Archiv für den Monat März 2020

Kurzessay – Eine Zeit der Veränderung

Eine echte Pandemie, wir Geeks hatten ja eher auf eine Zombieapokalypse gehofft, aber es ist zumindest ein Anfang. Klingt zynisch? Ja, ist es auch und es ist eine typische Art, auf die momentane Situation zu reagieren, sie zu verarbeiten. Es ist eine Notsituation, so echt und dennoch unwirklich, wie die meisten von uns sie noch nicht erlebt haben.

Einige machen sich große Sorgen um Menschen in Isolation, um Menschen in schwierigen Beziehungen, um Lagerkoller und Suizide – und diese Sorgen sind natürlich berechtigt, vor allem, wenn es Mai wird und wir immer noch in dieser seltsamen leeren Welt leben. Aber dennoch werden die meisten Menschen mit der Krise verhältnismäßig gut klar kommen. Sie werden solidarisch sein. Sie werden geduldig sein und so manches mit Humor nehmen. (Ich bin Rheinländer, ich bin mir relativ sicher, dass wir das hier so hinbekommen. Und ich hoffe, dass die ganzen Vorurteile über den fehlenden Humor der Nicht-Rheinländer einfach nicht stimmen.)

Warum ist das so? Warum werden die allermeisten Menschen hieran nicht kaputt gehen? Weil wir so gebaut sind. Wir kommen mit extremen Situationen verdammt gut klar und viele funktionieren unter Druck sogar besser als sonst. (Soll kein Angriff auf die sein, wo das anders ist. Ihr müsst nicht funktionieren!) Es gibt eine Menge Notschalter in unseren Hirnen, die in solchen Situationen von selbst einrasten und euch über schwierige Situationen weghelfen.

Heute ging auf Twitter so ein Autovervollständigungsmeme herum: „Wenn die Pandemie vorbei ist, werde ich als erstes“ – den Rest soll das Smart Phone ergänzen. Aber ganz so smart sind die Phones nicht. Und deswegen stand da ganz selten: …werde ich als erstes zusammenbrechen. Oder … werde ich als erstes meine Partnerschaft beenden. Oder … werde ich als erstes meinen Job kündigen. Aber genau das wird passieren.

Wir werden den Scheiß zusammen durchstehen, und dann wird jeder einen Moment nehmen müssen, um sich zu überlegen, wie kann ich diese Krise verarbeiten? Und für viele wird der Moment danach ein Moment der Veränderung sein. Ist doch auch ganz logisch. Wir haben gerade erlebt, wie innerhalb von Tagen das ganze Land heruntergefahren wurde. Sind damit aus unseren Gewohnheiten geworfen, und oft auch mit Dingen konfrontiert, die wir sonst nicht so sehen oder sehen wollen. Wir haben auch die Möglichkeit mal zu schauen, wie ein anderes Leben so aussehen könnte.

Und deswegen wird die Zeit nach der Pandemie für viele eine Zeit der Veränderung sein. Wir haben jetzt genug Zeit, um darüber nachzudenken, wie diese Veränderungen aussehen könnten. Wir sind entschleunigt – etwas, was eigentlich schon lange nötig war. Wir werden dieser Pandemie gesellschaftlich irgendwann dankbar sein, oder sie noch viel mehr verfluchen, als wir es uns heute vorstellen können.

Regieren, nicht Reagieren

Wir sehen in Italien, wie sich die Corona-Pandemie auswirkt, wenn zu spät gehandelt wird. Und weil wir in Deutschland ja auf keinen Fall in den Ruf kommen wollen, von den Fehlern anderer lernen zu wollen, wird es in hier also in drei Wochen genauso aussehen. Italien ist inzwischen bei über tausend Toten, und die Zahlen steigen. Ach ja, und Italien hat weniger Einwohner als Deutschland, wir können also auch von höheren Zahlen in ungefähr drei Wochen rechnen.

Ich habe mir gestern angehört (als Besucher des Kreisausschusses), wie der hiesige Landrat davon gesprochen hat, was gerade alles getan wird. Und ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass er und seine Mitarbeiter gerade meinen, die Krise so gut anzugehen, wie es ihnen möglich ist. Noch weniger zweifele ich daran, dass wirklich viel Arbeitszeit investiert wird. Der Landrat und seine Mitarbeiter sind unter großem Druck, sie sind sichtlich mitgenommen und ich zweifel auch nicht daran, dass sie die Situation ernst nehmen. Keiner sagte „flatten the curve“, aber sie zeigten, dass sie genau dieses Konzept immerhin auch verstanden haben.

Aber natürlich stehen ihnen ihre Prioritäten im Weg. Denn ihre Priorität ist, das Leben in normalen Bahnen weiter laufen zu lassen. Sie reagieren mit der gleichen Engstirnigkeit, aus der heraus sie mit der Klimaerhitzung nicht klar kommen. Sie denken nicht darüber nach, was man tun muss, um die Katastrophe wirklich zu bekämpfen, sie überlegen nur, was man tun kann, ohne die Wirtschaft zu belasten, oder die öffentliche Meinung zu sehr gegen sich aufzubringen. Sie denken also nicht vom Problem her, sondern von daher, wie man eventuell das Problem mit ihren normalen Prioritäten bestmöglich vereinbaren kann.

Und genau das geht nicht. Weder bei Corona, noch bei der Klimaerhitzung. Das Denken „out of the box“, eine Phrase, die zumindest mal geläufig war, ist heute absolut nicht gefragt, und deswegen kann das auch niemand mehr. Das Wort „Notstand“, von vielen politischen Diskussionen vergiftet, ist dann halt auch irgendwann vergessen worden. Es gab ja seit Jahrzehnten keinen wirklichen Notstand mehr und jetzt weiß halt auch niemand mehr, wie man sich in einem solchen verhält.

Sinnvoll wäre es, sowohl in Sachen Corona, als auch in Sachen Klima, klar den Willen zum Regieren zu zeigen und das zu tun, was die Wissenschaft vorschlägt. Das kann ja gerne mit Erfahrungen und Ideen kombiniert werden, aber was nicht funktioniert, ist das Rückzugsgefecht, denn das wird immer dazu führen, dass die wichtigen Maßnahmen immer zu spät kommen. Eine Zeit des Notstands ist kein Zeitpunkt für Kompromisse, sondern für konsequente und mutige Entscheidungen. Die werden wir nicht bekommen, oder wir bekommen sie zu spät.