Warum gibt es so schlechte deutsche Buchtitel?

Eine Forumsüberschrift mit Übersetzungen von Filmtiteln hat mich zu einem kleinen Beitrag inspiriert. Ich habe mich ganz auf die Buchtitel von Stephen King spezialisiert, weil die den Unsinn der Verlagspraxis schon allein so schön illustrieren:
Nachdem „It“ – „Es“ nicht nur richtig übersetzt, sondern auch ein riesiger Erfolg war, hat irgendwer in schwer bekifftem Zustand angefangen, möglichst alle Namen so zu vergewaltigen, das sie eine ähnliche Kürze bekamen: total passend wurde also aus „Misery“ kurz „Sie“ – was aufgrund des Vorgängers völliger Bullshit ist, da wird das Magnus Opus von 1100 dicht bedruckten Seiten mit einem Buch, dass nicht viel mehr als eine Fingerübung war, zu vergleichen … das Wortspiel, die Bedeutung des Namens … alles verspielt …
„The Dark Tower: The Gunslinger“ hieß vorher schon „Schwarz“, aus „The Drawing of the Three“ wurde „Drei“ … die nächsten Bände des Dunklen Turms hießen auf Deutsch „Tod“ und „Glas“ … ach, warum noch die Originaltitel nennen …
Es gab nebenbei auch einige kranke nicht so kurze Titel:
„Salem’s Lot“ (ja, ein Ortsname und ein Wortspiel, hübsch oder?) – „Brennen muss Salem“!
„Pet Sematary“ (ich würd mal übersetzen „Haustierfriedhof“ – dafür können wir im Deutschen ja so schön zusammenziehen) – „Friedhof der Kuscheltiere“
„Different Seasons“ – „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“ – nein, keine dieser Novellen ist Horor, man brauchte es auch nicht künstlich reinbasteln.
So richtig schlimm ist aber erst in den letzten Jahren geworden: Aus dem wunderschönen „The Girl who loved Tom Gordon“ wurde  „Das Mädchen“ – bisschen platt, oder? Aus „Dreamcatcher“ wurde „Duddits“ …? Könnte mal jemand erklären? Was sprach gegen „Traumfänger“? Der Eso-Klang, den hat das Wort im englischen vermutlich aber auch …
Und weiter geht es mit Vergewaltigungen: Jeder King-Fan wusste seit Jahrzehnten, dass es einen unveröffentlichten Roman unter dem Titel Blaze gab. Dann überarbeitet King diesen Roman, ihm glückt ein wunderbares Buch, und auf Deutsch darf er nicht nach der Hauptfigur Blaze heißen, sondern muss „Qual“ genannt werden? Außer dem Titel gibt es da keine Qual bei! Oder der zwei Drittel geniale Roman „Duma Key“ – das Ende ist leider allenfalls durchschnittlich -, warum „Wahn“? WARUM?
Aber der beste Beweis für völlige IQ-Losigkeit der Titelübersetzer: „Love“ … ja, ist der „deutsche“ Titel! Halloho!! Das Original heißt „Lisey’s Story“ – „Liseys Geschichte hätte also wunderbar funktioniert, sogar die englische hätte man ohne großen Verlust stehen lassen können – auch wenn ich eigentlich sehr für das Übersetzen bin. Wir haben ja eigentlich eine der poetischsten Sprachen, warum können ausgerechnet die Übersetzer der Titel diese nicht beherrschen? (Kurz abschweif: Im neuen King, „Die Arena“ – „Under the Dome“ – na, merkt man was? – gibt es einen wunderbaren Übersetzungsfehler, als nämlich Jugendsprache vorkommt, und ein kleiner Skater „Alte Schule“ sagt … ich hab sehr gelacht)
Kleiner Aufruf: Wenn jemand eine Möglichkeit findet, diese Praxis so richtig lächerlich zu machen, bitte bescheid sagen, mache jeden Mist mit …

Über Hollarius

Ich bin in den Siebzigern geboren, halte mich voll Hybris für einen Künstler und meine auch noch, alle müssten lesen, was ich so meine ...

Veröffentlicht am Dezember 26, 2009 in Kultur, Literatur, Sprache, stephen king und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.

  1. Interessanter Artikel. Muss dir da vollkommen zustimmen, die Titel im Deutschen sind teilweise echt schlimm … Mir fällt dazu noch „Ich knall euch alle ab!“ ein, da ist das Original „Give a boy a gun“ doch auch viel besser.

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