Archiv für den Monat Juni 2011

Die Kultur und das liebe (subventionierte) Geld

Manchmal wird es ja auch auf Feiern ernst, sowas hatten wir letztens, und es wurde diskutiert, dass es richtig Spaß machte. Worum ging es? Um die Subventionierung der Kultur. Anlass genug, sich mal wirklich Gedanken darüber zu machen.

Vorweg: Ich bekomme Subventionen für meine Kunst. Wenn ich mit meinen Theaterkursen auf die Bühne gehe, dann bezahl ich keine Miete, ja, manchmal ist sogar noch in bisschen Budget da, mit dem meine Projekte unterstützt werden. Inszeniere ich für unser Kulturhaus ein Stück – im Mai wird es Woyzeck sein, ich freu mich schon – dann bekomm ich eine kleine Gage, egal, ob das Geld eingespielt wird, oder nicht. Außerdem mach ich Schulprojekte, die vom Land gefördert werden – letztlich ist auch das Kultursubvention, auch wenn man hier von einem gewissen Bildungsauftrag sprechen könnte. Ich profitier also von Subventionen, keine Frage.

Ich vermute allerdings, dass ich auch dann Kultur machen würde, wenn ich in einem System groß geworden wäre, wie man es aus den USA und England kennt – dort gibt es quasi keine Subventionen, Kultur muss Geld einfahren, oder untergehen. Das hat gute und schlechte Auswirkungen. Schlecht ist zum Beispiel die Versorgungslage. Natürlich gibt es in New York alles, aber ebenso natürlich in anderen großen Städten sehr wenig. Das wird allerdings teilweise aufgefangen – Mäzene und Sponsoren machen es möglich. Allerdings mischen die sich teils dann auch in die Programmgestaltung ein. Ein Schelm, der glaubt, dass sich die Politik bei uns in die Programmgestaltung einmischen würde … also zumindest nicht offiziell.

Unter dem ökonomischen Druck, dem die Theater, Orchester und alle möglichen anderen Einrichtungen ohne Subventionen ausgesetzt sind, gibt es zwei Reaktionen: Sicherheitsdenken, dass die Kreativität killt und schlecht für die Kultur ist, und teilweise wahnsinniger Erfindungsgeist, das Arbeiten mit geringem Budget, mit allerlei Einschränkungen fördert ja auch die Kreativität. Hier passieren großartige Momente, große Qualität wird erreicht. Aber es bringt die Avantgarde um – und da ist das Problem. Ein genialer Regisseur wie Robert Wilson arbeitet schon seit vielen Jahren kaum noch in seinem Heimatland, weil seine fantastischen Inszenierungen viele Zuschauer völlig überfordern.  Es ist ganz sicher so, dass man schon eine Menge Offenheit und/oder Theatererfahrung mitbringen muss, um mit seinen Werken etwas anfangen zu können – als Anschauungsmaterial bette ich mal etwas ein:

Jetzt hab ich ja schon über Avantgarde geschrieben, und wie sinnvoll oder nicht sinnvoll sie ist, aber gerade unter dem Geldaspekt muss man noch mal schauen: Kultur entwickelt sich weiter, und wenn jemand behauptet, ihn interessieren diese Weiterentwicklungen nicht, dann muss derjenige sich fragen lassen, ob er keinerlei Kultur in Anspruch nimmt? Keine Fernsehserien und –filme? Keine Kinofilme? Keine Musik? Keine Computerspiele? Keine Bücher? Selbst wer nicht in die Museen, Theater und Konzerte geht, die gesponsert werden, würde sich doch auf Dauer beschweren, wenn die Kultur da stehen bliebe, wo sie einmal ist – die Macher der nicht subventionierten Kunst werden von der Avantgarde inspiriert, die Kultur entwickelt sich insgesamt gemeinsam weiter, und es muss ganz sicher immer künstlerische Labore geben, in denen wirklich Neues aus der Taufe gehoben wird – sonst stagnieren wir und geben der Non-Kultur, wie sie das Fernsehen schon in breiter Front überrannt hat, immer mehr Raum. Und diese künstlerischen Labore zu subventionieren, finde ich auch sinnvoll und gut. Wenn man es mit dem Sport vergleicht, geht es hier um den absoluten Spitzensport, der aber leider einfach verdammt schwierig zu finanzieren ist – gerade im Theater, in der Oper, sind unglaublich viele Menschen an der Herstellung beteiligt, die sollen ja nicht verhungern, und dann ist es natürlich teuer.

