Archiv für den Monat Juli 2012

Batman, Bane und eine unlogische Bombe

Nun also „The Dark Knight Rises“, der dritte Film einer kleinen Serie um den Fledermausritter, die sicherlich ihren Platz in der Filmhistorie einnehmen werden, und wenn es wegen der heute schon legendären Schauspielleistung des zu früh verstorbenen Heath Ledger als Joker im zweiten Film. Und das kann man  schon mal im Voraus sagen, eine ähnlich ansprechende Leistung ist im dritten Teil nicht zu sehen – das gibt die Geschichte in diesem Fall aber auch nicht her.

SPOILERWARNUNG – wer den Film noch nicht gesehen hat, ich erzähle teilweise unverblümt, was passiert, also Weiterlesen auf eigene Gefahr.

Christopher Nolan, auserkorener Nachfolger von Stanley Kubrick, hat in diesem Batman vieles richtig gemacht. Sparsam setzt er ein paar Lacher, die dafür dann aber auch wirken, sein Bösewicht Bane ist wirklich einigermaßen böse, speziell, weil er so freundlich und geschliffen spricht – ich frage mich, ob er das im Englischen auch macht. Die Geschichte könnte ein bisschen überraschender sein, hat aber eine schöne Endgültigkeit – aber wie so gerne bei Nolan, so richtig mitfühlen kann man eigentlich nicht. Nun das wäre keine Neuigkeit, keine Motivation für einen Blogpost. Kommen wir also zu den wichtigen Punkten.

Erst mal die Sozialkritik: Erst ist es die Meisterdiebin Catwoman, die davon spricht, dass eine Revolution unterwegs ist, später ist es Bane, der die Revolution predigt. Und das macht er auch noch richtig charismatisch, auch wenn man als Zuschauer immer weiß, dass das für ihn nur ein Trick ist. Und einiges, was da gesagt wird, darüber, dass irgendwelche Börsenheinis die Menschen ausnutzen und ausbeuten, darüber, dass immer mehr Geld bei den wenigen zusammen kommt, die eh schon genug haben, das ist absolut richtig. Bane konnte einem da richtig sympathisch werden. Allerdings gibt es da zwei Interpretationen. Nolan bringt diese Argumente, damit sie ausgesprochen werden, und dabei sit es egal, ob Bane sie ausspricht oder jemand anderes. Die andere Interpretation ist unsympathischer: Es ist Bane, der solches ausspricht, damit die Zuschauer von aller Sozialkritik weg gebracht werden. Eine Konnotation mit dem Bösewicht sagt, dass solche Gedanken selbst schon böse sind. Und das wäre bei den momentanen sozialen Verhältnissen in den USA – aber auch immer mehr bei uns – schon enorm zynisch.

Am Ende bleibt alles, wie es ist, also politisch, und das ist dann in Ordnung? Also, wenn die Probleme schon angesprochen werden? Sorry, finde ich so nicht in Ordnung.

Die andere Sache. Es geht um eine Neutronenbombe mit einem Explosionsradius von sechs Meilen, wie im Film erklärt wird. Diese bringt Batman mit dem Hubschrauber-Bat innerhalb einer Minute so weit weg, dass man nur noch die Explosion in der Ferne sieht. Ähm, wie schnell soll dieser Hubschrauber sein? Und die zuschauenden Einwohner von Gotham kriegen keine Druckwelle ab? Das Meer kommt nicht drei Minuten später in einer riesigen Flutwelle? Müssten nicht Tonnen an Wasser verdampft sein, das Meer kochen, und dadurch Riesenwellen ausgelöst werden – bin ich jetzt so ein Physiknixblicker? Und warum hat eigentlich ein Kernreaktor, der instabil wird, einen Countdown bis zur Explosion? Kann man so was sekundengenau bestimmen?

