Blog-Archive

Keine Sympathie

Manchmal ärgere ich mich. Manchmal ärgere ich mich auch über mich selbst – nämlich dann, wenn ich sympathisiere. Ich bin da gut drin, ich sympathisiere schon lange. Ich war schon sehr früh gegen die Kohlregierung meiner Kindheit eingestellt, und ich fand alles sympathisch, was gegen „das System“ war, ein System, dass ich bis heute noch nicht ganz verstehe, dass ich noch immer in Vielem widerlich finde, und in dem Vieles bekämpft werden muss – da will ich nicht drüber diskutieren, wenn ich heute Morgen wieder mal lese, dass die Deutschen noch nie so reich waren, das Privatvermögen also so groß ist, wie noch nie, dann könnte ich kotzen. (Übrigens nicht aus Neid, Geld ist meiner Meinung nach relativ unspannend, so lange man damit nichts Sinnvolles macht, und um noch ein ganz klein wenig mehr abzuschweifen: Nähme man allen, deren Vermögen über der Millionen-Grenze liegt, zehn Prozent davon weg, dann würden die es kaum spüren, müssten sich auf jeden Fall nicht einschränken, und man könnte sowohl das Gesundheitssystem reparieren, wie das Bildungssystem so schlagkräftig machen, dass wir über PISA nur lachen würden!)

Aber dass ich damals mit Terroristen der RAF sympathisiert habe, das war schon Quatsch. Wie soll man das denn rechtfertigen? Keine Frage, die RAF hat damals die angegriffen, die auch heute noch alles tun, damit Geld weiter die Welt regiert, ich stimme mit den Zielen, so lange es nicht die Chauffeure waren, ja prinzipiell sogar einigermaßen überein – aber der Schluss, dass man gegen diese Leute Waffengewalt einsetzen darf, der ist natürlich völlig blödsinnig, und letztlich begibt man sich damit auf noch niedrigeres Niveau, als der politische Gegner – und niedriges Niveau gefällt mir persönlich gar nicht.

Ich habe dann weiter sympathisiert, mit den Hausbesetzern der Hamburger Hafenstraße – und das finde ich prinzipiell immer noch in Ordnung. Ja, die haben sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, aber sie waren immer die Schwächeren, und mit den Schwächeren darf man ja wohl sympathisieren – ja, ich weiß, Staatsgewalt und so, aber wenn der Staat sein Gewaltmonopol missbraucht, und das ist damals vielfach geschehen, dann ist diese Form von Widerstand eine, die ich nicht mitmachen würde, aber die ich verstehen kann – und dass ich das als Jugendlicher halt auch cool fand, ach, das find ich schon ziemlich in Ordnung.

Aber es ging ja immer weiter, und irgendwann wurde mir klar, dass man bei einigen Sachen nicht sympathisieren darf, weil es einfach falsch ist. Zum Beispiel das Sympathisieren mit irgendwelchen Selbstmordattentätern. Wenn es um den ewigen Nahost-Konflikt geht, dann habe ich keine Sympathie für israelische Siedler, die sich ungerechtfertigt Boden aneignen, auf Palästinenser schießen, aber ich habe genauso wenig Sympathie für die Milizen, die aus Verstecken Raketen auf Wohngebiete abfeuern, oder sich viel weniger versteckt neben israelischen Soldaten in die Luft sprengen und so viele Menschen wie möglich mitnehmen. Beide Verhaltensweisen find ich unglaublich bescheuert.

Wenn Menschen glauben, dass sie andere Menschen in die Luft sprengen müssen, weil ihr Gott ihnen das sagt, dann halte ich sie für arme Irre – und dann ist mir egal, ob sie Bin Laden heißen oder George W. – beides fundamentalreligiöse Wirrköpfe. Und wenn ich die Hinrichtung Bin Ladens durch die Navy Seals verbrecherisch finde, dann ist das nicht aus Sympathie für Bin Laden, sondern weil ich  einfach rechtsstaatlich denke und meine, dass Verbrecher vor ein Gericht gehören – einem unbewaffneten Mann aus Notwehr zweimal in den Kopf schießen … wie nannte man das noch? – Richtig, Mord.

Ich muss noch mal kurz abschweifen, ich bin ja ein Freund gepflegter kabarettistischer Unterhaltung und stehe als solcher auf Hagen Rether.  Dieser hat schon eine Menge getan, damit die dümmliche Panikmache vor dem Islam als solchem, die ja nichts anderes als politisch korrekt verbrämter Rassismus ist, ein wenig bekämpft wird. Auf Youtube kann man dann sehen: Die heiligen Krieger bei uns vereinnahmen Rether für sich, bitten ihn, Muslim zu werden – ich frage mich dann immer, ob ich lachen oder weinen soll. Und irgendwie bezweifel ich, dass Hagen Rether einem personalen Gott irgendetwas abgewinnen kann.

Ich will sympathisieren, ich muss sympathisieren mit jedem Menschen, weil er Mensch ist. Kein Mensch ist prinzipiell besser oder schlechter als andere. Ich habe keine Angst vor dem Islam, wie ich vor dem Christentum keine Angst habe – aber ich habe manchmal Angst vor religiösem Fanatismus, und da ist mir völlig egal, zu welcher Religion sich derjenige bekennt – in einem Gottesstaat egal welcher Couleur wäre ich sowieso Staatsfeind. Ich sympathisier mit jedem Araber, der Demokratie fordert und dafür auf die Straße geht, aber ich halte jeden, der das nicht für Demokratie sondern für Allah macht, für einen Spinner. Aber wie gesagt, da bin ich gerecht, ich halte jeden für einen Spinner, der seine Religion für so wichtig hält, dass er seine geistige Freiheit an seine Religion verschenkt.

Ich glaube, es ist ein Fehler der Linken, dass man immer sympathisiert. Wenn im Islam Frauen diskriminiert werden, ist das genauso schlimm, wie im Katholizismus, und wenn amerikanische Soldaten in Afghanistan weggesprengt werden, dann mag man vielleicht noch „selbst schuld“ denken, aber die Tat ist feige und furchtbar, und Sympathie ist da falsch. Allzu oft mündet die Sympathie ja dann in den positiven Rassismus, der nicht weniger Rassismus ist, als der negative. Menschen sind nicht weniger Wert, weil ihre Hautfarbe schwarz ist, oder weil sie in den Islam hineingeboren wurden – wer das glaubt, der ist ein Rassist und Verfassungsfeind -, aber sie sind auch nicht mehr wert und sakrosankt, sie sind einfach Menschen.