Auch an anderer Stelle sind Subventionen absolut notwendig und richtig – und das ist der künstlerische Breitensport. Das sind die von öffentlicher Hand bereitgestellten Proben- und Aufführungs- und Ausstellungsorte, das sind die Unterstützungen für die Künstler, die mit Amateuren, oft auch mit Kindern und Jugendlichen Projekte machen, die nicht perfekt und großartig sind, aber wichtig und engagiert. Das sind die Hilfen für Künstler, die aus einer Region heraus Kunst machen. Das sind die Unterstützungen für die freien Szenen der Städte,  für die künstlerischen Oasen, in denen Städte zu leben beginnen, Kulturzentren, Kulturschulen …

Ich hab natürlich nicht zufällig ein Herz für diese Szene, gehöre ich doch selbst zu denen, die nicht der Hochkultur angehören, sondern mit jungen Menschen, mit Amateuren und Semiprofis so viel Theater machen, wie sie irgend können. Ich spreche übrigens da von den Zuschüssen, die immer als erste gekürzt werden – lange bevor man ans Sinfonieorchester oder das Museum denkt, denkt man in Reihen der „Sparfüchse“ der Politik – die Anführungszeichen beziehen sich übrigens hauptsächlich auf „Füchse“ – an die freie Szene, an die kleinen Theater, denen man die letzten Mittelchen kürzt – denn die sind ja keine Aushängeschilder der Kommunen. Sie sollten es übrigens sein. Punkt.

Aber auch ich bin dafür, Subventionen zu kürzen, aber sicher das. Es gibt nämlich gerade da, wo die Mittelklasse zu Hause ist, jede Menge Sparmöglichkeiten. Es gibt eine Beamtenmentalität an vielen öffentlichen Häusern, manche Produktionen sind ungeheuer aufwändig, ohne dass es künstlerische Gründe gibt, da wird viel vorgetäuscht, was keine wirkliche Substanz hat. Da werden Stücke quasi durch optische Opulenz überfrachtet, anstatt sich um das Stück selbst zu kümmern, da gibt es wirklich schlicht und einfach Verschwendung. Und es gibt viel zu viele Künstler, die sich für Avantgarde halten, ohne auch nur einen Hauch Originalität zu versprühen, ohne künstlerischen Wurf, ohne das notwendige handwerkliche Können.

Ich habe in den letzten Jahren mehr als eine Handvoll Opern in der Kölner Oper gesehen – und außer der Regie von „Samson et Delilah“ von Tilman Knabe habe ich noch keine gesehen, die ich wirklich gut fand. Ein paar waren ganz ordentlich, handwerklich gut gemacht, aber unspannend – und es gab auch ein paar Ausreißer, die annähernd unterirdisch waren. Allen voran, man kann das in meinem Blog von vor einem halben Jahr lesen, die Zauberflöte, die sogar mit rassistischem Blackface-Monostathos daher kam. Da frage ich mich, wofür Opernkarten mit sehr viel Geld subventioniert werden? Und das ist Köln, da gibt es ja noch ganz andere Häuser. Übrigens, weil es hier gerade so schön reinpasst – die Wagnerfestspiele in Bayreuth gehören zu den am stärksten subventionier testen Veranstaltungen der bundesdeutschen Kultur, ein Großteil der Karten wird für Prominente reserviert, und die Normalverbraucher müssen Jahre auf Karten warten – die dann auch noch recht teuer sind – hier ist jede Steuermillion verpulvert und es ist eigentlich ein Skandal, dass man das mit sich machen lässt.

