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Quick – Die Hexe und das Mädchen – Vier Tage Workshop

Nun ist es geschafft, das Wochenende des Grauens – nein, ich übertreibe maßlos, aber der Name kam mir im Vorfeld irgendwann in den Sinn. Man muss sich das einfach mal vorstellen – da gibt es eine locker zweistündige Show, eine Revue mit allen möglichen Elementen, und die wird fast vollständig von Amateuren auf die Bühne gestellt – und in der Mitte stehen zwei kleine elfjährige Mädels, die sich die eine der beiden Hauptrollen teilen.
Ich bin Co-Regisseur der ganzen Angelegenheit und das bei 150 Mitwirkenden – und ich bin im speziellen für alle da, die viele Fragen haben, also alle jungen Darsteller, für die Chöre, die sich mit dem Theaterkram ja auch nicht so auskennen, für die Zusammenarbeit mit einer Zirkus-AG … irgendwie hat man nach dem ersten Tag schon das Gefühl, dass man kaum noch reden kann, dass der Kopf brummt, dass man sich manchmal sogar an einen anderen Ort wünscht. Aber andererseits fängt das eine oder andere auf einmal an zu funktionieren, plötzlich sieht man die kleinen Details – ja, es macht auch vieles einfach Spaß. Dass man nebenbei mit dem einen oder anderen plötzlich näherrückt, und natürlich auch da und dort mal von Leuten irgendwie enttäuscht wird – aber insgesamt sieht es wirklich gut aus, über größere Teile wird „Die Hexe und das Mädchen“ eine gelungene Show – vermutlich können wir sehr stolz auf das Endprodukt sein.
Bei anderen Sachen mag der Weg das Ziel sein, im Moment weiß ich, dass nur die Premiere das Ziel ist, nur das Endprodukt zählt.
Als ich gestern abend nach Hause kam, war irgendwie die Batterie total leer, aber langsam und nach dem ich meine Pokerbankroll einigermaßen ruiniert habe – das ist ja immer sehr entspannend – bin ich wieder fast im Lot. Allerdings waren meine niedlichen Grundschüler aus meiner Theater-AG heute ein bisschen erschrocken, da ich deutlich mehr Disziplin eingefordert habe, als ich das sonst mache … war wohl noch ein bisschen angekratzt.

Fortschritte und Rückschläge

Hm, wie hier das eine oder andere Mal schon bemerkbar geworden ist, mach ich Theater, und das gleich mit verschiedenen Gruppen, denen ich versuche, das Schauspielen näher zu bringen. Momentan bin ich an sage und schreibe fünf Produktionen beteiligt, an vier davon als verantwortlicher Regisseur. Montags ist mein Theatertag, heute ist Dienstag und damit kann ich mal kurz auf meinen gestrigen Tag Rückschau halten.

Der fing mit einer Besprechung zu „Die Hexe und das Mädchen“ an, der Großproduktion, bei der ich als Co-Regisseur mitwirke – das Casting vor ein paar Tagen gehörte auch hierzu … und die Besprechung war … na ja … nicht unbedingt erhellend, aber wir haben ja auch noch ein bisschen Zeit und andere hatten mehr Probleme, die besprochen werden mussten, als ich – meine kommen noch, garantiert …

Und dann kamen meine Kleinen, die jungen Darsteller zwischen zehn und dreizehn – und gleich eine Hiobsbotschaft – eine will aufhören, die ich schon für die Weihnachtsproduktion eingeplant habe … na toll … ich muss oft improvisieren, und es gab ja auch noch keine Proben für die Kinder … aber schön ist anders … dafür war ich überrascht, wie gut sich eine junge Dame integrierte, die aus einem anderen Kurs in diesen gewechselt ist, die blüht auf, wenn sie nicht mit Musik zu tun hat … auch interessant …

In der nächsten Gruppe gab es gleich zwei Überraschungen – ein Mädel kam nach über einem Jahr zurück und wird die Gruppe verstärken … coole Sache das … und es gab einen Jungen (!), der sich die Sache mal anschauen wollte, und auch noch offenbar ein bisschen Spaß dabei hatte … ich habe innerlich geweint vor Glück – wenn er wiederkommt, ist er wahrhaftig der zweite Kerl in dieser Gruppe … ja, das ist es, was meine Seele erfreut …

Und dann … tja, dann fehlten wieder zu viele in der Gruppe der mehr oder weniger Erwachsenen – ziemlich blöd dafür, dass wir relativ dicht vor einer Premiere stehen. Andererseits war der Hauptdarsteller früher zurück bei uns, als wir dachten, und ich konnte endlich die letzten Seiten präsentieren – was lange währt, wird endlich gut. Allerdings geht ein kleiner Clou, den ich in den Schluss eingebaut habe, nicht auf. Manchmal überfordere ich meine Schauspielerinnen offenbar … da gibt es nun eine Sache, die ich noch mal neu überdenken muss … kurz vor Schluss habe ich irgendwie eine Schauspielerin zu wenig. Wieder so eine Sache, die mich ein bisschen ratlos macht – manchmal denke ich, dass es kaum etwas kreativeres und interessanteres gibt, als diese Arbeit, und manchmal verfluche ich die vielen Entscheidungen, die man treffen muss, die vielen Kleinigkeiten, die einfach nicht vorhersehbar sind. Und ich frage mich, ob die Regisseure an Profibühnen die gleichen Probleme haben, sich mit den gleichen Sachen herumschlagen müssen.