Das waren jetzt nur ein paar Unstimmigkeiten die uns gestern nach dem Film so auffielen. Jetzt ist mir schon klar, dass Logik nicht das wichtigste in einer Comic-Verfilmung ist. Aber eine solche Verharmlosung von Atomwaffen, das finde ich auch ganz schwierig. Und es ist einfach ein Bruch der Film-internen Logik und Physik – und das darf man auch in noch so fantastischen Genres gar nicht. Ist ein vielfach geschriebenes ungeschriebenes Gesetz der Erzählkunst.

Ja, mir hat der Film über weite Strecken Spaß gemacht, ja, Nolan versteht sich auf gute Bilder, aber ein Klassiker wird dieser Batman nicht.

So etwas wie Freiheit I: Freunde und Familie

Die Überschrift leitet wahrscheinlich fehl, was Besseres habe ich aber noch nicht gefunden. Worum geht es? Vor vielen Jahren, Jahrhunderten, ja, Jahrtausenden hatte der Familienverband großen Wert für die Menschen. Hier war die Struktur, die gemeinsam arbeitete und lebte, Kinder aufzog und sich vermutlich auch erbittert stritt – Familien sind halt so.

Auch heute noch sind familiäre Bindungen oft sehr stark, und viele sind auch heute noch bereit, sich für die Familie aufzuopfern und man sichert sich gegenseitig ab – aber trotzdem hat die Welt sich weitergedreht. Der Familienbegriff ist heute anders. Und oft inkludiert er Menschen, zu denen keinerlei Blutsverwandtschaft besteht. Auch diese Vorstellung, dass es nur als möglichst heterosexuelles Paar möglich ist, eine Familie zu gründen, hat sicherlich mal einen Sinn gehabt, aber hat sich das in einer aufgeklärten Welt nicht irgendwann auch mal überlebt?

Viele Menschen leben anders. Patchwork ist heute eben nicht nur eine Strickdecke sondern auch oftmals Familienrealität. Und außer ein paar spießigen Nachbarn interessiert das zu Recht nicht mehr viele Menschen. Es hat auch niemanden zu interessieren, denn das ist eine Entscheidung, die zwischen Menschen fällt, und nur die geht es etwas an.

Aber es gibt rechtlich Probleme. Was, wenn ich im Krankenhaus liege, so Intensivstation, mein Bruder darf mich besuchen, der beste Freund aber nicht? Was, wenn die selbstgewählte Familie sich über den Zustand erkundigen will? Was ist mit Erb- und Steuerrecht? Und verdammt noch mal, wenn Menschen, egal wie viele und welches Geschlecht, (Adoptiv-)Kindern ein neues zu Hause geben wollen? Warum fragt man dann nach einem heterosexuellen Paar und nicht nach der Eignung der Familie?

Wir brauchen eine einfache Art, Familien gründen zu dürfen. Wenn Menschen sich als Familie betrachten, über alle Grenzen weg gedacht, dann sollten sie auch das Recht haben, zu einem Standesamt zu gehen, und sich dort als Familie mit allen Rechten und Pflichten zusammenzuschließen. Wir müssen als Staat nicht darüber spekulieren, was in den Schlafzimmern abgeht, wir müssen auch nicht darüber richten, ob das denn alles irgendeiner überkommenen Moral entspricht. Wir müssen es Menschen ermöglichen, so zu leben, wie sie es wollen, denn dadurch wird niemandem geschadet.

„Meine Tochter soll nicht sehen, wie sie Feuer in den Mund nehmen!“

Jetzt mag mancher sich wundern, wie eine solche Überschrift zustande kommt, aber es ist erklärbar. Am Mittwoch besuchte ich meine Nichte im Krankenhaus, und wenn man so etwas über einen Großteil des Tages macht, dann wird man auch mitgeschleppt, wenn ein Clown in die Kinderklinik kommt. Der entpuppte sich als eine Allroundnummer aus Jonglage, Zauberei, Modellierballongeknete und ein paar harmloser Fakirnummern.

