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Über Vorschläge …

Juhu, mal wieder ein Theaterblog, wird wahrscheinlich nicht der einzige dieser Ferien bleiben, bin momentan nicht in der Nähe einer Bühne und so sehr in Gedanken auf der einen oder anderen solchen, dass ich manchmal nicht richtig lebenstüchtig wirke … also alles wie immer …

In den letzten Monaten tauchte in diversen Gruppen, mit denen ich zu tun habe, das Problem auf, dass die Mitglieder dieser Gruppen sich unzufrieden zeigten, und sie hatten alle etwas gemeinsam, es ging um Stückauswahl. Nun bin ich ja jemand, der ein solches Thema immer etwas umfassender durchdenken will, und meine Erfahrungen habe ich in den letzten Jahren auch zu Genüge gemacht.

Mathematisch, wie ich nun mal denke, muss ich erst mal die Voraussetzungen klar machen. Ich beziehe mich auf Amateur- und Jugendtheater, auf Gruppen, die aus Neigung und Liebe ins Theater gestolpert sind, dort Musical und Sprechtheater betreiben. Dazu kommt die Tatsache, dass sich die Leiter professionell um ihre Aufgabe kümmern, also für ihre Arbeit auch bezahlt werden, allerdings üblicherweise so, dass eigentlich keine Produktionen drin sind, da die zusätzlichen Arbeiten, die zu einer Produktion gehören, so umfangreich sind, dass Stundenlöhne sich dem berechnen entziehen, oder – so man sie doch berechnet – schwere Sinnfragen stellen. Wir sind also im Bereich von ambitioniertem Amateurtheater.

Das professionelle Theater kennt die nun folgenden Probleme nicht, da sind die Darsteller angestellt und haben gefälligst zu tun, was die Intendanz entscheidet. Im Amateurbereich kostet das Theater die Darsteller Geld, Theater ist ihr Hobby – im Vergleich mit Tennis ein preiswertes, aber ein Hobby für das man Geld ausgeben muss. Mit diesem Vorwissen ist es nicht so sehr überraschend, dass die Darsteller manchmal meinen, sie hätten geradezu die Pflicht, sich in die Stückauswahl einzumischen. Beim Kinder- und Jugendtheater kommen hier auch noch die Eltern ins Boot, die das Theater ihrer Kinder am liebsten harmlos und niedlich hätten – ich verallgemeiner, es gibt extrem aufgeschlossene Eltern, die wirklich ein großer Gewinn sind, es gibt auch jede Menge Darsteller, die ihren künstlerischen Leitungen einfach nur vertrauen, die jeden Blödsinn mitmachen und am meisten Spaß dabei haben, auch mal was sehr Verrücktes und sogar Provokantes zu machen. Aber schon klar, dass man Wünsche hat, das ist doch normal. Bei den Leitenden kommen diese Wünsche oft nicht gut an – und das liegt in der Natur der Sache. Als eher unbedarfter Darsteller gehe ich ja davon aus, dass man einfach nur einen Vorschlag macht, deutlich macht, was man gerne mal machen würde und vielleicht was bewirkt. Bei der künstlerischen Leitung kommt das erst mal als Genörgel an – je nach Ton sogar als nerviges Genörgel – selbst wenn es nicht so gemeint ist. Jetzt bemüht sich ein Regisseur ja immer darum, interessante Stoffe zu finden, interessante Stücke zu finden – oft mehr als zwei oder drei Jahre im Voraus. Und dann kommt da jemand her und sagt, können wir nicht mal was Lustiges machen? Können wir nichts Populäres machen? Können wir nichts machen, was uns Zuschauer bringt?

An der Stelle tickt man natürlich innerlich aus. Innerer Monolog: ‚Etwas, was Zuschauer bringt? Ja, hast du sie noch alle? Was glaubst du, wie ich plane? So, dass möglichst wenige Zuschauer kommen?‘ – rein äußerlich lässt man sich natürlich kaum etwas anmerken, aber das trifft einen schon. Das klingt ja, gut gemeint wie es sein mag, einfach nach einer fiesen Unterstellung. Jetzt kommt noch eine Sache hinzu, die nochmal tiefer trifft. In den Gruppen, von denen ich sprach, ist es relativ üblich, dass die künstlerische Leitung auch als Autoren und Komponisten aktiv sind, sprich, eigene Stücke auf die Bühne bringen. Der mehr oder weniger versteckte Vorwurf der immer wieder erhoben wird, ist dann: „Wenn wir bekannte Stücke machen würden, dann hätten wir auch mehr Zuschauer. Ihr macht das ja alles nur, um Eure eigenen Stücke auf die Bühne zu bringen, als ob nur Ihr was Vernünftiges schreiben könnt … etc.“