Die Qual der Wahl

Wer schon mal hier reingeschaut hat, wird vermutlich bemerkt haben, dass ich Theater mache. Manchmal mach ich auch recht viel Theater, werden manche einwenden, aber hier ist eigentlich nicht der richtige Platz für schlechte Kalauer, deswegen kehre ich zm Thema zurück.

In dieser Woche war es dann zum ersten Mal soweit, dass ich in der Jury eines kleinen Castings saß. Zumindest hatten wir gedacht, dass das Casting für eine Rolle in einer Großproduktion des nächsten Jahres eher klein geraten würde – mit zehn bis fünfzehn Bewerberinnen hatten wir gerechnet, es waren dann über vierzig junge Damen zwischen zehn und dreizehn Jahren.

Jeweils drei Juroren betrieben eine Vorauswahl, am Ende kamen die besten sechs Probandinnen in eine Endrunde und mussten vor zu diesem Zeitpunkt immerhin noch acht Juroren ihr bestes tun.

Ich habe schon häufiger vor schwierigen Entscheidungen gestanden, wie ich welche Rolle besetze. Das macht nie besonders viel Spaß, ist aber notwendig. Hier wurde es noch schwieriger. Aus zwölf, dreizehn Mädchen mussten wir die besten zwei in der Vorrunde heraussuchen. Und erst mal schien das einfach. Das erste Mädchen hatte Charme, war aber zu alt, das nächste war so übernervös, dass man es nicht in eine Hauptrolle besetzen möchte – wenn die schon bei so einem kleinen Casting so nervös ist … – das wiederum nächste Mädchn ist kein bisschen niedlich – ist aber eine Wucht, ein Rohdiamant, nichts für diese Rolle, aber bitte, geh nicht weg, ich kann dich anderen Produktionen brauchen …

Und dann plätschert es so dahin und plötzlich kommt es, das kleine freche Mädchen, dass wir brauchen. Viel zu schnell rattert sie eine gut geschriebene Passage aus einem Mädchen-Buch herunter, setzt jede Pointe richtig, die Jury lacht und kritzelt große Pluszeichen auf ihre Unterlagen. Das Mädchen hat Power, wirkt total sympathisch … toll!

Und es bleibt so gut. Die nächste, ein offenes Kind mit kecker Brille, hat vielleicht nicht ganz so viel Power, aber jede Menge Charme, und wieder werden Pluszeichen gemalt …

Da ist man ganz froh, wenn daraufhin ein bisschen weniger los ist. Wer hat eigentlich gesagt, dass man arg frühreife Texte eher unmelodisch singen soll, es geht um eine Sprechrolle?! Aber es gibt keine wirklichen Enttäuschungen, da ist keine bei, der man sagen will: Mädel, für dich ist die Bühne nichts! – allerdings merkt man in einigen Fällen, dass der Weg dahin lang sein wird.

Und dann kommt ein kleines, zartes, blondes Geschöpf, liest einen Text vor, und die Jury weiß, jetzt gibt es ein Problem. Die Kleine geht zu Herzen, hat viel Potential und … so ein Mist, jetzt haben wir drei Gute!!

Dabei bleibt es dann auch. Drei Mädels, von denen man sagen kann, ja, die wäre es, die aber auch … die folgenden Diskussionen sind hart, alle haben Bauchschmerzen, wir hoffen, dass bei den anderen Jurys weniger gute Mädels waren, aber Irrtum, die haben die gleichen Schwierigkeiten. Na toll, wir schicken nun also mindestens eine Handvoll Mädchen einfach weg, nur weil sie nicht der richtige Typ waren, nicht das letzte Quäntchen Power haben, nicht so richtig gut vorbereitet waren. Alle diese Mädchen sollten dringend auf die Bühne, nur halt in anderen Rollen …

Nun gut, letztlich fällt das zweite gute Mädchen raus, die Kleine von fast zum Schluss ist gesetzt, wir entscheiden uns für das lustigere Geschöpf – das ist alles so nah beieinander. Beide Mädchen haben es dann letztlich nicht geschafft, auch wenn die Kleine letztlich die Nummer drei war, das erste Mädchen, dass nicht berücksichtigt wurde, denn die beiden Gewinnerinnen teilen sich die Hauptrolle. Und da war natürlich die Typfrage fast das Wichtigste – die drei ersten sind alle erst zehn Jahre alt, klein, haben was niedliches. Alle sechs Mädchen, die am Ende da standen, hätten es spielen können, alle sechs waren begabt und werden hoffentlich ihren Weg auf den Brettern gehen. Die Entscheidung fiel demokratisch durch Punktvergabe – was wahrscheinlich für alle Juroren das einfachste war. Hier geht es wirklich um Entscheidungen, die ich nicht unbedingt noch mal treffen möchte. Man merkt ja auch, dass das den Kindern wirklich wichtig ist, dass sie sich über die nächste Runde wirklich freuen, und darüber, dabei zu sein … oder ist das schon im sozialen Gedächtnis, weil man ja aus dem Fernsehen weiß, wie man sich bei der Namensnennung verhalten muss …

Im Prinzip denke ich, dass die Aktion gut war, für das Stück schon ein bisschen die Werbetrommel rührt, uns hoffentlich auch ein paar begabte Mädels mehr in die Theatergruppen spült, aber genauso prinzipiell brauch ich das als Juror nicht mehr wieder …