, in denen Städte zu leben beginnen, Kulturzentren, Kulturschulen …
Ich hab natürlich nicht zufällig ein Herz für diese Szene, gehöre ich doch selbst zu denen, die nicht der Hochkultur angehören, sondern mit jungen Menschen, mit Amateuren und Semiprofis so viel Theater machen, wie sie irgend können. Ich spreche übrigens da von den Zuschüssen, die immer als erste gekürzt werden – lange bevor man ans Sinfonieorchester oder das Museum denkt, denkt man in Reihen der „Sparfüchse“ der Politik – die Anführungszeichen beziehen sich übrigens hauptsächlich auf „Füchse“ – an die freie Szene, an die kleinen Theater, denen man die letzten Mittelchen kürzt – denn die sind ja keine Aushängeschilder der Kommunen. Sie sollten es übrigens sein. Punkt.
Aber auch ich bin dafür, Subventionen zu kürzen, aber sicher das. Es gibt nämlich gerade da, wo die Mittelklasse zu Hause ist, jede Menge Sparmöglichkeiten. Es gibt eine Beamtenmentalität an vielen öffentlichen Häusern, manche Produktionen sind ungeheuer aufwändig, ohne dass es künstlerische Gründe gibt, da wird viel vorgetäuscht, was keine wirkliche Substanz hat. Da werden Stücke quasi durch optische Opulenz überfrachtet, anstatt sich um das Stück selbst zu kümmern, da gibt es wirklich schlicht und einfach Verschwendung. Und es gibt viel zu viele Künstler, die sich für Avantgarde halten, ohne auch nur einen Hauch Originalität zu versprühen, ohne künstlerischen Wurf, ohne das notwendige handwerkliche Können.
Ich habe in den letzten Jahren mehr als eine Handvoll Opern in der Kölner Oper gesehen – und außer der Regie von „Samson et Delilah“ von Tilman Knabe habe ich noch keine gesehen, die ich wirklich gut fand. Ein paar waren ganz ordentlich, handwerklich gut gemacht, aber unspannend – und es gab auch ein paar Ausreißer, die annähernd unterirdisch waren. Allen voran, man kann das in meinem Blog von vor einem halben Jahr lesen, die Zauberflöte, die sogar mit rassistischem Blackface-Monostathos daher kam. Da frage ich mich, wofür Opernkarten mit sehr viel Geld subventioniert werden? Und das ist Köln, da gibt es ja noch ganz andere Häuser. Übrigens, weil es hier gerade so schön reinpasst – die Wagnerfestspiele in Bayreuth gehören zu den am stärksten subventionier testen Veranstaltungen der bundesdeutschen Kultur, ein Großteil der Karten wird für Prominente reserviert, und die Normalverbraucher müssen Jahre auf Karten warten – die dann auch noch recht teuer sind – hier ist jede Steuermillion verpulvert und es ist eigentlich ein Skandal, dass man das mit sich machen lässt.
Ich weiß nicht, ob jede größere Stadt eine eigene Oper und ein eigenes Schauspielhaus brauchen, aber ich denke schon, dass man auch und gerade die Einrichtungen der Hochkultur daran messen können muss, wie viele Menschen sie erreichen. Avantgarde sollte vor allem im Bereich der Kunst- und Musikhochschulen, der Schauspiel- und Filmschulen gefördert und finanziert werden – und sich ansonsten auch der Konkurrenz stellen. Ansonsten gehören die Subventionen, so sie machbar sind, in die Breite. Da sind sie einfach wirkungsvoller. Aber man sollte sich auch keine Illusionen machen, dann sterben Orchester und Ensembles, Museen schließen – zumindest alle, die ihre Hausaufgaben nicht sehr gut machen.
zauber geflötet
Ach ja, am letzten Donnerstag war ich nicht nur im Schnee unterwegs, sondern auch in der Oper. Naja, nicht wirklich in der Oper, sondern eher in der Aula der Universität zu Köln, in der man nicht ganz so bequem sitzt, wie im Operngestühl – die Oper zieht nun mal im Moment von Ort zu Ort, weil das eigentliche Gebäude ja in diesem Jahr schon renoviert werden sollte – was allerdings noch gar nicht passiert – ja, mer sin in Kölle.
Nun gut, die Zauberflöte stand nun also auf dem Spielplan – und da sind natürlich die unsterblichen Mozartmelodien, die Bravourarie der Königin der Nacht – vor der vermutlich jede Sängerin fürchterliche Angst hat, weil man es im Zweifel ja immer schon mal besser gehört hat – und da sind die witzigen Einlagen des Papageno, die ziemlich verrückte Märchenhandlung – es ist keine Frage, dass man eine Zauberflöte sehen sollte, so man es kann, und wenn man nur die Augen schließt und die Musik genießt.