Das tut weh! Ganz einfach und direkt, denn es trifft ein bisschen – natürlich ist man stolz auf jedes eigene Stück, natürlich gehört das Schreiben zu den Sachen, die einem wichtig sind – und noch viel mehr ist es unfair. Ich, zum Beispiel, habe das Schreiben von Stücken angefangen, bevor ich ernsthaft ins Regiebusiness einstieg, habe aber beides eigentlich nicht verbunden. Aber dann habe ich die Realitäten des Jugendtheaters kennengelernt. Junge begabte Menschen wollen Theater spielen, doch die Gruppe ändert sich von Woche zu Woche, man kann sich nie darauf verlassen, dass man nicht drei Wochen vor der Premiere noch eine Abmeldung bekommt, oder fünf Wochen vorher noch eine neue Rolle gebraucht wird. Und dann gibt es kaum Stücke für junge Gruppen, und dann sind alle Stücke so gestrickt, dass man sieben Rollen für Jungs hat und nur drei für Mädels, man hat aber acht Mädels und zwei Jungs – und ist noch froh, dass es so viele männliche Wesen gibt. An der Stelle habe ich aus Notwehr angefangen, die Stücke für meine Gruppen selbst zu schreiben – allerdings nicht immer, das letzte eigene Stück bei meinen Großen habe ich vor vier Jahren gemacht, alles andere war bestenfalls von mir dramatisiert, aber keine eigenen Stücke. Wenn man Stücke auf Gruppen hin schreibt, dann ist das auch nicht das literarische Arbeiten, dass man sich so vorstellt. Ich hab dann eben nicht nur das Stück im Hinterkopf und lass es langsam durch meine Finger auf die Tastatur tropfen, ich muss immer überlegen, kann der Mensch das spielen, ja, das wäre eine hübsche Rolle, aber ist wer dafür da? Und kommt die nach der Szene mit dem Umziehen hin? Und woher nehm ich jetzt noch eine Mädchenrolle? – Nein, will ich einfach nur ein Stück schreiben, dann habe ich vielleicht bei der einen oder anderen Rolle einen Darsteller im Hinterkopf, den ich mir in dieser Rolle vorstelle, das kann dann aber auch gut jemand sein, mit dem ich vor zehn Jahren mal zusammen gespielt habe oder eine Darstellerin, die leider vor einiger Zeit aufgehört hat – ich nutze da nur die Gesichter als Anhaltspunkte. Das richtige Schreiben ist frei von den Zwängen, die von den Gruppen aufgelegt werden – im besten Fall habe ich ein Grundthema, bei dem eine gewisse Anzahl an Rollen vorhanden ist, die der Anzahl an Menschen in der Gruppe grob entspricht, dann kann ich drauf los schreiben, sehr angenehm das.

Ja, ich merke, ich verteidige das Schreiben, das Selbst-Schreiben – aber das ist es ja nicht allein. Ich weiß nicht, wie das bei anderen ist, ich auf jeden Fall lese immer wieder Stücke, höre sie als Hörbücher, schaue mir auch einiges an, und bin dabei immer auf der Suche nach neuen Stücken für meine Gruppen, ich überlege an vielen Projekten, überdenke dabei die Gruppenkonstellation, die Möglichkeiten der Produktion – Budget ist hier ein nettes Stichwort – die Frage, ob sich ein Publikum findet, ob man etwas dem leicht provinziellen Publikum überhaupt vorsetzen sollte – und dann kommen völlig unspezifische Wünsche, die das Gefühl vermitteln, dass man eigentlich immer nur Mist macht, zumindest aus Sicht seiner Darsteller – an manchen Tagen wünscht man sich dann halt doch andere Tätigkeiten. Natürlich kommt einem da auch manchmal die Idee, dem Gegenüber vor Augen zu führen, wie weit er denkt; dass man alle Gedanken, die er sich da gerade macht, schon vor Jahren gemacht hat, dass man sich beide Beine ausreiße, um richtig gutes Theater mit relativ wenig Mitteln zu machen, dass man an Rechte und Budgets, an Besetzungen und Bühnenverhältnisse denkt, mit denen die Vorschläge so gar nichts zu tun haben, und das geht durchaus so weit, dass man die oft eher fantasielosen Vorschläge auch ablehnen muss, weil man einfach weiter ist, weil man kein schlechtes Boulevardtheater machen will – gutes Boulevard gern, aber es ist wenig zu finden, fast alles völlig überholt und dann auch noch so schwer, dass es die Hälfte der durchaus guten Gruppen überhaupt nicht auf die Reihe kriegen würde -, und letztlich, ich bau eine Gruppe auf, setze Herzblut herein, setze Engagement rein, arbeite oft genug für drei Euro pro Stunde und jetzt nehm ich mir auch das Recht raus, weiterhin zu entscheiden, wo es hin geht. Wenn jemand den Weg nicht mitgehen will, bitte, Reisende soll man nicht aufhalten.