Und damit wäre das Zauberwort ja schon gefallen. Der nette Mensch ging über ein paar Scherben und fing dann an, ein bisschen mit Feuer herumzuspielen, Heiß-Epillieren der Unterarme, solche Sachen, und wollte dann auch Feuer schlucken. Ein bisschen Nervosität war aufgekommen, aber die war nicht bei den Kindern, die war beim Pflegepersonal, das gespannt auf das Auslösen des Rauchmelders wartete.  Das kam aber nicht, sondern ein heldenhafter Vater rettete sein Kind aus dem Publikum. Sein Töchterlein, so sieben oder acht Jahre alt, schätze ich, und durchaus sehr aufgeweckt – ich hatte die beiden vorher schon mal kurz mitbekommen – durfte nicht zusehen, wie sich ein Feuerschlucker Feuer in den Mund steckt. Dafür musste der Vater den Clown erst mal in einer Feuernummer lautstark anmachen – was dann wirklich eine Gefahr ist, denn bei feuernummern will NIEMAND unterbrochen werden – und dann seine Tochter, die ihren Vater mit einem fast resignierenden Blick ansah, vom Ort des Spektakels wegzerren.

Dass der Clown frustriert die Feuerspielerei sofort beendete, erklärt sich von selbst. Etwas fahrig ging er zu den Modellierballons über, und man durfte schon ein bisschen Mitleid mit der weggezogenen Tochter haben, die den Rest des Tages zusehen durfte, wie andere Kinder mit Tierchen, Blumen oder Säbeln über die Flure stolzierten.

Ich war übrigens ganz kurz davor, dem Vater eine Szene zu machen. Erstens, weil ich natürlich ein Herz für den Auftrittskünstler hatte. Verdammt, so eine Show vor kranken Kindern ist echt keine einfache Sache. Jede Feuernummer ist eine Sache, bei der man konzentriert sein muss, und für so einen Auftritt dieses stieseligen Vaters hätte der Clown auf jeden Fall dringend Schmerzensgeld verdient. Und zweitens, was erlaubt sich dieser Idiot eigentlich? Sein Kind um eine kleine zauberhafte Szene zu bringen? Seine Tochter um das Staunen zu bringen, das Prickeln, das mit Illusion und Feuer unmittelbar verbunden ist.

Ich frage mich an so einer Stelle gerne, was wohl die Motivation ist? Will der Typ seine Tochter wirklich beschützen? Wenn ja, wovor? Dass sie das nachmacht? Hm, die Kleine wirkte nicht für zwei Cents dumm. Ich habe auch noch nie davon gehört, dass das irgendwer nachmachen will … und wenn ein Kind es doch versucht, der Versuch wird einige Zentimeter vor dem Mund stoppen, denn es ist heiß! Das spürt kind auch …

Für mich ist diese dämliche Szene einfach ein Beispiel dafür, wie unsinnig wir heute mit dem Nachwuchs umgehen.  Kinder bekommen kaum noch Möglichkeiten, mit ihren Gefühlen umzugehen, weil ja immer die Eltern da sind, die ihnen alle Gefühl abnehmen. Aber sie müssen als Kinder lernen, was gefährlich ist, was spannend ist, wo man die Luft anhält und auch was Frustration und Langeweile ist.

Am gleichen Nachmittag fragte meine Nichte erstaunt, wieso ich mit einem dämlichen Plastikpaddle einen Flummi in der Luft halten kann … weil ich mich einige hundert Mal nach einem Tischtennisball gebückt habe, weil man durch den Frust durch muss, damit man was lernt. Wenn wir unseren Kindern alle Schwierigkeiten abnehmen, werden sie mit ihren zukünftigen Schwierigkeiten nicht umgehen können. Und wenn wir ihnen Faszination und Rätsel geben können, wenn wir ein Leuchten in ihren Augen sehen, dann sollten wir uns davor nicht fürchten, sondern uns mit ihnen freuen und aus sicherer Entfernung zuschauen – und wenn es sich dann verbrennt, dann sind wir ja da und trösten, ist doch auch okay, oder?