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Quick – Der deutsche Reflex

Der folgende kleine Beitrag ist einem Forum entnommen, in dem es um Til Schweiger geht. dort wurde auch ein Artikel bei Spiegel-Online verlinkt, in dem glossiert wurde, wie es zu dem Drehbuch von „Kokowäh“ gekommen sein sollte. In dieser Glosse wurden die Klischees auch weidlich wiederholt, die man über Schweiger als Regisseur und als Schauspieler so kennt. Und irgendwann habe ich mich dann ein wenig aufgeregt:

Til Schweiger ist dazu prädestiniert, den deutschen Reflex auszulösen: Der ist erfolgreich, los, verachten wir ihn!

Will heißen, man schaut gar nicht mehr wirklich hin, man brandmarkt ihn (Nuscheln, keine Mimik, Quäkstimme), steckt ihn in die Schublade und gut ist, jetzt ist er in der Schublade drin und wenn er erfolgreich ist, können wir einfach auf das niedere Volk herunterschauen, dass so dumm ist, ihn erfolgreich zu machen. Es geht hier nicht um Kritik, es geht um Verachtung.
Wenn man aber genau schaut, sieht man durchaus, dass Til Schweiger vermutlich nicht der schlechteste Schauspieler ist, den das „Theater Der Keller“, eine private Schule in Köln, so hervorgebracht hat – weiß ich nur, weil eine Freundin von mir dort ihre Schauspielausbildung macht^^ – zum Beispiel im Roten Baron, in dem Matthias Schweighöfer durchaus Qualität beweist, ist es nicht Schweiger, der gesichtskomatös herumrennt, sondern es sind Lena Headey und Joseph Fiennes … Schweiger spielt eine seiner besten Schubladen aus: er ist eine coole Sau – übrigens zusammen mit Tino Mewes, den ich sehr stark finde, auch ne coole Sau. So viele können das nicht besser als Schweiger. Übrigens macht er das so gut, dass Quentin Tarantino auch nicht an ihm vorbeikam. Aber auch das holt ihn natürlich nicht aus der Verachtungsschublade raus … es ist halt so bequem. Mal ganz ohne Scheiß, wer es aus der Lindenstraße bis zu Tarantino schafft, der kann ja nicht alles falsch machen, der muss auch ein wenig Talent haben, oder?
Weder als Regisseur noch als Schauspieler wird Til Schweiger alles richtig machen – meine Herren, wer macht das schon? – ich finde auch, dass man kritisch mit jedem umgehen muss, der etwas in den Medien macht – aber die Verachtung, die zum Beispiel wieder mal in diesem Spiegel-Online-Artikel steckt, die geht mir tierisch auf den Keks. Die zeigt mir auch nur, dass man in der Filmredaktion von Spiegel-Online lieber das populäre Verachten übt, als sich ernsthaft mit dem Film auseinanderzusetzen.

Gimme more Basterds

Meine Herren, wird einem da eine Geschichte in die Fresse gehauen – ohne große Tarantino-Erfahrung hab ich mir die Inglourious Basterds angeschaut, und war eigentlich von Anfang an hin und weg. Sehr viel Coolness, sehr comichafte Gewalt, die oft dementsprechend ins Komische abdriftet, und ein paar schauspielerische Glanzleistungen. „Das ist ein Bingo!!“

Herrlich, die Zitate des Italo-Westerns, schräg die musikalische Verarbeitung, radikal: der Umgang mit Hitler und Konsorten. Darf man Hitler als Mensch zeigen? Ja, denn er war ja kein Elefant oder Kaninchen. Darf man Hitler als kindische Knallcharge zeigen? Ja, bitte, ja, in die Fresse aller heutigen und doch so gestrigen Verehrer!

Tarantino bringt nicht nur Til Schweiger sondern sogar auch Diane Kruger das Schauspielen bei, und Christoph Waltz ist plötzlich nicht mehr der nette Österreicher, der mit Fernsehserien sein Geld verdient, sondern ein verdienter Oscaranwärter – very nice. Melanie Laurent ist annähernd genauso großartig – und damit die nächste Anwärterin, großartig.