Das klingt viel härter, als es ist, natürlich versucht man Kompromisse zu machen, natürlich hört man auch wohlwollend zu, wenn Kritik und Vorschläge kommen. Aber mal ein Tipp: Sucht Stücke, lest, hört, seht. Und wenn Ihr etwas gefunden habt, was von der Besetzung her geht, wenn Ihr wisst, dass die Rechte zu einem nicht allzu erschreckenden Preis zu erwerben sind. Wenn Ihr wirklich begeistert davon seid – dann geht hin, zur künstlerischen Leitung, zum Regisseur, und dann gebt Eure Begeisterung weiter, denn für Begeisterung haben wir doch immer ein Ohr.


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Wie viel muss der Zuschauer verstehen?

Ich versuch gerade nach Kräften einer Schulproduktion zu helfen, einem kleinen von Schülern selbstgeschriebenen Musical mit ABBA-Songs, das schauspielerisch ein wenig gecoacht werden muss. Dabei unterhält man sich natürlich mit den Kollegen über diverse Dinge und dabei kam die Frage auf, was die Zuschauer verstehen müssen, und was nicht.

So eine Frage führt bei mir ja schon mal zu Meditationen – ich hab mir diese Frage noch nie gestellt, obwohl ich nun schon einige Jahre die Position des Autoren und Regisseurs gerne inne hab. Natürlich hab ich eine impulsive Meinung, die ich nicht geäußert habe, weil ich mir im fast gleichen Moment dachte, dass das eine Meditation verdient.

Das eine Extrem: Ich versteh nix!

Es kommt selten vor, aber es passiert. Das Stück beginnt, ich sehe Bilder, ich höre Sprache und frage mich die ganze Zeit, was denn da los sei. Da ist die Inszenierung nur rudimentär mit dem Text verknüpft, der Regisseur hat vor lauter Ideen vergessen, dass er gefälligst eine Geschichte zu erzählen hat, oder zumindest Mini-Dramaturgien ausspielen muss. Inszenatorische Onanie! Find ich ätzend.

Das andere Extrem: Alles wird erklärt!

Bei manchem Klassiker ist es sogar stückimmanent – die ganze Zeit wird jedes Detail herausgeplärrt, auf das der „doofe“  Zuschauer auch wirklich keinen Zusammenhang verpasst, also gar keinen. Deswegen hat es ja oftmals auch Sinn, Klassiker zusammenzustreichen, aber das nur nebenbei. Auch passieren nur Sachen, die angekündigt und reflektiert werden, alles wird erklärt, es gibt kein Geheimnis mehr – auch furchtbar. Das ist einfach kitschig und noch viel schlimmer, es ist langweilig. Die Zuschauer brauchen nicht mitdenken, das ist nur für die ganz hartgesottenen RTL-Zuschauer erträglich, und die gehen nicht ins Theater. Macht man es dem Zuschauer zu leicht, schläft er ein.

Der Mix macht es – natürlich!

Ach  ja, wie so oft in der Kunst, es dürfen einfach nicht die Extreme sein. Es muss Geheimnisse geben, es muss Sachen geben, die man nicht im ersten Moment versteht. Ja, es ist sogar erlaubt, dass man einzelne Details als Zuschauer übersieht, dass man ein paar Sachen gar nicht so einfach verstehen kann. Wie wunderbar, wenn man ein Stück dreimal sehen muss, bis man alles verstanden hat. In einem Stück über Widerstand im dritten Reich gab es mal den legendären Satz „Ich war gerade beim „T“ von Arschloch“ – ein junger Mann war beim Malen von Parolen überrascht worden. Der junge Mann, der diesen Satz sagte, hat den Gag dahinter erst beim dritten Proben nach Erklärung verstanden – und das, obwohl er meistens ein cleveres Bürschchen ist. Natürlich meinte seine Rolle, dass er gerade das „T“ in Hitler geschrieben habe – damit die Leser den Gag auch erklärt bekommen, Entschuldigung, ich will nur mit offenen Karten spielen. Ich persönlich habe mich beim Schreiben des Gags schon mal kräftig amüsiert, ich fand ihn auch im Stück noch recht lustig. Von den gut zweihundert Zuschauern, die das Stück damals gesehen haben, haben da nicht so viele gelacht, nein, das haben nicht viele verstanden, wer denkt auch um so eine Ecke? Aber die, die es nicht verstanden haben, verpassten nichts Wichtiges, und die, die es verstanden haben, hatten einen kleinen Extrakick. Fand ich super, find ich auch heute noch super.