Ich weiß nicht, ob jede größere Stadt eine eigene Oper und ein eigenes Schauspielhaus brauchen, aber ich denke schon, dass man auch und gerade die Einrichtungen der Hochkultur daran messen können muss, wie viele Menschen sie erreichen. Avantgarde sollte vor allem im Bereich der Kunst- und Musikhochschulen, der Schauspiel- und Filmschulen gefördert und finanziert werden – und sich ansonsten auch der Konkurrenz stellen. Ansonsten gehören die Subventionen, so sie machbar sind, in die Breite.  Da sind sie einfach wirkungsvoller. Aber man sollte sich auch keine Illusionen machen, dann sterben Orchester und Ensembles, Museen schließen – zumindest alle, die ihre Hausaufgaben nicht sehr gut machen.

Quick – Ich will mich nicht wiederholen …

… leicht frustriert bin ich heute morgen aufgestanden. Am Samstag ist Festival, zwei Gruppen unter meiner unbedeutenden Leitung treten bei „Wenn Träume Brücken schlagen“ in Solingen auf, und eigentlich freu ich mich. Allerdings gibt es wie eigentlich immer auch nervige Aspekte. Wie immer gibt es Leute, die hoffentlich diese Woche dann mal mit dem endgültigen Lernen ihres Textes beginnen, und wie immer nehmen ein paar Leute die Sache ernst, und andere… naja, sind anders …
Besonders genervt hat mich natürlich, dass wir am Samstag den Flashmob, mit dem wir ein bisschen Werbung machen wollten, ins Wasser fallen lassen mussten, weil wir nicht genug Leute zusammen bekommen haben, die wichtigen Rollen zu erfüllen – da wurde aus der Möglichkeit, sich bei einem Festival zu zeigen wohl mal Arbeit – wie, ich muss am langen Wochenende in die Stadt, un bei so einer seltsamen Aktion mitmachen? – und Arbeit ist einfach nicht schick.
Eben schaute ich dann mal alte Sachen in diesem meinem Blögchen durch, und las einen Artikel, der sich um die nötige Einstellung fürs Theater drehte. (man kann den auch noch lesen, hier nämlich: https://hollarius.wordpress.com/2009/10/15/einstellungen-einstellungen/) Und siehe da, ich hatte doch schon mal mein Leid geklagt, auch wenn die Grundlage damals eine etwas andere war. Habe ich nun zum letzten Mal mein Leid geklagt? Nein, ich werde wohl noch einige Male hier reinschreiben, wenn ich mich mal wieder unverstanden fühle. Ich weiß ja auch, woher es kommt. Ich brenne an diversen Enden, schreibe gerade mal wieder drei Stücke gleichzeitig und bereite nebenbei drei bis vier weitere Produktionen vor. Sowas wie der Auftritt auf einem Festival ist quasi nur Nebensache, kostet mich aber dennoch viel Zeit und Energie. Würde ich mich nur um eine Gruppe kümmern müssen, dann würde ich natürlich viel nachdrücklicher organisieren, alles schriftlich rausgeben, ständig alle an alles erinnern – ich hab aber sieben Gruppen, an die ich denken muss, bald werden es neun bis zehn sein. Da muss ich mich einfach darauf verlassen können, dass die Gruppen mitziehen. Und da werde ich noch viele Male auf die Nase fallen – für mich ist es Lebensinhalt, nicht Hobby.

Mehr Clowns in die Politik!

Ein wenig talentierter Politiker der CDU namens Mißfelder hat in der „Welt“ ein Interview gegeben, und dabei zu dem Vorschlag eines Parteikollegen, man sollte Persönlichkeiten zum Beispiel aus der Kunst in die Gremien schicken, gesagt: „Bürger, die sich in Vereinen engagieren, sind geborene Kandidaten für öffentliche Ämter. Aber Künstler? Vielleicht sollten wir es einmal mit einem Clown versuchen …“
Um ehrlich zu sein, ich finde, es gibt schon genug Clowns, wie zum Beispiel Philipp Mißfelder, in der Politik. Ich glaube auch nicht, dass sich viele Künstler auf das Niveau der CDU herunterbegeben wollen, von daher halte ich diese Möglichkeit eh nicht so realistisch.
Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass ein Zivilversager wie Mißfelder keine Ahnung hat, was Clowns so tun, und dass jeder, der einen guten Clown geben kann, sicherlich mehr Grips haben muss, als man für eine Karriere bei der CDU braucht – man kann sich also sicher sein, dass Clowns hier ignoranterweise abwertend gemeint sind. Die ganze Aussage ist also schon von vornherein ungeheuer selbstdisqualifizierend … aber was mich erst so richtig ankotzt, ist die unglaubliche Arroganz gegenüber der Kunst, die dieser Mißfelder sich erlaubt.
Vieles in mir sagt: Wie war noch mal der Spruch? Was kümmert es den Baum, welche Sau sich an seiner Borke schubbert? – Aber nein, es geht mir auf den Keks! Künstler kümmern sich, Künstler sind das Gewissen der Welt, die Leute, die anderen Leuten das Leben lebenswert machen – nebenbei sind sie auch noch quasi durchgängig Geschäftsleute, müssen mehr organisieren, als solch ein Politiker so vorstellen kann. Der einzige Grund, weshalb Künstler sich nicht um Politik kümmern können, hat mit der Fähigkeit nichts zu tun. Sie haben dafür keine Zeit! Sie müssen sich um Wichtigeres kümmern!