Man braucht Humor, einen so unhistorischen Film genießen zu können – und nach dem Besuch meinten einige, dass halb Amerika glauben wird, das Hitler so zu Tode gekommen ist … aber wenigstens wissen sie jetzt, dass er tot ist. Aber der Film fängt nicht umsonst mit „Es war einmal…“ an, natürlich ist das ein Märchen, und auch noch ganz in Grimm’scher Tradition, mit viel Blut und Horror!

Noch mal schauen? Ja, heute Abend!! Wann kriegt man sonst Gewaltorgien mit so viel Spannung gepaart? Wann Schauspielkunst mit Maschinengewehrgeknatter? Und wo war so eine wunderbare Apokalypse das letzte Mal zu sehen? Gimme more Basterds …

Color-Adel in Flugzeugen

Ja, klar, hab mir gestern den roten Baron angeschaut, also im Kino, den neuen deutschen Kinofilm – und ein weiteres Mal muss man deutlich sagen, dass in Deutschland, und in diesem Fall auch in Tschechien, wenn ich das im Abspann richtig mitbekommen habe, richtig guter Film gemacht wird. Tolle Bilder aus dem preußischen Landleben, großartige Luftkämpfe und eine wahre Sinfonie des Mordes, Sinfonie des Schreckens gegen Ende des Films.

Und die Schauspieler sind wirklich beeindruckend. Nicht nur, dass ein Weltstar wie Ralph Fiennes sich ein paar Mal recht schick macht – ist halt schon Charisma pur -, vor allem der Hauptdarsteller Matthias Schweighöfer dürfte sich mit diesem Film in die erste Liga gespielt haben. Schweighöfer ist Gefühl pur, der spielt sich die Seele aus dem Leib, der ist immer der Mittelpunkt des Films, der ist einfach gut, lebendig, authentisch, sympathisch. Und ein Genuss sind die Nebenfiguren. Das fängt bei Hanno Koffler an, der leider als erster der jungen Piloten ins Gras beißen muss, und hört bei Til Schweiger noch lange nicht auf. Das Schweiger toll als coole Sau ist, das wissen wir alle. Und dann gibt es diesen immer hervorragenden Schauspieler Tino Mewes als Kurt Wolff. Und Schweiger zusammen mit Mewes, das ist ein wunderbares Paar, die immer genau da auf den roten Baron warten, wo sie am lässigsten aussehen – Details, die ich liebe.

Leider ist die weibliche Hauptrolle Lena Headey unglaublich hölzern. Die ganze Liebesgeschichte ist deswegen eher unbrauchbar. Leider ist die aber auch ein Part der Handlung, und da vergibt der Film eine ganze Menge.

Über die historische Richtigkeit des Films sage ich nichts, ich reg mich auch nicht über ein wahrscheinlich geschöntes Bild des Fliegeridols auf, das kann der Spiegel machen. Zum Thema Film trägt aber eine historische Diskussion nur in geringem Maße bei. Natürlich ist „Der rote Baron“ ein Märchen, und wer das nicht bemerkt, der hat offenkundig keinen kritischen Blick auf Filme. Da ich aber auch weiß, dass Spiderman nicht wirklich an Spinnenfäden durch die Gegend durch die Gegend schwingt, kann ich auch wissen, dass „Der rote Baron“ nicht wirklich historisch objektiv ist.

Der Film ist wirklich mutig. Er verherrlicht vor allem eine dekadente Adelsclique, eine wilde Bande von Himmelsmarodeuren – und dann haut er einem die Grausamkeit des ersten Weltkriegs mit all seiner Abartigkeit um die Ohren, nee, genauer gesagt in die Fresse. Das ist jetzt ja auch nicht so schlecht.

Also nicht aufregen, sondern lieber genießen – es gibt genug zu sehen.