Und das bringt mich zu einer These: Das Wichtige muss einfach zu verstehen sein. Aber je mehr kleine Gags im Hintergrund liegen, je mehr Geheimnisse und gut durchdachte Anspielungen die Zuschauer bereichern, desto besser. Das grundsätzliche Stück sollte da nicht drunter leiden, man kann auch mit Gags an der falschen Stelle und Anspielungen und Zitaten an Stellen, an denen einfach Wichtigeres stehen müsste, ein Stück kaputt machen. Es gibt Momente, in denen die Zuschauer nicht mehr denken dürfen, sondern fühlen müssen.

Also noch mal eindeutig, die Zuschauer müssen nicht alles verstehen. Das Wichtige müssen sie aber verstehen, sonst fühlen sie sich völlig zu Recht betrogen.

Zwei Fragen bleiben:

Muss alles logisch sein?

Klare Antwort: NEIN! Nein, es muss nicht alles logisch sein, aber auch das ist eine zweischneidige Sache. Es gibt eine Bühnenwirklichkeit, der Typ, der zwanzig Zentimeter am Kollegen vorbeigeht, ihn aber nicht sieht, weil es gerade so sein muss, oder die klassische Haushälterin, die immer mal wieder über die Schulter ihre wirkliche Meinung über die Herrschaften in Richtung Publikum laut flüstert – was die Herrschaften natürlich nicht hören. Ich mag es gern auch noch ein bisschen anarchistischer und ironischer, ich hab einen großen Spaß daran, wenn die Rollen in wiederum nicht gerade den emotionalsten Momenten bemerken, dass sie in einem Theaterstück mitspielen, wenn an einer Stelle, an der sie nicht da sein kann, die Gouvernante hereinschaut und um Ordnung bittet, weil das ja nun mal ihr Job ist. So kleine Cracks in der stückimmanenten Logik sollten in Komödien immer erlaubt sein – wie gesagt, nicht an Stellen, die wirklich wichtig für die Handlung sind. Man sollte Logik nicht zu ernst nehmen – die Geschichte schon, die Logik, och nö …

Muss alles durchdacht sein?

Auch nicht. Wie oft passiert es: Man probt eine Szene zum ersten Mal, die Darsteller gehen auf die Bühne und machen etwas, und man sagt: „Das ist gut, machen wir so.“ – Und irgendwann fragt ein Zuschauer, warum hat er denn das so gemacht, warum kam sie von dort, und bietet gerne auch noch eine Interpretationsmöglichkeit an. Und dann steht man da, nickt wissend und denkt sich – ähm, Interpretation, nun, es sah gut aus … Instinkt oder so … manchmal hat Kunst vielleicht einfach was mit Können zu tun, und nicht mit Denken. Und es gibt ja oft auch den Moment, in dem man diesen kleinen unsicheren Schritt geht, von dem man weiß, dass er irgendwie richtig ist, dessen Begründung oft erst deutlich später nachkommt, vielleicht aber auch nie, und der eben trotzdem richtig ist. Es ist eben doch Kunst, und die ist nicht immer plausibel, rational und durchdacht.

Elisabeth – Düsseldorf – Capitol – Derniere

Ja, da war ich – weil ich endlich mal Elisabeth on stage und nicht on DVD erleben wollte, wo man ja nur die Hälfte mitbekommt. Und ja, endlich war es mal wieder ein Erweckungserlebnis, eine Regie die grandios ist, ein Musical, das Schwächen, aber auch große Stärken hat, ein Bilderreigen, der wieder für ein paar Wochen die Begeisterung fürs Theater auf 150 Prozent bringt.

Elisabeth hat keine Schwächen? Oh doch, klar, vor allem musikalische. Leitmotivik mag eine schöne Sache sein, doch so ganz ohne große Variation die immer gleichen Melodien auf Publikum loszulassen, ist manchmal auch anstrengend – zumal die Kernmelodie, Elisabeths „Ich gehör nur mir“ eine überaus kitschige ist, die an Fernsehmusik aus den 80ern erinnert. Überhaupt gibt es eine zu große Menge Balladengeschwafel, einige davon sind auch wirklich ganz gut, aber dann irgendwann in der Menge und im Reprisenreichtum anstrengend. Daneben ist Kaiser Franz-Josef leider eine völlig untheatrale Rolle, ein Waschlappen, der keine Kraft hat, der kein Charisma haben darf, der dann aber eben auch das Publikum nur peripher tangiert.

