Archiv für den Monat Oktober 2015

Quick – Kein Rückgrat ist keine Meinungsfreiheit

Wir müssen reden, wir müssen mal ein paar Begriffe klar kriegen. Warum ist das wichtig? Weil wir als Gesellschaft jegliches Rückgrat verloren haben, weil wir statt wehrhaft demokratisch scheiß-egal-liberal geworden sind.

Das hat, wenn ich sehr positiv denke, mit dem völligen Missverständnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu tun. Ich wünsche mir, dass es ein Missverständnis ist, ich weiß aber auch, dass „Meinungsfreiheit“ oft ein Feigenblatt ist, mit dem Menschen ihre Menschenfeindlichkeit kaschieren wollen. Aber lösen wir erst mal das mit dem Missverständnis auf: Bei Meinungsfreiheit geht es um das Recht, seine Meinung frei sagen zu dürfen. Der Staat darf Menschen nicht wegen ihrer Meinung verfolgen. Er darf ihnen nicht verbieten, ihre Meinung zu sagen.

Das hat natürlich eine Grenze da, wo die vermeintliche Meinungsäußerung ein Verbrechen beinhaltet, zum Beispiel Drohungen und Beleidigungen. Die Grenze muss klar sein, dafür haben wir ein Grundgesetz, dass jedem Menschen seine Würde garantiert. Wenn Menschen anderen Menschen mit dem Wiedereröffnen von KZs drohen, dann ist das natürlich keine Meinung, sondern eine Drohung, dass Massenmord ins Haus steht. Das ist keine Meinung, das ist ein Angriff auf die solidarische Gesellschaft und die Verfassung. Da muss der Staat eingreifen und wenn er es nicht macht, dann vergisst er seine Pflicht und seine Orientierung an eben der Verfassung.

Meistens sagt der Staat nicht wirklich viel zu Meinungsäußerungen, und das ist auch okay. Wie gesagt, der Staat darf sich da nur einmischen, wenn es einen wirklich triftigen Grund gibt. Das ist superwichtig. Niemand, den ich politisch zurechnungsfähig halte, würde zurück zur Zensur wollen. Das ist übrigens auch so ein oft falsch verstandenes Wort: „Zensur“ Es handelt sich dabei um staatliche Behörden, die sich angeschaut haben, was so publiziert wurde, und alles verboten haben, was ihnen nicht passte. Es wird auch so verstanden, dass der Akt des Verbietens „Zensur genannt“ wird. Warum gehe ich da so genau drauf ein? Ganz einfach, weil es so oft falsch verwendet wird. Wenn hier unter diesem Blogpost jemand Unsinn postet, dann ist es natürlich keine Zensur, wenn ich diesen Kommentar nicht veröffentliche. Das ist keine Zensur, weil ich kein Vertreter des Staates bin. Ich bin nur der Betreiber des Blogs. Damit bin ich hier Hausherr und wenn jemand Sachen schreibt, die ich doof finde, dann brauch ich die nicht veröffentlichen. Wenn ich jemanden in meine Küche lasse, heißt das schließlich auch nicht, dass ich ihm erlauben muss, auf den Herd zu kacken.

Wenn jemand in seinem eigenen Blog schreibt, wie blöd er meinen Text hier findet, dann ist das total in Ordnung. Wer mich der Zensur bezichtigt, weil ich einen Kommentar nicht freischalte, dann hat derjenige einfach nicht kapiert, was Zensur ist. Wer mir sagt, dass ich etwas zulassen muss, weile es ja Meinungsfreiheit gebe, den muss ich leider auslachen – ich verhindere ja nicht, dass jemand etwas sagt, ich verhindere nur, dass er mir auf den Herd kackt. Ich verbreite hier doch nicht den Müll, den andere hier abladen wollen.

Und ich wünschte, dass viel mehr Menschen und auch eine Menge Institutionen ihre Verantwortung ernst nehmen würden, und von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Es gibt keinen Grund, dass Google/Youtube jede Menge Gedankengut verbreiten und auf ihren Seiten dulden, die gegen die Grundwerte unserer Gesellschaft gerichtet sind. Die anderen Menschen die Würde nehmen. Man muss auch sonst nicht jeden Müll zulassen. Wer historische Fakten, ob es um den Holocaust oder die Mondlandung geht, negiert, den verbreitet man nicht. Wer von großen Verschwörungen um Chemtrails oder 9/11 fiebert, der kann das auf der Seite vom Kopp-Verlag tun, den muss man doch nicht in eine Uni einladen oder auch nur auf Youtube oder in Facebook eine Plattform bieten. Wir brauchen Rückgrat! Wir sollten keinen Müll und noch viel weniger Verbrechen zulassen, nur weil wir das mit dem Feigenblatt Meinungsfreiheit äußerst dürftig begründen – natürlich geht es Facebook und Google um die Werbeeinnahmen. Und wenn Amazon zwar jetzt KZ-Akif nicht mehr verkauft, dafür aber den rassistischen Dreck von Sarrazin und Konsorten natürlich weiterverbreiten, dann liegt das nicht an Meinungsfreiheit, sondern am Gewinnstreben.Aber wo sollen Konzerne denn Rückgrat her haben, wenn die Gesellschaft keines hat?