Das war dann leider in diesem Fall auch so, ja, ich möchte fast sagen, nötig. Nicht nur, weil die Bühne sinnlos nach vorne ausgeweitet war, was bei der relativ geringen Schräge der Ränge dazu führte, dass man mehr Hinterköpfe sah, als die Handlung auf der Bühne, sondern vor allem, weil die Inszenierung von René Zisterer gleichermaßen einfalls-, wie mutlos ist. In seinem Ursprung ist der Text von Schikaneder natürlich für eine so genannte Maschinenkomödie geschrieben – will heißen, in seiner ursprünglichen Form wird es in der Zauberflöte vermutlich eine Unmenge an Bühnentricks, an Spiel mit der Theatermaschine gegeben haben – es gab also jede Menge zu sehen. Zisterer hatte wenig Maschine zur Verfügung, die Aula der Universität gibt da nicht so viel her, aber er entschied sich auch nicht, jetzt den ganz spröden Weg zu gehen, die minimalistische Variante, die, im Verein mit ein wenig Psychologisierung, ja durchaus auch einen gewissen Charme gehabt hätte – nein, René Zisterers Inszenierung bleibt irgendwo dazwischen stecken, es gibt Versatzstücke aus einer klassischen Richtung, anderes modernisiert – und insgesamt gibt es weder Kopf noch Hinterteil.
Die Königin der Nacht – die musikalisch kein Reinfall war, was mir genügt, so schwer wie die Partie nun mal ist, man kombiniere die Dramatik einer Rachearie mit der Leichtigkeit der Koloratur, na herzlichen Glückwunsch – kommt zu ihrem ersten Auftritt in rauschenden Roben, verliert diesen sehr klassischen Anblick dann aber im Stück; die Schlange ist natürlich der übliche Schlauch, in dem drei Menschen versuchen, Tamino so ungefährlich wie möglich zu bedrohen – eine Lachnummer, aber Tamino sang wenigstens schön; und, das absolute Geht Nicht, Monostatos ist ein „Schuhcreme-Neger“, will heißen, da wird ein weißer Darsteller mit brauner Schminke angemalt – ah, sind wir nicht langsam über diese Form des rassistischen Theaters raus? Da haben nur noch die rotgemalten dicken Lippen gefehlt – wie rückwärtsgewandt ist das denn?
Jetzt mal im Ernst, der Monostatos singt davon, dass er so hässlich schwarz ist – das ist heute nicht mehr so richtig politisch korrekt, aber man kann es ja nicht einfach rauslassen – nun gut, aber entweder, man sucht sich dafür einen Sänger, der schon mit der dafür notwendigen Hautfarbe geboren wurde, oder man nimmt den Text von Schikaneder einfach mal ernst, und gibt dem Kerl ein schönes Blauschwarz zur Gesichtsfarbe, oder Dalmatinertupfen, oder ein Schwarz, dass grünlich schimmert – von Braun ist da nicht die Rede, im ganzen Text nicht, da steht schwarz, darf man gern nachlesen – braun ist da allenfalls die Aufführungspraxis.
Und dann der Rest der Kostüme, der bunteste Mix, und alles eher unspannend – Papageno klassisch gefiedert, Papagena dafür im 20er Jahre Kleidchen, die drei Damen mit viel Ausschnitt im kurzen Kleid, ziemlich modern – Sarastro und seine Priester in … ach, kaum zu beschreiben, vielleicht reicht es einfach zu sagen: da passte nichts zusammen, das hatte alles kein Konzept, außer vielleicht eine Art Rumfort – man kennt das, haben Köche noch viele Reste zu verarbeiten, machen sie auch eine Rumfort-Pfanne, liegt rum, muss fort … ach so, fast vergessen, unser Held Tamino kommt im Pullunder da her – so wird er allerdings nicht Pamina erringen, sondern allenfalls einen Platz in einem langweiligen Büro eines Kleinstadtrathauses.
Das Einzige, was an dieser Inszenierung funktioniert, sind die komischen Momente mit Papageno, die sind gut herausgearbeitet. Nun gut, das ist Handwerk, ansonsten funktionieren die Bilder nur selten, und überraschen kann gar nichts – Note? Fünf minus, knapp an der Sechs vorbei. Die Musik musste es herausreißen.