Aber es gibt ja auch die boshaften Nummern, die tollen Ensembles, die großartige dramaturgische Idee, den Tod als Liebhaber Elisabethens einzubauen – und in diesem Fall auch eine ziemlich coole Sau, die den Lucheni spielt, großartige Leistung. Aber vor allem muss man dankbar sein, dass die ursprüngliche Inszenierung von Harry Kupfer gespielt wurde, düster romantisch, mit vielen witzigen Momenten und Ideen gespickt, mit einer Choreographie, die mich zum Tanzfan macht – natürlich hat das eine starke Künstlichkeit, aber die ist quasi in die Dramaturgie der Stückes ja schon eingebaut und wirkt daher völlig richtig. Das Pferdeballett, dass die (wunderbare) Erzherzogin Sophie mit ihren Truppen aufführt, ist so nah an der Lächerlichkeit, und dennoch schlicht großartig – was für ein schmaler Pfad, wie großartig beschritten! Hier kann man Regie sehen, wie sie sein soll, einfallsreich, dem Stück dienend, und doch anspruchsvoll und sich der Sprache des Theaters virtuos bedienend.

Das Personal an diesem Dernierenabend ist zu einem sehr großen Teil sehr gut – allein, der Tod kann nicht überzeugen – zu weich die Stimme, zu sehr Milchbubi – leider setzen sich überall diese jungen Sänger durch – ich musste mir auch schon mal einen sehr ähnlich mädchenhaften Helden im Starlight Express anschauen – aber so einer wird nie zum Helden, sorry. Elisabeth hingegen, wirklich gut! Und da stört auch ein vergeigter Ton nicht, diese Elisabeth, die auch richtig aussich raus kommen kann, ist wirklich überzeugend.

Was mich als halbwegs klassisch ausgebildeten Sänger ein wenig anstrengt, ist die völlige Hinwendung zum Shouting, einer Gesangsart, in der eben hauptsächlich geschrien wird, kontrolliert zwar, aber doch eben geschrien – da gibt es dann doch einige Momente, in denen der Gesang einfach zu hart wird, nicht mehr gut klingt, eigentlich gar nicht klingt.

Trotz der Kritikpunkte, Elisabeth war ein Erlebnis, ein starker Theaterabend, einer dieser Momente, in denen man wieder wo wirklich weiß, warum man sein Herz an das Theater verloren hat.

Kritik

Ich hasse Kritik, wie alle Regisseure hasse ich Kritik. Beschwert sich jemand, halte ich mir die Ohren zu. Hat jemand bessere Ideen als ich, dann bin ich demjenigen persönlich auf Monate hin sauer. Ich bin Regisseur, ich bin Chef …

So, einmal den Quatsch hingeschrieben, ich befürchte, solche Regisseure gab es mal, gibt es hier und da vielleicht noch, aber ich jetzt persönlich, bin nicht so. Ich finde Kritik richtig gut. Ich finde alles gut, was dem Stück hilft. Und wenn andere bessere Ideen haben als ich, dann setze ich diese Ideen um.

Aber eine Sache ist doof, wenn Kritik schwammig und unkonstruktiv kommt. „Finde ich nicht gut“, ist immer ein Totschlagargument, jedes „Nein“ ohne Begründung ist der Tod aller Kreativität – schon ein „Nein“ mit Begründung kann im falschen Moment furchtbar sein, aber ohne Begründung …

Das Problem ist natürlich auf der einen Seite, dass die unkonstruktive Kritik nicht weiterhilft, schlimm ist das, klar, aber noch viel schlimmer ist das Gefühl, das dabei rumkommt. Man hat ein Gefühl für sein Stück, vielleicht sogar ein kleines bisschen Euphorie, will mit Freude weitermachen, und dann schlägt diese Art von Kritik so richtig in die Magengrube. Denn die transportiert eine Sache: Negative Energie. Und die ist im Allgemeinen immer ein Problem – ich setze sie nur in einem Fall künstlich ein, wenn ein Ensemble zu euphorisch vor einer Vorstellung ist – dann nämlich braucht es ein bisschen negative Energie, um zurück zur Konzentration zu kommen. Im Probenprozess brauch ich negative Energie ungefähr so dringend wie einen Tritt in den Unterleib.