Ronja Rövardotter

Die Person oben ist nicht bekannt? Doch, mit einer kleinen Übersetzung aus dem Schwedischen wird ja Ronja Räubertochter draus, und wer sie dann noch nicht kennt, der sollte sich einfach mal ein gutes Buch zulegen, oder einen guten Film, wie auch immer, auf jeden Fall gleichen Namens. Warum schreibe ich das jetzt? Naja, ich lese gerade eine Werksübersicht der großartigen Astrid Lindgren und aus allen anderen Romanen gibt es da nur Ausschnitte, die Ronja steht vollständig drin – und ich habe die Lektüre eben erst beendet.

Natürlich habe ich das Buch nicht zum ersten Mal gelesen. Zwar kannte auch ich den Film früher, wie das vielen gehen wird, aber vor gut zwanzig Jahren hatte ich das Buch schon mal gelesen. Nicht als Kind, dafür bin ich ein paar Jahre zu alt, ich habe mit 15-16 Jahren die Bücher von Astrid Lindgren und Michael Ende nachgeholt, weil ich die in der Kindheit eben nicht gelesen hatte. Viel jünger kann ich auch bei der ersten Sichtung des Films nicht gewesen sein – schließlich bin ich nur ein bis zwei Jahre jünger als die beiden damals jungen Hauptdarsteller des Films, und rechnet man zwei bis drei Jahre auf die Entstehungszeit drauf, bis der Film im deutschen Fernsehen zu sehen war, so war ich gerade auf dem Einstieg in die Pubertät, als der Film das erste Mal lief.

Trotzdem gehört dieser „Kinderfilm“ zu meinen allerliebsten Filmen, kaum einen Film habe ich so oft gesehen, und wenn man meint, ich könnte ihn nach so vielen Sichtungen eventuell schon mitsprechen, ja, dann hat man wohl Recht. Besonders gemerkt habe ich das jetzt beim Lesen des Buches. Wenn man weiß, dass Astrid Lindgren bei dem Film durchaus mitmischte – sie schrieb das Drehbuch selbst -, dann verwundert vermutlich nicht, dass es fast keine Änderungen zwischen Buch und Film gibt. Fast sämtliche Dialoge sind wortgleich, kaum ein Bild des Buches, das nicht auch zu einem Bild des Films wurde – und so liegt es nicht nur an der plastischen Erzählweise der großen Autorin, dass man ständig die Stimmen im Ohr hat, die Bilder bei jedem Zwinkern vor den Augen tanzen, sondern auch an dieser unglaublichen Nähe von Buch und Film.

Ganz witzig ist es dann, wenn man von den Interpreten liest, von den Literaturwissenschaftlern, die meinten, Ronja Räubertochter wäre höchst religiös – 12, in Worten ZWÖLF, Räuber, in der Nacht von Ronjas Geburt wird die Burg von einem Blitz in zwei Teile gespalten, Birk wurde in der gleichen Nacht geboren -, ich glaube, es ist einfach nur ein Buch über die Macht der Liebe und über das Erwachsen werden … und ganz nebenbei spannend, witzig und voller Herz – reicht mir auch ohne weitere Botschaften.