Natürlich überlegt man, wenn man eine so schlechte Inszenierung sieht, wie man es selbst machen würde. Und eine kurze Zeit lang habe ich wirklich gedacht, dem eher spröden Uniambiente entsprechend, könnte man auch die Inszenierung spröde gestalten, minimalistisch, keine Farben, geradezu expressionistisch geschminkte Darsteller – den totalen Kontrast mit der Musik suchen. Das mag auch ein spannendes Konzept für eine Zauberflöte sein, allein, es wäre mir gerade in Bezug auf die Umgebung einfach als zu hart erschienen, das kann ich mir im klassischen Opernsaal interessanter vorstellen. In diesem Saal, der nicht nur viele Vorlesungen gehört hat, sondern in den Nachkriegsjahren auch Ausweichquartier für Oper, Schauspiel und Orchester war, hätte ich auf Farben und Magie gesetzt, nicht das betulich-charmante 50er Jahre-Design, aus dem die Kostüme für Papageno und die Königin der Nacht stammten, sondern zeitlose Eleganz in edlen Farben, sichtbare Magie, Lichteffekte, Feuerwerk – gerade in der nüchternen Aula einer Universität. Die Handlung der Zauberflöte ist nicht gerade tiefsinnig, da kann es nur von Vorteil sein, wenn man mit einiger Theatermagie die Sache aufpeppt. Hach, was für vergebene Chancen …
Quick – Opernstreit in Köln
Ha, es gibt im hochheiligen Köln einen kleinen Skandal um die Oper, genauer um die baldige Premiere von Samson et Dalila. Zwei Solisten und ungefähr zwanzig SängerInnen des Opernchores haben sich krank gemeldet. Ganz doll krank gemeldet mit Attest und so. Regisseur Tilman Knabe, auf dessen Engagement die Kölner Operdirektion laut Homepage sehr stolz ist, verlegt den Streit des Volkes Israel mit den Philistern in den heutigen Gazastreifen, kombiniert das, wie man so hört, miit Erschießungen und Massenvergewaltigungen. Nein, die werden natürlich nicht vom Opernchor gespielt, sondern von Schauspielern, die hier natürlich nur Statisten sind. Wir sind schließlich in der Oper, wer nicht singt, ist da nur Statist. Das Problem besteht also nicht in der Ausführung solcher Szenen, nein, der Opernchor muss es sich aus nächster Nähe ansehen … also aus der Nähe, aus der man sehen kann, dass natürlich alles nur Fake ist, die Illusion ist aus solcher Nähe immer sehr brüchig.
Man könnte vermuten, dass die Adresse des Arztes, der so flächenmäßige psychische Überanstrengungen beim Ensemble festgestellt hat, ein heißer Tipp war – woher sonst kommen die vielen Atteste. Aber das ist nur eine böse Vermutung am Rande.
Ich muss zugeben, ich zweifel ein bisschen an der Professionalität der krankgeschriebenen Sänger. Sicher, es mag den einen oder anderen geben, der wirklich zart besaitet ist, okay, aber zwanzig? Da wird einem Regisseur, der vielleicht allen neu ist, dessen Ideen vielleicht ein bisschen extremer sind, alles an Vorurteilen entgegen geworfen, und auch gleich möglichst viel Sand ins Getriebe geschüttet – und das, anstatt sich mit den Ideen konstruktruktiv und engagiert auseinanderzusetzen. Da werden eigene Befindlichkeiten über das Stück gesetzt – und das ist natürlich gegen jede Theaterregel.
Man kann auch dem Regisseur etwas vorwerfen, nämlich mit Sicherheit eine gestörte Kommunikation mit dem Ensemble – aber das ist ja wahrscheinlich auch nicht so einfach, wenn man als Gastregisseur an ein Haus kommt. Er hätte nicht vorraussetzen dürfen, dass das Ensemble begeistert seine Ideen aufgreift, sondern mit Schwierigkeiten rechnen sollen.
Ich möchte mit diesem kleinen Artikel übrigens nicht sagen, dass ich die Ideen von Herrn Knabe gut finde, ich bin eher selten durch Aktualisierungen zu begeistern, und ich finde Massenvergewaltigungen und Erschießungen nur dann auf einer Bühne sinnvoll, wenn sie dem Stück dienen. Aber dennoch ist eine Blockadehaltung, wie das in Köln passiert, Bühnenmenschen unwürdig.
Ich suche jetzt noch jemanden, der mit mir in die Oper will, das Spektakel will ich mir ungern entgehen lassen.